Seit April 2014 werden Teile der ostukrainischen Gebiete Luhansk und Donezk entlang der russischen Grenze von durch Russland unterstützten Separatisten kontrolliert. Der Kreml sieht sich jedoch nicht als Konfliktpartei und drängt die Ukraine seit langem zu direkten Verhandlungen mit den Rebellen in Donezk und Luhansk. Kiew lehnt dies jedoch beharrlich ab.
Update vom 1. Dezember, 11.50 Uhr: Der russische Außenminister Sergej Lawrow verkündete Pläne für ein Gespräch zwischen dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und seinem türkischen Amtskollegen Recep Tayyip Erdogan. Lawrow machte keine konkrete Angabe zum Datum des Gesprächs, führte jedoch an, Putin und Erdogan würden sich unter anderem über die Lage an der Grenze zur Ukraine austauschen.
Die Türkei ist ein kräftiger Unterstützer der Ukraine und beliefert das Land vor allem mit Kampfdrohnen aus eigener Herstellung und weiterer militärischer Ausrüstung. Eine türkische Drohne in den Händen des ukrainischen Militärs wurde zuletzt gegen pro-russische Separatisten in der Ostukraine eingesetzt. Moskau warnt Ankara vor jeglicher Ausweitung militärischer Kooperation mit Kiew und weist in diesem Zusammenhang auf eine mögliche Verschlechterung bilateraler Beziehungen hin.
Russland Außenminister Lawrow erinnerte zudem an Erdogans Vorschlag, ein Vermittler zwischen Moskau und Kiew zu sein. Dies könne ebenfalls diskutiert werden. Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu sagte gegenüber Reportern, Ankara sei in Kontakt mit sowohl Moskau als auch Kiew. Er rief beide Seiten zur Zurückhaltung auf. Cavusoglu nimmt derzeit am NATO-Treffen in Riga teil.
Update vom 1. Dezember, 11.45 Uhr: Vor dem Hintergrund der militärischen Spannungen an der ukrainisch-russischen Grenze werden US-Außenminister Antony Blinken und sein russischer Kollege Sergej Lawrow am Donnerstag in Stockholm zusammentreffen. Ein US-Vertreter sagte am Mittwoch in Riga, Blinken und Lawrow würden am Rande des Treffens der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) Gespräche führen. Blinken werde zuvor den ukrainischen Außenminister Dmitri Kuleba treffen.
Blinken nimmt derzeit am NATO-Außenministertreffen in der lettischen Hauptstadt Riga teil, bei dem es vor allem um die Spannungen mit Russland geht. Die NATO wirft Russland vor, bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr Truppen, Panzer und anderes schweres Gerät an der Grenze zur Ukraine aufzufahren. Das Militärbündnis fürchtet, dass sich die Situation von 2014 wiederholen könnte. Damals annektierte Russland die zur Ukraine gehörende Schwarzmeer-Halbinsel Krim. Das Verhältnis zu Moskau ist seitdem auf einem Tiefpunkt.
Update vom 1. Dezember, 10.50 Uhr: Die Ukraine wünscht sich von der NATO eine noch stärke Unterstützung im Konflikt mit Russland. „Wir werden die Verbündeten aufrufen, gemeinsam mit der Ukraine ein aus drei Schichten bestehendes Abschreckungspaket zu erarbeiten“, sagte der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba am Mittwoch kurz vor Gesprächen mit Kollegen aus den 30 NATO-Staaten. Die erste Schicht bestehe daraus, gegenüber Russland klar zu kommunizieren, welche Konsequenzen aggressive Handlungen gegen die Ukraine hätten. Zweitens solle es ein Paket von Wirtschaftssanktionen geben, die im schlimmsten Fall gegen Russland verhängt werden würden, und drittens eine noch stärkere Zusammenarbeit zwischen der NATO und der Ukraine im Bereich Militär und Verteidigung.
„Wenn wir uns zusammenschließen und koordiniert handeln, sind wir zuversichtlich, dass wir Präsident (Wladimir) Putin davon abhalten können, das Worst-Case-Szenario zu wählen, welches eine militärische Operation ist“, sagte Kuleba. Auf die Frage, ob sein Land auch zusätzliche Waffenlieferungen erwarte, antwortete er: „Russland will, dass die Ukraine schwach bleibt. Die Ukraine bei der Stärkung ihrer Verteidigungsfähigkeiten zu unterstützen, heißt also auch, Russland abzuschrecken.“
Update vom 1. Dezember, 10.45 Uhr: Die Außenminister der NATO-Staaten beraten in Riga mit ihren Kollegen aus der Ukraine und Georgien über die Sicherheitslage. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg bekräftigte am Mittwoch die "starke Unterstützung der Verbündeten für die territoriale Integrität und Souveränität Georgiens und der Ukraine". Die beiden früheren Sowjetrepubliken sehen sich durch Russland bedroht.
Vor allem an der Grenze zur Ukraine ist die Lage derzeit angespannt: Nach Angaben des ukrainischen Außenministers Dmitri Kuleba hat Russland dort rund 115.000 Soldaten stationiert. Am Dienstag hatten die NATO-Außenminister Russland nachdrücklich vor einem Angriff auf die Ukraine gewarnt und Kiew ihre Solidarität zugesichert. Die einzelnen Mitgliedsländer behalten sich laut Stoltenberg weitere Sanktionen gegen Moskau vor.
Der NATO-Generalsekretär betonte, die Allianz werde der Ukraine wie Georgien weiter "politische und praktische Unterstützung" zuteil kommen lassen. Das Bündnis stehe zudem zu seiner Entscheidung, beiden Ländern eine Aufnahmeperspektive zu bieten.
