Natascha Kohnen will die 9,7 Prozent vergessen: Frisch erholt in alte Kämpfe

Niederschmetternde 9,7 Prozent hat die SPD unter ihrer Chefin Natascha Kohnen in der Landtagswahl erreicht. Nun ist sie zurück - und bereit, neu anzugreifen.
München – Natascha Kohnen hat etwas Abstand gebraucht. 18 Tage lang war die bayerische SPD-Chefin über den Jahreswechsel in Thailand. Weit weg von den 9,7 Prozent, die sie am 14. Oktober als Spitzenkandidatin bei der Landtagswahl eingefahren hatte. „Man muss diesen Abstand bekommen, um über ein so niederschmetterndes Ergebnis nachzudenken. Das war mir wichtig.“
Jetzt hat Kohnen der Alltag wieder. Mit neuer Frisur – die Haare sind kürzer – stellt sie sich den alten Problemen. Am Wochenende treffen sich die Genossen zu einem vorgezogenen Parteitag in Bad Windsheim. Gemeinsam will man die Wunden lecken. Es spricht aber vieles dafür, dass es auch ordentlich zur Sache geht. Die vorläufige Tagesordnung sieht für Samstag, 14.45 Uhr, die Wahl eines Landesvorsitzenden vor. Bislang einzige Kandidatin: Natascha Kohnen.
„Ich kann nicht einfach hinschmeißen“
Viele Beobachter hatten damit gerechnet, dass die Chefin abtritt. Will sie aber nicht. „Ich kann nach einem solchen Ergebnis nicht einfach hinschmeißen“, sagt sie. „Aber ich habe immer klar gesagt: Ich klebe nicht an meinem Stuhl. Jeder, der eine andere Idee hat, ist herzlich eingeladen zu kandidieren.“
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Bislang hat sich keiner gefunden, der eine andere Idee hat. Ein Gegenkandidat ist nicht in Sicht. Den Bundestagsabgeordneten Florian Post wundert das nicht: „Kohnens Aufgabe wäre es gewesen, beiseitezutreten – so wie es Angela Merkel in der CDU getan hat. Dann hätten sich natürlich auch Kandidaten gefunden. Eine Kampfabstimmung würde die Partei aber nur weiter belasten.“
Der Münchner Post gehört zu den lautstärksten Kritikern Kohnens. In Berlin würden alle schon lachen, weil sich der Landesverband nach so einem Ergebnis nicht neu aufstelle. Stattdessen propagiere die Chefin ein „Weiter so“ und grenze Kritiker aus. „Man bekommt nicht einmal Antworten auf SMS – und per Mail schon gar nicht.“
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Es gärt gewaltig unter den Genossen
Es gärt gewaltig unter den Genossen. Viele stützen den Kurs der Vorsitzenden. Die Themen seien richtig gewesen, heißt es. Der Gegenwind aus Berlin aber zu groß. Andere formulierten im November ein Thesenpapier und rügten, dass weder im Landesvorstand noch in der Fraktion der Wille für eine umfassende Analyse der Wahlniederlage und eine spürbare Erneuerung zu erkennen sei. In der Fraktion hatte es bei der Wahl des neuen Vorsitzenden zwei Mal ein Patt zwischen Horst Arnold und Florian von Brunn gegeben, ehe sich Arnold durchsetzte. Seiner expliziten Bitte, von Brunn zum Stellvertreter zu wählen, folgte die Fraktion allerdings nicht.
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Es knirscht an allen Ecken und Enden. Die Stimmung ist schlecht. „Es ist nicht verwunderlich, dass es Kritik gibt“, findet von Brunn. Er fordert die Genossen dazu auf, wieder zusammenzurücken. „Mein Wunsch wäre, dass Kritiker im Vorstand mit eingebunden werden“, sagt der Münchner. Als „Alarmzeichen“ sieht er die schlechten Kompetenzwerte seiner Partei, selbst bei sozialen Themen. „Die Leute wissen nicht mehr, wofür wir stehen.“
Nur noch wenige unter 50
Inhaltlich hört man aus allen Lagern Ähnliches. Kohnen will den nachhaltigen Sozialstaat ins Zentrum rücken. Heißt: Umwelt- und Sozialpolitik müssten verbunden werden. Vor allem aber will sie die Partei personell für die Zukunft aufstellen. In der Landtagsfraktion finden sich nur noch wenige, die jünger als 50 sind. „Wir Älteren müssen das Rückgrat der Partei sein, die Jüngeren das Gesicht“, findet Kohnen. Die Mandatsträger, die um ihre Posten fürchten, sind von solchen Ideen wenig begeistert. Widerstand formiert sich.
Am Wahlergebnis in Bad Windsheim wird Kohnen ablesen können, wie stark ihre Position ist. Möglich, dass sie sich bald wieder nach Thailand wünscht.
Mike Schier