Bayerns FDP legt sich mit den Kammern an

München - Die bayerische FDP will die Zwangsmitgliedschaft von Handwerkern, Dienstleistern und Freiberuflern in ihren Kammern abschaffen. So steht es jetzt im Wahlprogramm.
Zuweilen ist die Demokratie ein tückisches Wesen. Stadthalle Fürth, am vergangenen Wochenende: Die bayerische FDP bastelt beim Parteitag an ihrem Programm für die Landtagswahl 2013. Auf den hinteren Plätzen tuscheln die Delegierten über Brüderle und Rösler, auf der Bühne schießen sie gegen die CSU. Es zieht sich. Dann, irgendwann, kommt dieser Antrag der Jungen Liberalen des Weges. Es ist einer unter vielen. Mit knapper Mehrheit wird er beschlossen: Die bayerische FDP will die Zwangsmitgliedschaft von Handwerkern, Dienstleistern und Freien Berufen in ihren Kammern abschaffen. So steht es jetzt im Wahlprogramm.
Bei den Kammern herrscht nun helle Aufregung, in der FDP dagegen Katerstimmung. „Die Entscheidung war für uns alle überraschend. Ich vertrete eine andere Auffassung“, grummelt Wirtschaftsminister Martin Zeil. Er sagt aber auch: „Die knappe Mehrheitsentscheidung ist zu respektieren.“ Auch Dietrich von Gumppenberg, wirtschaftspolitischer Sprecher der Landtagsfraktion, ist mehr als unglücklich mit den Parteifreunden. „Der Antrag ist völlig unterschätzt worden“, sagt der Landtagsabgeordnete. Er klingt fast ein wenig kleinlaut, was bei Gumppenberg nicht oft vorkommt. Es sei in Fürth keine „wirkliche Debatte“ darüber geführt worden. Er habe noch auf eine schriftliche Abstimmung bestanden – am Ergebnis ändert das nichts mehr.
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Bei den Kammern reagiert man wenig amüsiert: Heinrich Traublinger, Präsident der Handwerkskammer, nennt die Entscheidung „unverständlich und bedauerlich“. Sie sei ein „Schlag ins Gesicht des Handwerks“. „Der Parteitagsbeschluss zeigt, dass auch in einer Partei, die sich ausdrücklich als wirtschaftsfreundlich versteht, das Wissen um die vielfältigen Aufgaben und unverzichtbaren Leistungen der deutschen Kammern nicht so verbreitet ist, wie es sein sollte“, sagt Traublinger. Peter Driessen, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern, pflichtet ihm bei. „Gerade die Unabhängigkeit der IHKs, die aus der gesetzlichen Mitgliedschaft erwächst, ist die Grundlage dafür, dass uns der Staat Jahr für Jahr neue hoheitliche Aufgaben überträgt.“
Im Wahljahr ist der Zorn für die Liberalen gefährlich: Selbstständige und (Klein-) Unternehmer gehören zur Kernklientel der Partei. Die IHK war in Fürth sogar mit einem eigenen Stand vertreten. Deshalb bemüht sich der Landesverband nun nach Kräften, der eigenen Entscheidung wenig Bedeutung beizumessen. „Wir haben nun eine unterschiedliche Beschlusslage“, sagt Martin Zeil: „Der Bundesparteitag hat sich nach notwendigen Reformen, die in Bayern längst erfolgt sind, mit großer Mehrheit für eine Beibehaltung der Pflichtmitgliedschaft bei den Kammern ausgesprochen.“ Auf Landesebene gebe es nun zwar eine andere Beschlusslage. „Aber die Entscheidung in dieser Frage fällt auf Bundesebene“, sagt Zeil, der das den Kammern auch direkt mitgeteilt hat.
Nur bei den Jungen Liberalen herrscht Freude: „Eine Zwangsmitgliedschaft ist mit dem Grundgedanken einer freien Gesellschaft nicht zu vereinbaren“, sagt der Vorsitzende Matthias Fischbach. „Wir wollen, dass die Kammern ihre Mitglieder durch überzeugende Leistungen gewinnen, nicht durch Zwang.“ Kleine Unternehmen, Freiberufler und Betriebe, die von den Angeboten der Kammern kaum profitierten, könnten entlastet werden. Die IHK hält dem entgegen, dass bei ihr gut ein Drittel der Mitglieder vom Beitrag befreit seien.
Wirtschaftspolitiker Gumppenberg (71) versteht den Wunsch der Parteijugend nach Profilierung. Die Sachlage sieht er anders: „Am Wesen der Kammern ändert sich nichts!“
Mike Schier