Erstmeldung: Riga - Die NATO geht wegen der russischen Truppenbewegungen unweit der Grenze zur Ukraine in den Krisenmodus. Es gebe sehr große Zustimmung zum Vorschlag von Generalsekretär Jens Stoltenberg, die Lage nicht nur zu beobachten, sondern auch Maßnahmen in Gang zu setzen, sagte der geschäftsführende Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) am Dienstag bei einem NATO-Treffen in der lettischen Hauptstadt Riga. Ziel sei, zu einem gemeinsamen Lagebild zu kommen und Reaktionsmöglichkeiten zu entwickeln - zum Beispiel Sanktionen.
Hintergrund sind Erkenntnisse, wonach Russland an der Grenze zur Ukraine erneut ungewöhnlich große Kontingente gefechtsbereiter Truppen sowie schwere Waffen und Drohnen stationiert hat. Die Ukraine beziffert die Zahl der russischen Soldaten an der Grenze inzwischen auf 115.000. Die Entwicklungen wecken böse Erinnerungen an 2014: Damals hatte Russland die ukrainische Halbinsel Krim illegal annektiert, wobei auch die östlichen ukrainischen Provinzen Donetsk und Lugansk von pro-russischen Separatisten eingenommen wurden.
„Die militärischen Aktivitäten Russlands an der Grenze zur Ukraine geben uns Anlass zu größter Sorge“, sagte Maas. Wichtig seien jetzt Schritte zur Deeskalation. „Ich werde nicht müde zu betonen, dass die Tür zu solchen Gesprächen für Russland weiter offensteht.“ Zugleich warnte der SPD-Politiker: „Für jegliche Form von Aggression müsste Russland einen hohen Preis zahlen.“
Ähnlich äußerten sich NATO-Generalsekretär Stoltenberg und US-Außenminister Antony Blinken. „Jede neue Aggression würde schwerwiegende Konsequenzen nach sich ziehen“, sagte Blinken. Er sprach von hochgradig besorgniserregenden Truppenbewegungen. Maas sagte: „Es besteht hier Einigkeit darüber, dass eine Verletzung der territorialen Integrität der Ukraine ernsthafte Konsequenzen hätte - politische, aber auch sicherlich wirtschaftliche.“
Stoltenberg wich am Abend bei einer Pressekonferenz einer Nachfrage zu konkreten Beschlüssen aus. Er betonte, dass es beim Thema Beistand einen Unterschied zwischen Partnerländern wie der Ukraine und Mitgliedsstaaten der Allianz gebe. Er sei sich aber sicher, dass es für die Ukraine weiter Hilfe durch Ausrüstung und Ausbildung geben werden. Ein militärisches Eingreifen der NATO gilt wegen der Gefahr eines großen Krieges als äußerst unwahrscheinlich.
Die Gründe für den massiven Truppenaufmarsch sind unklar. Moskau behauptet, dass von Russland keine Gefahr ausgehe. Auf russischem Staatsgebiet könne man Truppen nach eigenem Ermessen bewegen. Staatschef Wladimir Putin kritisierte einmal mehr die Militärpräsenz westlicher Staaten an der russischen Grenze. „Die Russische Föderation ist besorgt“, sagte der Präsident der Staatsagentur Ria Nowosti zufolge. „Das alles stellt eine Bedrohung für uns dar.“
Zu Befürchtungen der NATO vor einem möglichen Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine sagte Putin: „Es geht nicht darum, Truppen dorthin zu schicken oder nicht zu schicken, zu kämpfen oder nicht zu kämpfen, sondern darum, die Beziehungen zu verbessern.“ Die Sicherheitsinteressen aller internationalen Akteure müssten berücksichtigt werden. Die britische Außenministerin Liz Truss wies Unterstellungen zurück, dass die NATO die Russen provoziere. Die NATO sei ein Bündnis, das auf dem Grundsatz der Verteidigung beruhe.
Denkbar ist auch, dass der Truppenaufmarsch in Verbindung mit dem NATO-Treffen steht. Zum ersten Mal wird eine Tagung der NATO-Außenminister in dem direkt an Russland grenzenden Bündnisstaat organisiert. Litauen, Lettland und Polen müssen sich derzeit auch mit einer kritischen Situation an ihren Grenzen zum russischen Partnerland Belarus auseinandersetzen. Der Führung in Minsk wird vorgeworfen, gezielt Migranten ins Land zu holen, um sie dann zur Weiterreise in die EU an die Grenze zu bringen.
Auf der Tagesordnung des zweitägigen NATO-Treffens stehen neben der Lage im Osten die laufenden Arbeiten an einem neuen strategischen Konzept für das Bündnis und die Aufarbeitung des in einem Debakel geendeten Afghanistan-Einsatzes. In Afghanistan hatten kurze Zeit nach Ende der NATO-Militärpräsenz die militant-islamistischen Taliban die Macht zurückerobert.
US-Geheimdienste haben zuvor europäische Verbündete und die Ukraine gewarnt, dass Russland in Vorbereitung für eine neue Invasion sein könnte. Hierfür wurden offenbar Belege in Form von Karten und weitere Information geliefert. Amerikanische Beamte gehen von einem schnellen und umfangreichen Vorstoß russischer Truppen aus, sollte sich der russische Präsident Wladimir Putin dazu entscheiden. Daneben habe Russland auch zehntausende Reservisten zu Dienst gerufen, wobei dies in der postsowjetischen Zeit absolut „beispiellos“ sei, so US-Offiziere.
Der ukrainische Geheimdienstchef Brigadegeneral Kyrylo Budanov gab an, Russland könne bereits im Januar oder Februar einen erneuten Angriff auf die Ukraine starten. Dieser bevorstehende Übergriff werde „viel verheerender als je zuvor im Konflikt“ sein, behauptete der Geheimdienstchef. (bb mit Material von dpa)