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„Freunde“ Putins und Partner Deutschlands – „Systematische Folter“ und willkürliche Verhaftungen in Bahrain

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Von: Andreas Schmid

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Bahrains König Hamad bin Isa Al Chalifa und Kremlchef Wladimir Putin
Bahrains König Hamad bin Isa Al Chalifa und Kremlchef Wladimir Putin: Am Golf beklagen Menschenrechtsorganisationen Folter und Verhaftungen. © IMAGO/ZUMA Wire (Archivfoto)

Bahrain belegt im Demokratieindex einen der hinteren Plätze. Dem Inselstaat werden Misshandlung und unbegründete Verhaftungen vorgeworfen. Doch nur wenige schauen hin.

Manama - Die Fußballweltmeisterschaft in Katar rückt die Golfregion ins Scheinwerferlicht. Unter anderem Menschenrechtsverletzungen in den Wüstenemiraten geraten in den Fokus. Im Falle Katars gibt es Aufrufe zum WM-Boykott, in Saudi-Arabien werden öffentliche Hinrichtungen angeprangert. Etwas in Vergessenheit gerät dabei ein kleines Land, das vor der Küste Katars liegt: Bahrain. Dabei lohnt es sich durchaus, genauer hinzuschauen.

Bahrain: Amnesty berichtet von „schweren Menschenrechtsverletzungen“

Amnesty International schreibt in seinem jährlichen Lagebericht zu Bahrain: „Die Behörden begehen schwere Menschenrechtsverletzungen, darunter Folter und andere Misshandlungen, und unterdrücken die Rechte auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit.“ Die Non-Profit-Organisation verweist aktuell vermehrt darauf, dass die Menschenrechtslage am Golf durchschnittlich schlechter sei als in Katar. Das treffe auch auf Bahrain zu.

Lara Farag von der Menschenrechtsorganisation Americans for Democracy and Human Rights in Bahrain (ADHRB) zeichnet im Gespräch mit Merkur.de von IPPEN.MEDIA ein ähnliches Bild. Die „körperliche und psychische Folter von Gefangenen“ werde „systematisch von den bahrainischen Behörden“ praktiziert. Maßgeblich dafür verantwortlich sei das Königshaus. Bahrain ist eine konstitutionelle Monarchie. Selbsternannter König und damit Staatschef ist Hamad bin Isa Al Chalifa. Sein Sohn Salman bin Hamad bin Isa Al Chalifa ist Bahrains Kronprinz, Oberbefehlshaber der Streitkräfte und Premierminister, also Regierungschef.

Bahrain: Enge Beziehungen zu Russland - „unsere Freunde“

Die beiden Staatsmänner pflegen gute Beziehungen zu Russland, erst im Mai war Außenminister Sergej Lawrow am Golf. Zum russischen Feiertag am 9. Mai („Tag des Sieges“) schickte Bahrain herzliche Grußbotschaften gen Kreml. Der bahrainische Monarch lobte die Beziehungen zwischen Manama und Moskau und betonte, er wolle diese weiter ausbauen.

Die russische Nachrichtenagentur Tass vermeldete im März: „Putin informiert König von Bahrain über Gründe und Ziele der Spezialoperation in der Ukraine.“ Bahrain stimmte zwar für die UN-Resolution, die die russische Invasion verurteilt, ist laut Lawrow aber nach wie vor „Russlands zuverlässiger Partner in der arabischen Welt“. Russland sei „mit unseren Freunden“ stets im Austausch.

Hamad bin Isa Al Chalifa und Salman bin Hamad bin Isa Al Chalifa, hier mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow.
Vater und Sohn: Hamad bin Isa Al Chalifa und Salman bin Hamad bin Isa Al Chalifa, hier mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow. Das Treffen fand im Mai 2022 inmitten des Ukraine-Kriegs statt. © IMAGO/ITAR-TASS

Bahrain: Ein Anti-Terrorgesetz als Vorwand für Inhaftierungen

Laut Farag werden in Bahrain vor allem regimekritische Menschen inhaftiert – und zwar weitgehend grundlos. Möglich mache diese Härte des Staatsapparats ein undurchsichtiges Anti-Terror-Gesetz, mit dessen Hilfe sich im Grunde jede politische Aktivität als Terrorismus eingestufen lasse. SPD-Bundestagsabgeordnete Rainer Keller sagt Merkur.de von IPPEN.MEDIA, dabei handle es sich um einen Vorwand. Harte Strafen gibt es zudem für die „Beleidigung des bahrainischen Königs“ oder „Schmähung nationaler Symbole“. Wann hier der Straftatbestand erfüllt ist, regelt das bahrainische Königshaus selbst.

Aktuell sind mehrere Regimekritiker verhaftet. Etwa der Oppositionspolitiker Hassan Mushaima und der Aktivist Abduljalil Al-Singace. Beide sitzen seit Jahren im Gefängnis. 2011, zur Zeit des Arabischen Frühlings, gab es in Bahrain Proteste gegen die politische Führung, die die Regierung mit Hilfe Saudi-Arabiens gewaltsam niederschlug.

