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„Politikklamauk“ von Söder: Ist Bayern wirklich Deutscher Meister bei Erneuerbaren?

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Von: Andreas Schmid

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FOTOMONTAGE: Markus Soeder und ein Windrad
Markus Söder sieht Bayern energiepolitisch vorn. © Imago/Frank Hoermann /SVEN SIMON

Laut Markus Söder ist Bayern Spitzenreiter beim Ausbau erneuerbarer Energien. Doch geht seine Rechnung auch auf? Energieexperte Detlef Fischer ordnet ein.

München – Markus Söder hat den Wahlkampf für die bayerische Landtagswahl im Oktober längst eingeläutet. Zuletzt rüffelte er mehrmals grüne Politik und schloss im Interview mit dem Münchner Merkur zudem aus, mit der Ökopartei koalieren zu wollen. „Schwarz-Grün wird es in Bayern nicht geben.“ Stattdessen versucht der CSU-Chef derzeit, sich selbst als Klimaretter zu stilisieren.

Am Dienstag (31. Dezember) schrieb Söder auf Twitter: „Bayern ist Deutscher Meister 2022 beim Ausbau Erneuerbarer Energien“. Beim Zubau von Biomasse, Solarenergie und Wind an Land liege der Freistaat „mit weitem Abstand auf Platz eins“. Söder teilte dazu eine Grafik und berief sich auf Zahlen der Bundesnetzagentur. Auch das von Vize-Ministerpräsident Hubert Aiwanger (Freie Wähler) geführte Wirtschaftsministerium meinte: „Bayern ist Spitzenreiter beim Ausbau der Erneuerbaren Energien.“ Das stimmt jedoch nur in Teilen. Wie standfest ist Söders Rechnung?

Bayerns Energiepolitik: Solar hui, Wind pfui

Der Ministerpräsident beruft sich in seinem Tweet auf die absoluten Zahlen des „Zubaus erneuerbarer Energien in Megawatt“. Die Zahlen sind per se korrekt, werden aber nicht ins Verhältnis etwa zur Einwohnerzahl oder der Fläche gesetzt. Bayern hat als flächengrößtes Bundesland jedoch mehr Potenzial als etwa Schleswig-Holstein. Zudem ist es das zweitgrößte nach Bevölkerung. Davon profitiert die Solarenergie, da es mehr Menschen gibt, die sich eine Photovoltaikanlage aufs Haus bauen.

Setzt man die Zahlen ins Verhältnis, landet Bayern wie schon 2021 eher im Mittelfeld, als an der Spitze. Betrachtet man nur die 13 Flächenländer, stürzt Bayern bei der installierten Leistung pro Quadratkilometer nach Berechnungen des Bayerischen Rundfunks auf Platz neun ab. In Puncto Zubau der Erneuerbaren – Söders Argumentation in seinem Tweet – kommt absolut rund ein Viertel aus Bayern, in Relation ist der Freistaat wiederum Sechster.

Bei Photovoltaik ist der Freistaat immer noch sehr stark und konnte seine solare Strahlenenergie laut Bundesnetzagentur im Vergleich zu 2021 sogar um 12,1 Prozent steigern. Bei der Leistung pro Fläche liegt nur das Saarland vor dem Freistaat. Auch bei Biomasse liegt Bayern vorne, die Gesamtleistung dieser Energiequelle ist in Deutschland jedoch überschaubar. Bei den Zubauzahlen bei Windenergie an Land (+1 Prozent zu 2021) im Verhältnis zur jeweiligen Landesfläche ist Bayern allerdings Letzter. Das zeigen Zahlen des Wirtschaftsministeriums (Grafik 7, Seite 17).

Dieser von Söder außer Acht gelassene Aspekt geht auch aus einem Bericht der Bundesregierung von Dezember 2022 hervor. Darin heißt es: „Etwa 40 Prozent (23,7 GW) der bundesweit installierten Photovoltaikleistung wurden bis Ende 2021 in den beiden südlichen Bundesländern Bayern und Baden-Württemberg errichtet, während dort nur weniger als acht Prozent (4,3 GW) der bundesweit installierten Windenergieanlagen errichtet wurden.“ Der Wind kommt stattdessen zu 40 Prozent aus Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern.

Nun ist der Norden Deutschlands ohnehin windreicher, doch Bayern steht auch in der Kritik, da es im Bundesvergleich am wenigsten Windräder baut. Dr. Stefan Holzheu vom Bayreuther Zentrum für Ökologie und Umweltforschung kritisierte das im Interview mit unserer Redaktion und meinte: „Ich sehe bei Söder überhaupt keine Ambitionen, irgendetwas zu verändern.“

VBEW-Chef attestiert Söder „Politikklamauk“ – und nennt Kernkraft als nötige Alternative

Bayern glänzt also vor allem in einer Kategorie. „Bayern ist beim Zubau von Photovoltaikanlagen wirklich spitze“, sagt Detlef Fischer vom Verband der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft (VBEW) im Gespräch mit Merkur.de. Der Energieexperte sieht jedoch einen Haken. Solar sei keine Technologie für den Winter. „Das ist vorrangig Sommerstrom, der noch dazu hauptsächlich um die Mittagszeit anfällt. Er bringt uns im Winter, wenn wir dringend Strom benötigen, fast überhaupt nichts.“

Man könne den Ausbau der erneuerbaren Energien nicht auf eine Kennzahl verkürzen. „Das ist mehr oder weniger nur Politikklamauk und hat nichts mit einer seriösen Bewertung zum Stand der Energiewende in Bayern zu tun.“ Die Solarenergie ist laut Fischer zudem nicht die „allseeligmachende Wahrheit“, sondern nur ein Baustein der Energiewende. „Die Aufgabe ist komplexer als Photovoltaikanlagen oder auch Windkraft in die Landschaft zu pflanzen.“

Fischers Alternativvorschlag: „Wir werden Kraftwerke jeder Art länger brauchen als sich manche vorstellen können.“ Fischer nennt dabei explizit auch Stromlieferungen aus Kernkraftwerken im Ausland. Die Kernkraft und die erneuerbaren Energien so gegeneinander auszuspielen, wie das in Deutschland passiert sei, hält er persönlich für einen großen Fehler. „Davon wird keine Wohnung hell und warm.“ Damit liegt Fischer auf Kurs mit der Position der CSU. Auch Söder fordert eine Laufzeitverlängerung der drei Meiler, von denen auch einer in Bayern steht. Scholz‘ Laufzeitveto konterte der Franke einst mit „fachlichem Blödsinn“. (as)

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