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Komplett-Ausstieg aus der Politik - Bayern-SPD verliert seine letzten Promis

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Von: Mike Schier, Christian Deutschländer

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Verzweifelte Flucht – oder nur Zufall? Bayerns SPD verliert innerhalb kurzer Zeit ihre wenigen prominenten Köpfe in Berlin.

Berlin/München – In der Politik gibt es ein schönes Wort für eine sehr unschöne Praxis. Wenn eine Regierung absehbar dem Ende entgegensiecht und die Minister mit letzter Kraft noch ein paar verdiente Vertraute befördern, heißt das spöttisch „Operation Abendsonne“. 

Kein Zweifel: Die Sonne steht gerade sehr niedrig für Bayerns SPD. Und zwar so niedrig, dass es nicht mehr um Beförderungen geht, sondern um geordneten Rückzug der letzten Promis.

In diesen Tagen haben der bekannteste Regierungspolitiker der Bayern-SPD, Staatssekretär Florian Pronold, und Landesgruppenchef Martin Burkert ihren Total-Ausstieg aus der Politik angekündigt. Beide schildern nachvollziehbare Motive. Burkert, ein begeisterter Verkehrspolitiker und im Bundestag der einzige Bahnbeamte aus kleinsten Verhältnissen, wird Vizechef der Eisenbahngewerkschaft EVG. Der Franke, 55, tauscht sein Mandat ein gegen einen Karrieretraum, zweifellos tut er das freiwillig.

Bayern-SPD: Pronold & Burkert ziehen sich komplett aus Politik zurück

Überrascht wurden indes auch viele Parteifreunde von Pronolds Rückzug. Der ehemalige Landesvorsitzende hat sich als Gründungsdirektor der Bundesstiftung Bauakademie beworben. Als Umwelt-Staatssekretär will er dafür in spätestens einem halben Jahr zurücktreten, das Bundestagsmandat wohl kurz darauf abgeben. Er habe „Lust auf was Neues“, sagt der Niederbayer, 46, unserer Zeitung. „Ich habe mich schon vor Jahren entschieden, etwas anderes zu machen, bevor ich 50 bin.“

Der Spur des Geldes folgt Pronold wohl kaum. Nach fünf Legislaturperioden im Bundestag hätte er eine stabile Altersversorgung. Sein Einkommen von rund 20 000 Euro pro Monat (er veröffentlicht es exakt im Internet) könnte sich in der Stiftung halbieren. Doch weder Burkert noch Pronold dürften den politischen Betrieb mit seinen Mechanismen vermissen. Beide mussten heftige parteiinterne Auseinandersetzungen überstehen.

Bayern-SPD: Kohnen verlässt den Vorstand

Burkert bekam nach der jüngsten Bundestagswahl den Unmut der Kollegen zu spüren. Acht Jahre führte er da schon die bayerischen Abgeordneten. In der Aussprache gab es keine Kritik und auch keinen Gegenkandidaten. In der geheimen Abstimmung votierten dann aber von 18 freundlichen Kollegen gleich sieben mit Nein.

Pronold wurde einmal fast gegen einen weithin unbekannten Kandidaten als Landeschef der SPD abgewählt. Der ältere Herr mit Rauschebart und Schlapphut mutierte daraufhin für kurze Zeit zum Liebling der Medien. Inzwischen schreibt die Bayern-SPD kaum noch Schlagzeilen.

Für die Genossen kommt der Doppel-Ausstieg ungelegen. Sie sind in Berlin eh notorisch unterrepräsentiert, die Ministerzeiten von Promis wie Renate Schmidt oder Otto Schily sind Jahrzehnte her. Unter den aktuell 18 Abgeordneten sind kaum noch bekannte Gesichter. 2013 hatte sich die Landesgruppe schon den totalen Neuanfang verordnet, auf alle Abgeordneten über 60 verzichtet.

Nur noch Grötsch und Uekermann verteten Bayern-SPD

Das gilt auch für den Bundesvorstand. Da steht der nächste Abgang an. Natascha Kohnen hört als Parteivize auf. „Ich habe für mich entschieden, nicht mehr anzutreten“, sagt sie unserer Zeitung. Es brauche einen Neuaufbau. Das darf man auch als indirekte Empfehlung für die Kandidatur von Kevin Kühnert für den Vizeposten deuten. 

„Ich finde es für die Partei sehr interessant, dass er sich jetzt dazu entschieden hat.“ Kohnen selbst hatte in Berlin immer gefremdelt, das Verhältnis zu Andrea Nahles galt als schlecht. „Ich musste in den letzten Jahren zu viele Kompromisse machen“, sagt sie nur. Gemeint sein dürfte vor allem das „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“, das zu heftigem Streit zwischen Bayerns SPD-Vorstand und den Abgeordneten führte, und kürzlich das Klimapaket.

Nun soll die Bayern-SPD nur noch von Generalsekretär Uli Grötsch und der Vize-Landeschefin Johanna Uekermann vertreten werden. Uekermann. Zur Erinnerung: Bei der Listenaufstellung für 2017 ließen die Delegierten die damalige Juso-Chefin eiskalt durchfallen. Sie hat nicht mal jetzt eine Chance, in den Bundestag nachzurücken.

Mike Schier/Christian Deutschländer

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