Russischer Botschafter wettert: „Deutschland hat rote Linie überschritten“
Deutschland gehört zu jenen Ländern, die die Ukraine im Krieg massiv unterstützen. Russlands Botschafter spricht über die Auswirkungen und den Kurswechsel der Regierung.
Moskau/Berlin - Die Erkenntnis entwickelte sich bei einem Großteil der hiesigen Bevölkerung erst im Sommer 2022: Die wirtschaftliche Vormachtstellung der deutschen Industrie basiert zum großen Teil auch darauf, dass die Bundesrepublik über Jahrzehnte günstige Energie von seinem Verbündeten Russland beziehen konnte.

Doch scheint das deutsche Wirtschaftswunder seinem Ende entgegenzusteuern: Die maßgeblich durch den Ukraine-Krieg entstandene Energiekrise erzeugt in der deutschen Unternehmenslandschaft sowie der Bevölkerung Existenzängste. Denn bis dato zwingt die zu einem globalen Wirtschaftskrieg ausgeartete Konfrontation in der Ukraine allem Anschein nach nicht nur die Russische Föderation in die Knie: Auch für Deutschland steht der Status als treibende Wirtschaftskraft auf dem Spiel.
Ukraine-Krieg: Russlands Botschafter über Deutschland - „Rote Linie überschritten“
Einen Meilenstein dieser Zeitenwende markieren die Russland-Sanktionen der westlichen Länder. Sie gehen einher mit Waffenlieferungen für die Ukraine, um sich gegen die russischen Truppen zu verteidigen. In Deutschland gerät unentwegt die Frage auf den Tisch, ob die Bundeswehr auch schweres Gerät an die Armee von Kiews Regierung entsenden soll - bislang jedoch mit einem klaren Nein.
Auf der anderen Seite steht Russland, dessen Konfrontation mit der Ukraine sowie der größten Nato-Streitkraft USA die Welt in Atem hält. Auch das Verhältnis zu Deutschland ist innerhalb weniger Monate rapide abgekühlt - und das ist freundlich umschrieben. Über die Zeitenwende im Schatten des Ukraine-Konflikts äußerte sich nun sich der russische Botschafter in Deutschland, Sergej Netschajew. Der 69-Jährige vertritt seit 2018 die Interessen der Russischen Föderation in Berlin – und fiel im Gegensatz zu seinem kürzlich abberufenen Ukraine-Pendant Andrej Melnyk in der Öffentlichkeit nicht durch impulsive Äußerungen auf.

Dafür hat sich Netschajew in einem Interview mit der Agentur Tass zum Verhältnis zwischen Russland und Deutschland geäußert. Ihm zufolge hätte die Bundesrepublik angesichts der historischen Verantwortung gegenüber seinem Land mit den Waffenlieferungen für die Ukraine eine „rote Linie überschritten“.
Russland: „Deutsche Waffen in der Ukraine werden auch gegen Zivilisten eingesetzt“
„Die in Deutschland hergestellten tödlichen Waffen, die an das Kiewer Regime geliefert wurden, werden nicht nur gegen russische Soldaten, sondern auch gegen Zivilisten eingesetzt“, sagt Netschajew. Auch aufgrund des russischen Beitrages zur deutschen Wiedervereinigung hätte ein solcher Schritt der Ampelkoalition niemals vollzogen werden dürfen, glaubt der Botschafter.
Es fällt zudem der Vorwurf, dass Deutschland bei Russlands Invasion in der Ukraine einen strengen Kurs fährt, während ähnliche globale Konflikte gebilligt werden. „Berlin hat jahrzehntelang darauf verzichtet, Waffen, insbesondere schweres militärisches Gerät, in bewaffnete Konfliktgebiete zu schicken. (...) Die Praxis hat sich erst jetzt und nur in Bezug auf Russland geändert“, betont Netschajew und bezeichnet die Entscheidung der Koalitionsregierung als „schweren Fehler“.
Einen vermuteten Grund für den deutschen Kurswechsel fügte der studierte Germanist nicht an. Über die Konsequenzen lässt Sergej Netschajew jedoch wissen: „Natürlich kann eine solche Wende nicht anders, als sich äußerst negativ auf unsere bilateralen Beziehungen und die Aussichten für ihre Entwicklung auszuwirken.“
Kürzlich hat Deutschland an die Ukraine erstmals ein Luftverteidigungssystem geliefert, das bei der Bundeswehr selbst noch gar nicht zum Einsatz kommt:
Ukraine-Krieg: Russischer Botschafter verurteilt „unkontrolliertes Waffenpumpen“
Russlands Interessenvertreter in Berlin warnt, dass „unkontrolliertes Waffenpumpen der Ukraine unter Verstoß gegen internationale Waffenhandels- und Exportkontrollregeln“ nur zu einer Verlängerung des Konfliktes führe - und Zerstörung, zivile Opfer sowie eine „weitere Destabilisierung der Situation in Europa, einschließlich Deutschlands selbst“ die Folge sei.
Laut Netschajew würde ein Großteil der gelieferten Waffensysteme zudem auf dem Schwarzmarkt landen - und in den Händen von „terroristischen Gruppen“. Sogar im Darknet würden die „tödlichen Systeme“ angeblich angeboten. Abschließend appelliert der Diplomat an Deutschland: Man hoffe, dass sich der „gesunde Menschenverstand“ durchsetzt – „aber bisher hören wir nur von Plänen für immer mehr deutsche Waffenlieferungen an die Ukraine“.
Derweil warnt Donald Trump mit Blick auf die Lecks an den Nord-Stream-Pipelines, dass „die ganze Welt auf dem Spiel steht.“ Der frühere US-Präsident fordert einen Deal mit Russlands Präsident Putin. (PF)