„Seit der Revolution 2011 verschlechtert sich die Menschenrechtslage in Bahrain stetig“, sagt der Europaabgeordnete Dietmar Köster (SPD), der wie Parteikollege Keller die Menschenrechtslage in Bahrain schon öfter anprangerte, auf Anfrage. „Unabhängige Medien gibt es nicht mehr, Menschenrechtsaktivisten wurde ihre Staatsbürgerschaft entzogen, es gab strenge Haftstrafen und Aktivisten wurden zum Tode verurteilt.“

Protest in London: Demonstrierende fordern die Freilassung Hassan Mushaimas. Sein Sohn Ali Mushaima machte einen Hungerstreik vor der bahrainischen Botschaft.
Protest in London: Demonstrierende fordern die Freilassung Hassan Mushaimas. Sein Sohn Ali Mushaima machte einen Hungerstreik vor der bahrainischen Botschaft. © IMAGO/Peter Marshall

Bahrain: Ein Religionskampf zwische Schiiten und Sunniten

Farag und andere Kritiker beobachten Menschenrechtsverletzungen nicht nur bei Inhaftierten. Bahrain ist gerade einmal so groß wie Hamburg und zählt rund 1,7 Millionen Einwohner. Staatsreligion ist der Islam. Der Großteil der Bewohner zählt sich zur Glaubensgruppe der Schiiten, das Herrscherhaus ist allerdings sunnitisch. Schiiten und Sunniten bilden die zwei größten Glaubensgruppen im Islam. Beide glauben an Allah, legen den Koran jedoch unterschiedlich aus.

Keller beobachtet „seit einigen Jahren ein immer stärkeres repressives Vorgehen gegen die schiitische Mehrheitsbevölkerung“. Farag spricht von „systematischer Diskriminierung und Benachteiligung.“ In Schulbüchern werde etwa eine Verunglimpfung des schiitischen Glaubens propagiert. Köster sagt, die Regierung bevorzuge sunnitische Anhänger für Positionen im öffentlichen Dienst und „wenn es um staatlich finanzierte Unternehmen geht.“ Laut Amnesty International werden in bahrainischen Gefängnissen auch Kinder misshandelt. Der Redaktion sind Fälle von Jugendlichen bekannt, die bahrainische Behörden der Folter beschuldigen.

Bahrain und der Sport: „Das Land versucht Menschenrechtsverletzungen zu kaschieren“

Bahrain scheint es in puncto Menschenrechtsverletzungen also seinen nahegelegenen Golfnachbarn gleichzutun. Parallelen gibt es zudem in der Außenpolitik des Wüstenstaates. „Bahrain ist derzeit von Korruption und Vetternwirtschaft geprägt und versucht seine Menschenrechtsverletzungen durch Sportswashing zu kaschieren“, meint Farag. Unter Sportswashing versteht man die Strategie, sein Image mit dem Ausrichten von Sportveranstaltungen aufzupolieren. Ein beliebtes Instrument im außenpolitischen Repertoire der Wüstenstaaten. Bahrain nutzt dazu etwa das jährlich stattfindende Formel-1-Rennen.

Vor dem jüngsten Rennen im März richteten insgesamt 90 Politiker aus Europa einen Brief an Mohammed Ben Sulayem, den Präsidenten des Welt-Automobilverbandes FIA. In dem Schreiben, das Merkur.de vorliegt, rufen sie die Formel 1 dazu auf, sich von den Menschenrechtsverletzungen in Bahrain zu distanzieren. „Wir sind besorgt darüber, dass die FIA und die Formel 1 aktiv das Sportswashing fördern.“ Mit unterzeichnet hat den Brief neben Keller und Köster auch der Linke-Politiker Andrej Hunko.

Bahrain International Circuit in Sakhir nahe der Hauptstadt Manama
Formel 1 in der Wüste: 2004 fand das erste Rennen auf dem Bahrain International Circuit in Sakhir nahe der Hauptstadt Manama statt. © Bryan Williams/picture alliance

Bahrain und Deutschland: „Desinteresse für die Menschenrechtsverletzungen“?

Kritik aus Deutschland an Bahrain ist ansonsten selten zu vernehmen. Deutschland ist der drittwichtigste Wirtschaftspartner Bahrains in der EU. „Dementsprechend werden Menschenrechtsverletzungen kaum thematisiert, sondern nur der Fokus auf die Aufrechterhaltung wirtschaftlicher Beziehungen und Interessen gelegt“, sagt Farag. Köster meint: „Das Desinteresse für die Menschenrechtsverletzungen kann auf die enge Beziehung zwischen ‚dem Westen‘ und Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten zurückgeführt werden.“

SPD-Politiker Keller will nicht von Desinteresse sprechen und verweist auf den „regelmäßigen Austausch“ zwischen Bundesregierung und Bahrain. Er sieht trotz der insgesamt „gravierenden“ Menschenrechtsverletzungen kleinere Lichtblicke. „So wurden zahlreiche politische Gefangene in vergangenen Jahren freigelassen. Ebenso wurde die Möglichkeit geschaffen, Haftstrafen in alternative Strafen umzuwandeln“, sagt der Bundestagsabgeordnete. „Diese Fortschritte täuschen aber nicht darüber hinweg, dass die Menschenrechtslage in Bahrain weiterhin sehr schwierig ist und wir diese auch zukünftig genau im Auge behalten müssen.“

Die unmittelbare Zukunft des Landes werden die Parlamentswahlen im November prägen. Die Aussichten auf Wandel sind gering, wie Köster schildert. „Relevante politische Parteien wie die Al-Wefaq und die Al-Wa’ad wurden verboten und die Kandidierenden nicht zugelassen. Zudem ist es illegal, Mitglied dieser Parteien zu sein.“ Laut Demokratieindex 2021 belegt Bahrain Platz 144 von 167. Von den Golfstaaten schneidet nur Saudi-Arabien schlechter ab. (as)

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