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Kairo: Islamisten rufen zum Widerstand

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In Kairo haben am Sonntagabend erneut Zehntausende Anhänger wie auch Gegner Mursis demonstriert. © dpa

Kairo - In Kairo eskalieren die Proteste gegen die Entmachtung Mohammed Mursis: 40 Menschen werden bei Zusammenstößen der Armee mit den Muslimbrüdern getötet. Jetzt ruft die Muslimbruderschaft zum Aufstand gegen die Armee auf.

Nach dem Militärumsturz spitzt sich die Staatskrise in Ägypten gefährlich zu. Am Montag kamen bei schweren Zusammenstößen zwischen Soldaten und Anhängern des gestürzten Präsidenten Mohammed Mursi mindestens 40 Menschen ums Leben. Mindestens 322 weitere wurden bei der Schießerei vor einer Kaserne in Kairo verletzt, wie der Sprecher des Gesundheitsministeriums, Chaled el-Chatib, berichtete. Der politische Arm der Muslimbruderschaft sprach von einem „Massaker“ und rief zu einem landesweiten Aufstand gegen das Militär auf.

Militär und Muslimbrüder schoben sich gegenseitig die Verantwortung für die Eskalation zu. Militärsprecher Ahmed Mohammed Ali erklärte, bewaffnete Islamisten hätten im Morgengrauen versucht, das Hauptquartier der Republikanischen Garde zu stürmen. Dabei hätten sie scharf geschossen und Brandsätze auf eine nahe gelegene Moschee und umliegende Häuserdächer geworfen. Laut Militär wurden 200 Angreifer festgenommen.

Die Muslimbrüder erklärten dagegen, Soldaten und Polizisten hätten zur Zeit des Morgengebets unvermittelt eine friedliche Sitzblockade vor dem Militärkomplex beschossen. Auch Frauen und Kinder seien unter den Opfern.

Der vom Militär eingesetzte Interimspräsident Adli Mansur rief alle Seiten zur Zurückhaltung auf und ordnete eine juristische Untersuchung an. In seiner Erklärung gab aber auch Mansur die Version der Armee wieder, wonach die Soldaten eine drohende Erstürmung abwehren mussten. Das staatliche Fernsehen zeigte Bilder von Demonstranten, die Steine warfen und Reifen anzündeten.

Der höchstrangige sunnitische Geistliche des Landes, Scheik Ahmed al-Tajeb, kündigte an, aus Protest in Klausur zu gehen und sein Haus erst zu verlassen, wenn das Blutvergießen ende. Der Großimam der Al-Azhar-Moschee forderte alle Konfliktparteien auf, ein Abgleiten des Landes in den Bürgerkrieg zu verhindern. Der Reformpolitiker Mohammed ElBaradei, der vorübergehend als Übergangsregierungschef im Gespräch war, verurteilte die Gewalt ebenfalls. „Ein friedlicher Übergang ist der einzige Weg“, schrieb der frühere Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) auf Twitter.

ElBaradeis Berufung war am Wochenende überraschend an Einwänden der ultrakonservativen islamistischen Al-Nur-Partei gescheitert, mit der die neue Staatsführung möglichst zusammenarbeiten will. Als Reaktion auf die Gewalt am Montag erklärte Al-Nur-Sprecher Nader Bakkar nun aber, man stehe für Gespräche über eine Regierungsbildung gar nicht mehr zur Verfügung.

Nach dem Sturz Mursis am vergangenen Mittwoch hatte Armeechef und Verteidigungsminister Abdel-Fattah el-Sissi den bisherigen Obersten Richter Mansur zum Interimspräsidenten ernannt und bis zu Neuwahlen die Verfassung ausgehebelt. Neben liberalen und säkulären Gegnern Mursis und muslimischen und christlichen Führern hatte der Fahrplan bislang auch die Unterstützung der Al-Nur-Partei gefunden. Mursis Anhänger hingegen pochen auf eine Wiedereinsetzung des abgesetzten Staatsoberhaupts.

Eine Teilnehmerin der Sitzblockade, Al-Schaimaa Junes, sagte der Nachrichtenagentur AP am Telefon, als die Schüsse fielen, sei Panik ausgebrochen. „Die Leute rannten weg. Ich sah Menschen zu Boden fallen.“ Unter den Demonstranten seien auch Frauen und Kinder gewesen.

Die Freiheits- und Gerechtigkeitspartei, der politische Arm der Muslimbruderschaft, rief zum Aufstand gegen die Armee auf und appellierte an die Staatengemeinschaft, die „Massaker“ stoppen. Das Militär treibe das Land in einen Bürgerkrieg, hieß es. Ägypten könne das „neue Syrien“ werden.

Die im Gazastreifen herrschende Hamas verurteilte die Zusammenstöße und kondolierte den Familien der Opfer. Die Hamas gilt als Ableger der Muslimbruderschaft, der Mursi entstammt.

Der britische Außenminister William Hague rief alle Konfliktparteien zu Ruhe und Besonnenheit auf. Er forderte Bemühungen um baldige freie und faire Wahlen sowie die Verständigung aller Parteien auf eine demokratische Verfassungsreform.

AP

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