Autobahn, Verbrenner, Heizungsverbot: Zerbricht die „Ampel“ an diesen Streitpunkten?
Die vermeintliche Schlichtung innerhalb der Ampel-Koalition ist vertagt. Merkur.de erklärt, worüber SPD, Grüne und FDP streiten. Und wo es besonders hakt.
München/Berlin - Es knistert, knarzt und hakt überall: Die Ampel-Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP wirkt festgefahren. So sehr, dass nach einer langen Nacht im Bundeskanzleramt ohne Lösungen die Beratungen des Koalitionsausschusses über Kernthemen auf diesen Dienstag (28. März) vertagt werden mussten, um inhaltliche Streitfragen zu klären.
Ampel-Koalition: Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP wirkt festgefahren
„Die Koalition ist an einem Punkt, wo man ohne Betäubung auf den Nerven des anderen bohrt“, kommentierte das „heute journal“ des ZDF harsch. Insbesondere beim Klima zeige sich, wie weit die politischen Positionen auseinanderliegen. Das dürfte vor allem für die Grünen und die FDP gelten.
Autobahn, Verbrenner, Heizungsverbot: Merkur.de erklärt, worüber die Ampel-Spitzenpolitiker um Kanzler Olaf Scholz (SPD), Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und FDP-Chef Christian Lindner streiten.

Ampel-Streitpunkt 1: Die Ausstattung der Bundeswehr
Der Ukraine-Krieg überlagert vieles. Zuallererst die von Scholz angekündigte „Zeitenwende“. Das „Sondervermögen Bundeswehr“ kommt jetzt verstärkt in die Umsetzung. Zuerst wurde der Kauf von mehr als 100 neuen Radpanzern „Boxer“ für das Heer bekannt. Jetzt erklärte Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) Merkur.de exklusiv, dass die Bundesregierung vor dem Kauf einer unteren zweistelligen Zahl neuer Leopard 2 A7V für die Bundeswehr steht.
Der FDP-Verteidigungspolitikerin geht es dennoch zu langsam. Auf Nachfrage sagte sie: „Alles, was wir abgeben (an die Ukraine, d. Red.), muss umgehend bestellt werden. Wir brauchen mehr Dampf und Tempo. Herr Pistorius (Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius, SPD), von dem ich sehr viel halte, weiß das. Er weiß, dass es kein Zögern geben darf.“ Ihr Signal an die Sozialdemokraten ist deutlich.
Wir brauchen mehr Dampf und Tempo. Herr Pistorius, von dem ich sehr viel halte, weiß das. Er weiß, dass es kein Zögern geben darf.
Ampel-Streitpunkt 2: Die Finanzierung der Kindergrundsicherung
Damit alle Einzelhilfen für sozial schwache oder gar arme Familien mit Kindern gebündelt werden, hatte sich die Bundesregierung auf die Kindergrundsicherung verständigt. Umgesetzt ist diese noch nicht, weil Grüne und FDP über die Finanzierung zoffen.
Den Grünen schweben bis zu 500 Euro pro Kind und Monat vor. Familienministerin Lisa Paus (Grüne) rechnet laut Focus Online damit, dass dies den Bund zwölf Milliarden Euro im Jahr kosten würde. Das Ifo-Institut gehe dagegen von 37 Milliarden Euro aus. Es ist Geld, das Bundesfinanzminister Lindner (FDP) angeblich nicht bereitstellen will, weil die positiven Auswirkungen für die Volkswirtschaft erst in etlichen Jahren spürbar wären.
Ampel-Streitpunkt 3: Die Zukunft der Verbrennermotoren
Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) hatte einen eigentlich verabredeten Kompromiss mit der Europäischen Union (EU) über ein früheres Aus von Verbrennermotoren blockiert. Zwar haben sich EU und Deutschland nun verständigt, dass mit klimaneutralen Kraftstoffen betriebene Autos über 2035 hinaus zugelassen werden dürfen. Die Hängepartie und das Verhalten Wissings wirken aber nach. Vor allem bei den Grünen.

Ampel-Streitpunkt 4: Habecks vorgeschlagenes Heizungsverbot
Auch die Heizungspläne von Bundeswirtschaftsminister Habeck (Grüne) belasten das Regierungsbündnis. Konkret: Ab 2024 soll möglichst jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Habecks Pläne könnten auf ein Quasi-Einbauverbot neuer Gas- und Ölheizungen hinauslaufen.
Es haperte an der Kommunikation. FDP-Boss Lindner bemängelte mehrmals, dass dies für die Bürger finanziell und sozial nicht stemmbar sei. Grünen-Spitzenpolitiker wie Anton Hofreiter oder Parteichef Omid Nouripour weichen in Interviews der kritischen Nachfrage aus, ob es für diese Wärmewende aktuell überhaupt genügend Heizungsmonteure gäbe.
Millionen Bürger wären betroffen. Wie Merkur.de berichtete, könnten etwa Eigentümer von Mietshäusern die Kosten für Sanierungen der Heizungen teils auf ihre Mieter umlegen. In der Bundesregierung wird jetzt über eine mögliche „Abwrackprämie“ für alte Heizungen diskutiert.
Die geplanten neuen Autobahnen und Bundesstraßen werden zum Milliardengrab, mit Ansage.
Ampel-Streitpunkt 5: Mehr Geld für neue Autobahnen oder für die Schiene?
Fließt mehr Geld in die Autobahnen, wie von der FDP vorangetrieben? Oder setzt Deutschland verstärkt auf das Schienennetz, wie von den Grünen gefordert? Laut ZDF fordern die Grünen eine Gegenleistung für einen weiteren Autobahnausbau. Alternativ könnte sich die FDP für das von ihr geleitete Verkehrsministerium verpflichten lassen, die Klimabilanz verbindlich zu verbessern.
Die Grünen verweisen auf Kostenexplosionen beim Autobahnbau. So stiegen beispielsweise die Kosten für den Ausbau der A59 bei Duisburg von 333 Millionen auf 1,4 Milliarden Euro. „Die geplanten neuen Autobahnen und Bundesstraßen werden zum Milliardengrab, mit Ansage“, erklärte Stefan Gelbhaar, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen, dem Merkur.de von IPPEN.MEDIA. Die FDP bleibt hart. „Es ist absolut unsinnig, den Aus- und Neubau von Autobahnen und Bundesstraße zu stoppen“, sagte der verkehrspolitische Sprecher der FDP, Bernd Reuther, auf Anfrage. Das Ringen geht weiter. (pm)