Bavaria One: Was ist das Raumfahrtprogramm von Markus Söder?
Markus Söder und Bavaria One: Das steckt hinter dem Raumfahrtplan von Bayerns Ministerpräsident. Ein Wissenschaftler findet den Spott im Netz ungerecht.
München - Bereits im Frühjahr hatte Markus Söder darüber gesprochen, nun hat er konkrete Pläne für das Raumfahrtprogramm „Bavaria One“ vorgestellt. „Wir starten Bavaria One“ schrieb der bayerische Ministerpräsident auf Twitter. „Mit unserem Raumfahrtprogramm entwickeln wir aus dem All Lösungen für Probleme der Menschen, bei Medizin oder Ökologie.“
Außerdem investiere Bayern 700 Millionen Euro - unter anderem in einen bayerischen Satelliten und in die größte Raumfahrtfakultät Europas, die mit dem Geld an der TU München gegründet werden soll.
Bavaria One: Das ist das Raumfahrtprogramm von Markus Söder

Aber was ist „Bavaria One“ eigentlich genau? So viel ist bislang bekannt: Das bayerische Raumfahrtprogramm soll im Herbst Thema im Kabinett werden. Derzeit werde es inhaltlich ausgearbeitet, teilte ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums mit.
Ministerpräsident Söder hatte in seiner ersten Regierungserklärung im April unter anderem eine eigene Raumfahrt-Fakultät in Ottobrunn angekündigt. Raumfahrt solle wieder zu einer bayerischen Schlüsseltechnologie werden. „Bavaria One“ soll etwa in den Bereichen Erdbeobachtung und Quantensensorik ansetzen und Forschung, Entwicklung und Produktion von Komponenten für die Raumfahrt stärken. Dazu zähle der Triebwerksbau, Verbundwerkstoffe und Strukturdesign für Raketen unterschiedlicher Nutzlasten und Orbits.
Söder versprichts sich von „Bavaria One“ praktische Vorteile für viele Herausforderungen in Bayern. Als Beispiele nannte er die Landwirtschaft, die Medizin, die Ökologie und eine Vielzahl von Arbeitsplätzen. Es gehe nicht darum, „Star Trek“ zu machen. „Wir werden einen praktischen Nutzen haben, der noch gar nicht absehbar ist“, sagte Söder. „Im Grunde gehen wir ins Weltall, um einen besseren Blick auf die Welt zu bekommen, einen besseren Blick für die kleinen Probleme, die wir hier haben.“
Konkret besteht die Strategie hinter „Bavaria One“ aus zehn Aktionsfeldern, die eine Vielzahl von Einzelmaßnahmen umfassen. Das ist unter anderem geplant:
- Die Gründung der größten Fakultät für Luftfahrt, Raumfahrt und Geodäsie mit Hauptsitz in Ottobrunn mit 50 Professuren und knapp 2.000 Studienplätzen.
- Der Bau einer Hyperloop-Teststrecke, in der sich Transportkapseln fast mit Schallgeschwindigkeit bewegen.
- Der Bau eines bayerischen Erdbeobachtungssatelliten.
- Der Ausbau des Deutschen Zentrums für Luftund Raumfahrt in Oberpfaffenhofen.
Video: „Bavaria One“: Das bayerische Raumfahrtprogramm von Markus Söder
Raumfahrtprogramm „Bavaria One“: Kritik kommt von der Opposition
„Bavaria One“ sei kein „Hirngespinst“, sondern ein Technologiekonzept, das wirtschaftliche und wissenschaftliche Vorteile bringen solle. Von der Opposition war Söder bereits am Dienstag kritisiert worden. Hubert Aiwanger, der Chef der Freien Wähler, meinte, das Projekt solle doch lieber den Namen „Bavarian Größenwahn“ tragen. „Bayern soll erst mal die nahe liegenden technischen Probleme unseres Wirtschaftsstandortes - wie Mobilfunklöcher und fehlendes flächendeckendes Internet - lösen, bevor wir die Staatskasse ruinieren und in den Weltraum abheben.“
Raumfahrtplan „Bavaria One“: Markus Söder lässt keine Kritik zu
Auch SPD-Landeschefin Natascha Kohnen bezeichnete die Mission „Bavaria One“ als großspurige Ankündigung: „Von den versprochenen 700 Millionen ist kein einziger Euro im Nachtragshaushalt.“ Söder ließ jedoch keine Kritik zu. Wer über das Projekt spotte, verkenne, was eine Zukunftsaufgabe sei. Außerdem gebe es ein großes Interesse bei Investoren und Unternehmen.
Wenig später postete Söder dann einen zweiten Tweet, der das Logo des Raumfahrtprogramms zeigt. Es ist das Gesicht von Söder selbst, eingerahmt von den Worten „Bavaria One“ und „Mission Zukunft“. Dazu schrieb der Ministerpräsident: „Zukunft heißt Technologie. Bayern ist Marktführer: Wir investieren in Digitalisierung, Robotik, künstliche Intelligenz, Hyperloop und Raumfahrt und entwickeln sogar Quantencomputer.“ Die Fakten zu dem Programm konnten aber nicht von dem übergroßen Logo ablenken - das sorgte nämlich für reichlich Spott im Netz.
