Ex-Vizekanzler nennt Grünen-Klimaplan „Volksverdummung“ - Spott für Baerbock-Patzer und Habecks „Leid“
Die Grünen kommen nicht in die Offensive. Ihr neuester Klima-Plan stößt auf heftige Kritik. Schlimmer noch: Erneut hagelt es statt inhaltlicher Debatten vor allem Spott.
Biesenthal/Berlin - Der Bundestagswahlkampf bleibt für die Grünen schwierig: Anders als bei Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock stoßen Armin Laschets Plagiatsprobleme auf wenig öffentliches Interesse - und selbst scheinbar problemlose inhaltliche Offensiven geraten zum Bumerang. So auch jetzt wieder.
Am Dienstag hatten Baerbock und Co-Chef Robert Habeck vor der buchstäblich ur-grünen Kulisse eines hauptstadtnahen Naturschutzgebiets ihr Klima-Sofortprogramm vorgestellt. Viel Neues fand sich daran nicht, aber Zeitpunkt schien nach den Debatten um die Flutkatastrophe in Deutschland passend. Doch nicht nur, dass der wohl plakativste Punkt von der Konkurrenz in Bausch und Bogen verrissen wird - großes Interesse gab es in der Folge vor allem an einem Verbal-Fehltritt Baerbocks. Und an Habecks Gestik während der Ausführungen seiner Kollegin.
Grüne: Laschet und Scholz gegen Ministeriums-Plan - Gabriel verreißt Vorschlag
Die inhaltliche Kritik entzündet sich an den Grünen-Plänen für ein Klimaministerium. Konkret: Am angedachten Vetorecht des Ressorts gegen klimaschädliche Pläne aus anderen Häusern. „Klimaschutz ist Kanzlerjob“, beschied Laschet am Mittwoch in der Rheinischen Post. „Kluger Klimaschutz ist eine Querschnittsaufgabe und kein Veto-Job einer grünen Ministerin“, fügte er hinzu - möglicherweise schon mit Blick auf eine nahende schwarz-grüne Koalition. Auch SPD-Kandidat Olaf Scholz twitterte, er wolle Klimaschutz zur Chefsache machen - und zu einer Angelegenheit für „das Kanzleramt“.
Schmerzlicher dürfte aber inhaltliche Kritik an der Veto-Idee sein. „Auf die Idee kann nur jemand kommen, der entweder keine Ahnung von Politik hat oder der im Wahlkampf mit schön klingenden Parolen Volksverdummung betreiben will“, sagte Ex-SPD-Chef Sigmar Gabriel ebenfalls der Rheinischen Post. Schon heute habe jedes Ressort ein Vetorecht bei Kabinettsentwürfen - etwa auch das Umweltministerium. Er selbst habe als Umweltminister rege von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, beispielsweise um Atomkraft-Pläne Angela Merkels zu vereiteln, verriet der frühere Vizekanzler.
Allerdings sehen die Gesetze und Geschäftsordnungen tatsächliche Veto-Rechte für einige Ministerien vor - nicht aber für alle. Ein Einspruchsrecht für den Umweltminister wäre eher dem informellen Willen zum Kabinettsfrieden geschuldet.
Grüner Klimaplan: Merz rügt „staatsautoritäres Denken“ - mit eigenwilliger Begründung
Pikanterweise sah Laschet-Helfer Friedrich Merz die Lage anders. Auch er übte Kritik an den Plänen der Grünen. Allerdings aus entgegengesetzter Richtung: Der Vorschlag zeige „das staatsautoritäre Denken der Grünen“, wetterte er in einem Tweet: „Gesetze werden bei uns im Parlament beschlossen. Es ist mit der Verfassungsordnung unvereinbar, dass ein Ministerium gegen Bundestagsentscheidungen ein Veto einlegt.“
Ein Veto gegen bereits verabschiedete Gesetze dürften die Grünen allerdings kaum im Sinn gehabt haben - ohnehin passiert den Bundestag kaum eine Novelle, die nicht von der Regierung initiiert oder zumindest von ihr abgesegnet ist. „Bösartig oder völlig unbedarft!“, nannte der Grüne-Abgeordnete Konstantin von Notz Merz‘ Replik.
Habeck verteidigte indes den Vorstoß - und verwies auf gängige Praxis in Finanzierungsfragen. „Was bei der Haushaltspolitik gelebte Praxis ist, geht auch in der Klimapolitik. Bei beidem geht es um ein knappes Gut und Generationengerechtigkeit“, sagte Habeck der Rheinischen Post. Viel zu oft sei die Einhaltung des Pariser Klimavertrags im Regierungsalltag zurückgestellt worden. In Richtung Union fügte er hinzu: „Vorschläge ablehnen, aber selber keine machen, das geht nicht.“
Baerbock und Grüne schon in wieder in Welle des Spotts: Kanzlerkandidatin wähnt sich am falschen Ort
Abseits dieser Debatte fegte in den sozialen Netzwerken aber auch eine mittelschwere Welle des Spotts über die Grünen hinweg. Ein Anlass war ein unangenehmer inhaltlicher Patzer Baerbocks: „Da ist der Wald hier im Oderbruch anders als der Wald im Süden des Landes“, führte sie vor den Journalisten aus. Der Schönheitsfehler: Der Termin fand bei Biesenthal nördlich von Berlin statt, in der Landschaft des Barnim - und mitnichten im Oderbruch. Besonders schmerzlich ist der Fehler, da Annalena Baerbock in Brandenburg für ein Direktmandat antritt. In jedem Bundesland also, in dem Oderbruch und Barnim liegen.
Andere Beobachter warfen aus anderer Warte einen sehr kritischen Blick auf die im Video festgehaltene Sequenz. „Wenn ich je körperliches Unbehagen, Abschottung und Genervtheit als Ausdruck von Körpersprache gesehen habe, dann bei Habeck in dieser kurzen Szene“, urteilte ein User. „Habeck möchte offensichtlich im Boden versinken“, ein anderer. Selbst CDU-Größe Ruprecht Polenz attestierte dem Grünen „sichtbar zu leiden“. Inhaltliche Debatten wollen jedenfalls wenige Wochen vor der Bundestagswahl offenbar kaum durchdringen. (fn)