Baerbock bald Außenministerin - Experte wird deutlich: „Startet bei minus zehn, nicht null“

Annalena Baerbock wird in der neuen Regierung das Außenministerium übernehmen. Mit Krisenherden wie Belarus, China und Russland warten schwierige Aufgaben.
Berlin - Die Grünen fuhren das beste Ergebnis bei Bundestagswahlen in ihrer Partei-Historie ein. Auch die ehemalige Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock schreibt Geschichte: Sie soll künftig das Amt der Außenministerin bekleiden und wird damit Deutschlands erste Außenministerin. Sie startet aus einer schwierigen Position heraus, so der Politik-Experte Christian Mölling im Gespräch mit ntv. Wichtige außenpolitische Themen sieht er in Belarus, im transatlantischen Verhältnis sowie in der Beziehung zu China.
Politik-Experte Mölling: „Außenpolitik wird schon lange nicht mehr allein im Außenministerium gemacht!“
Christian Mölling, Politik-Experte von der deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, beschreibt im Gespräch mit ntv die Ausgangslage des künftigen Außenministeriums – ganz unabhängig von der Personalie Annalena Baerbock. „Man muss erstmal sehen, dass in den vergangenen 16 Jahren eigentlich das Kanzleramt zum zweiten Außenministerium geworden ist, weil es viele der wichtigen Dossiers an sich gezogen hat“. Teilweise sei das nicht anders gegangen, da es krisengetrieben war, so Mölling. Das Außenministerium starte daher jetzt „bei minus zehn, nicht bei null.“ Die Frage sei, ob das Kanzleramt nun bereit sei, Macht abzugeben. „Das hängt dann auch vom Regierungsstil von Olaf Scholz ab“, so Mölling.
Gleichzeitig betont der Politik-Experte auch, dass Außenpolitik schon lange nicht mehr nur im Außenministerium oder im Kanzleramt gemacht werde. „Wenn Sie effektiv Außenpolitik machen wollen, dann müssen Sie auch Wirtschaftspolitik und Technologiepolitik machen.“ Demzufolge gebe es für das Auswärtige Amt eine große Aufgabe der Vernetzung all jener Politiken, die mit Außenpolitik zu tun haben, erklärt Mölling.
Annalena Baerbock als Außenministerin: „Grüne haben härtestes außenpolitisches Auftreten“
Schon im laufenden Wahlkampf war der Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock ihre mangelnde Regierungserfahrung als Nachteil ausgelegt worden. Dass sie eine Frau ist, macht ihre Position nicht einfacher, denn jeder Schritt wird doppelt kritisch beäugt. Hasskommentare gegen Annalena Baerbock sind im Netz rund sechs Mal häufiger als gegen den Kanzlerkandidaten Armin Laschet und mehr als acht Mal häufiger als gegen Olaf Scholz, stellte der Spiegel fest. Es brauche eine klare Agenda im Außenministerium, so Politik-Experte Christian Mölling.
In diesem Punkt sieht er Annalena Baerbock parteipolitisch gut aufgestellt: „Die Grünen haben mit Blick auf die normative oder werteorientierte Außenpolitik die klarste Agenda,“ sagt der Politik-Experte weiter. Die grüne Partei hätte aus seiner Sicht auch das härteste und stärkste außenpolitische Auftreten, insofern sieht Mölling, dass ein grünes Außenministerium einen klaren Stand vertreten werde. Die außenpolitische Agenda warte nicht auf Deutschland, so Mölling. Nicht nur im Hinblick auf die imminenten Krisen etwa jene in Belarus oder im Verhältnis zu China fange das Außenministerium bei minus zehn an, sondern es gebe auch insgesamt viel zu tun. „Das ist jedoch auch eine Möglichkeit zu wirken und die Außenpolitik mit einem grünen Stempel zu versehen“, zieht Mölling sein Fazit.
In der Belarus-Krise hatte Annalena Baerbock schon vor der Bekanntgabe ihrer neuen Aufgabe deutlich Stellung bezogen, ebenso ist ihr Kurs beim Verhältnis zu China klar. Generell steht die grüne Außenpolitik für „Frieden, Menschenrechte, den Schutz von Klima und Umwelt, eine gerechte Globalisierung und eine regelbasierte kooperative Weltordnung“, wie es im Parteiprogramm heißt. Die Grünen bekennen sich zur NATO und setzen sich für eine handlungsfähige EU ein.