Logo zu Söders Raumfahrtplan „Bavaria One“ erntet Spott
Viele Nutzer schrieben, sie hätten bei dem Logo zunächst an Satire oder einen Photoshop-Account denken müssen. Ein anderer Nutzer schrieb: „Eine Lokalpartei greift nach den Sternen. Major Markus völlig losgelöst.“
Ein anderer würde Markus Söder gerne zum Mond schießen und ihn dann auch gleich dort oben lassen: „Der Markus Söder bettelt ja geradezu darum, zum Mond geschossen zu werden - von mir aus auch in der Bavaria One , Hauptsache one way.“
Raumfahrtplan „Bavaria One“: Kühnert attackiert Söder
Doch auch Politiker meldeten sich zu Wort und machten sich über Söders Programm lustig. Juso-Chef Kevin Kühnert schrieb: „Worin Sie währenddessen nicht investieren: Bezahlbare öffentliche Wohnungen, gebührenfreie Kitas, unbefristete Jobs für angestellte Lehrkräfte und vieles mehr. Vielleicht muss man wirklich hinterm Mond leben, um Prioritäten so zu setzen.“
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Laut der Lokalseite Nordbayern.de sagte Hubert Aiwanger, der Chef der Freien Wähler, in Anlehnung an den berühmten „Star Trek“-Charakter: Söder sehe sich offenbar „in der Rolle des Mr. Spock und ernennt seinen Wirtschaftsminister allen Ernstes zum ‚Raumfahrtkoordinator‘. Das ist lachhaft.“
Raumfahrtplan „Bavaria One“: Wissenschaftler findet Spott ungerecht
Trotz des Spotts im Netz und von Seiten der Opposition bekommt Ministerpräsident Markus Söder Unterstützung von einem Wissenschaftler und Raumfahrt-Experten: Der ehemalige Astronaut Ulrich Walter leitet seit März 2003 den Lehrstuhl für Raumfahrttechnik an der Technischen Universität München und lehrt und forscht im Bereich Raumfahrttechnologie und Systemtechnik.
Walter, der das Konzept für "Bavaria One" mitentwickelt hat, betont im Interview mit Spiegel Online: „Die Tatsachen werden in den sozialen Netzwerken völlig falsch dargestellt. Kaum einer weiß, worum es eigentlich geht. Söder will doch gar nicht zum Mond oder zu einem anderen Planeten fliegen. Bei "Bavaria One" geht es nicht um bemannte Raumfahrt.“
Prof. Walter betont, dass die Raumfahrt in den vergangenen Jahren kommerzieller geworden sei und zunehmend private Investoren anziehe: „‘ New Space‘ ist inzwischen ein Riesenmarkt mit einem jährlichen Umsatz von 470 Milliarden Dollar weltweit. Und davon will nun auch Bayern profitieren.“
Der Raumfahrt-Experte verspricht sich insbesondere von der Satelliten-Technologie viele Vorteile, die der Allgemeinheit zugute kommen: „Unsere Satelliten sollen die Welt verbessern, indem sie etwa die Erde auf den Quadratmeter genau beobachten. So könnten wir beispielsweise genau feststellen, wo Getreide auf einem Acker am besten wächst und besser planen, wo gedüngt werden muss. Laut Hochrechnungen könnten so bis zu 17 Prozent an Stickstoff eingespart und gleichzeitig der Ertrag um bis zu 15 Prozent gesteigert werden.“
Dein Einwand, wonach Bayern Geld in die Hand nehmen solle um die Probleme beim Internetzugang und die Funklöcher zu beseitigen, statt in „Bavaria One“ zu investieren, hält Prof. Walter für wenig sinnvoll. Schließlich habe Bayern in der Vergangenheit oft zu spät auf technologische Entwicklungen reagiert. „Ich halte ‘New Space‚ für einen lukrativen Markt, wir sollten diese Chance nicht verschlafen. Außerdem hindert "Bavaria One" niemanden daran, in schnelles Internet oder flächendeckende Mobilfunknetze zu investieren. Im Gegenteil, OneWeb zeigt, dass durch Satellitentechnik ein schneller Zugang zum Internet für jedermann weltweit möglich ist.“
Bavaria One von Markus Söder: Das meint der Präsident der TU München
Wolfgang Herrmann, 70, ist Präsident der Technischen Universität München. Gegenüber dem Münchner Merkur meint er über das Raumfahrtprogramm „Bavaria One“: „Es wird allemal das prominenteste Raumfahrtprogramm auf deutschem Boden und im europäischen Kontext sehr ernst genommen werden. Mit Toulouse haben wir bereits eine Achse, die wir nun weiter stärken. Im Fokus stehen nicht nur klassische Technologien, sondern Dinge wie Flugtaxis, Drohnen, das fliegende Auto und die superschnelle Fortbewegung mit dem Hyperloop.“
Gerade die letztgenannten Technologien seien möglicherweise alles andere als Zukunftsmusik, meint Wolfgang Herrmann: „Wir wissen nicht, wann wir in einer Kapsel sitzen werden, die 1000 Stundenkilometer schnell ist. Aber es ist unsere Pflicht, mutige Fragen jetzt aufzugreifen. Vor 150 Jahren hat ein Bierbrauer Karl Linde gefragt, ob er nicht künstliche Kälte machen kann. Das war völlig irre – aber dann hat Linde den Kühlschrank erfunden. Gerade bei der Digitalisierung müssen wir mit Visionen vorn dabei sein.“
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sdm