Grüner Klima-Sturm? Baerbock erklärt Ministerium-Plan - doch Aktivisten gehen mit Programm hart ins Gericht

Die Grünen stellen nochmal ihre Klimapläne vor - samt ungewöhnlicher Ministeriums-Ideen und einer Schelte für die Union. Aktivisten sind aber unzufrieden.
Berlin/Biesenthal - Die Flutkatastrophe in Deutschland hat das Thema Klimawandel noch einmal groß auf die Wahlkampf-Agenda gesetzt. Wohl nicht zufällig haben die Grünen* nun ein Klima-„Sofortprogramm“ vorgestellt - wenn auch ohne das Wort „Hochwasser“ in den Mund zu nehmen. Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock* kündigte unter anderem Pläne für „Klimaschutzministerium mit Vetorecht“ an. Allerdings bekam die Öko-Partei für ihr Wahlprogramm in Sachen Klima am Dienstag auch heftigen Gegenwind und zwar ausgerechnet von den Klima-Aktivisten der Gruppe Fridays For Future.
„Keines der Wahlprogramme der etablierten Parteien reicht aus, um die 1,5-Grad-Grenze einzuhalten und einen gerechten Beitrag Deutschlands dazu zu leisten“, sagte die Aktivistin Carla Reemtsma der dpa - und bezog damit auch die Grünen in ihre Kritik ein. „Es braucht den gesellschaftlichen Druck von unten, weil mit keinem Wahlprogramm ein Beitrag geleistet wird für das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens. Es braucht die Massenproteste auf der Straße. Das werden wir in den kommenden Wochen tun.“ Fridays For Future plant einen neuen Klimastreik zwei Tage vor der Bundestagswahl*.
Baerbock will „Klimaschutzministerium mit Vetorecht“ - und rügt Merkels Regierung scharf für „Alibi-Stuhlkreis“
Baerbock und ihr Co-Chef Robert Habeck stellten unterdessen in einem Naturschutzgebiet nördlich von Berlin noch einmal ihre Klimapläne vor. Die meisten Punkte waren bereits aus dem Grünen-Wahlprogramm bekannt* - allerdings wiesen die Parteispitzen auf einige besonders pointierte Ideen hin. „Das, was wir hier vorstellen, zeigt, wo unsere besondere Priorität drauf liegt“, sagte Baerbock. Die Regierung Angela Merkels habe viel Zeit „verplempert“, deswegen sei nun ein „Beschleunigungsprogramm“ nötig: „Sonst wird es irgendwann zu spät sein“.
Unter anderem ein 100-Tage-Sofortprogramm mit einer „Klima-Taskforce“ unter Beteiligung aller Ministerien kündigte Baerbock an - auch „ein Klimaschutzministerium mit Vetorecht“ sei gewünscht. Dieses solle einschreiten können, wenn Pläne nicht mit den Klimaregeln von Paris kompatibel sind. Zugleich könne etwa das Wirtschaftsministerium nicht einfach immer nur „Nein“ sagen. Das Klima-Kabinett Merkels sei eher ein „Alibi-Stuhlkreis“ gewesen. „Wer Klimaschutz in Sonntagsreden sagt, der muss dann auch Windräder bauen“, fügte Baerbock in einem deutlichen Seitenhieb unter anderem auf CSU-Chef Markus Söder* hinzu.
Habeck will Wirtschafts-Boost durch durch Klima-Investitionen - zusätzliche 15 Milliarden Euro angedacht
Bei den Reformen gehe es auch um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft, betonte die Grüne. Die Weichenstellungen seien auch nötig, um Investitionen in Deutschland zu sichern. Die Industrie sei „bereit“, sagte Co-Chef Robert Habeck. Dafür benötige sie aber auch Geld. Sowohl die Wirtschaft als auch Privatpersonen sollen in der Übergangsphase unterstützt werden, erklärte er. Ziel sei ein „Klimaschutz-Investitionsprogramm“, das auch die Wachstumsrate in Deutschland steigen lassen werde.
Den kommenden Bundesetat wollen die Grünen zu einem „Klimaschutzhaushalt“ machen. Dazu sollen für den Klimaschutz 15 Milliarden Euro zusätzlich ausgeben werden. Habeck betonte auch die Wichtigkeit eines sozialen Ausgleichs. Den Mindestlohn wollen die Grünen gesetzlich auf zwölf Euro anheben, „damit gerade Menschen mit niedrigen Einkommen nicht durch steigende Preise bei einzelnen Gütern im Klimaschutz überfordert werden“, wie es im Sofortprogramm heißt. Ein Klimabonus-Fonds soll nach dem Willen der Grünen all jene unterstützen, „für die der Weg in die Klimaneutralität finanziell nicht einfach zu stemmen ist“.
Grüne und das Klima: Habeck schießt scharf gegen CDU - „Das geht nicht mehr an“
Habeck stichelte ebenfalls gegen die Union. In einer Regierung werde man offen sei für Vorschläge anderer Parteien. An anderer Stelle müsse man die Debatte jetzt aber „erden“, erklärte er. Es gehe nicht mehr an, „von Leuten die keine Antworten geben können, für Antworten kritisiert zu werden, die gegeben werden“, sagte Habeck. Die Union hatte die Grünen in den vergangenen Monaten scharf für ihre Pläne zum Klimaschutz attackiert. „Irgendwer wird dafür bezahlen müssen“, sagte er mit Blick auf Klimaschutz-Maßnahmen. Das werde in der Debatte verkannt.
Im Video: Glaubwürdigkeitsproblem bei den Grünen?
Die beiden Grünen-Chefs traten nach den Umfrage-Turbulenzen der vergangenen Wochen* betont gleichberechtigt auf. Baerbock und Habeck stellten gemeinsam das Programm vor und antworteten abwechselnd auf Journalisten-Fragen. (fn/dpa) *Merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.