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Besuch in Kanada: Scholz und Habeck wollen "Energiepartnerschaft für die Zukunft" schließen

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Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und Bundeskanzler Olaf Scholz
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und Bundeskanzler Olaf Scholz © IMAGO/Jochen Eckel

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sind zu Besuch in Kanada und planen, dort eine „Energiepartnerschaft für die Zukunft“ schließen.

Montréal in Kanada - Das sagte Habeck nach der Ankunft in Montréal am Montag. Flüssiggas kann Kanada kurzfristig nicht liefern.

Scholz und Habeck wurden am Sonntagabend (Ortszeit) von Premierminister Justin Trudeau und dessen Stellvertreterin, Finanzministerin Chrystia Freeland, begrüßt. Sie werden von einer Wirtschaftsdelegation begleitet. Gemeinsam mit Trudeau sind bis Dienstag Besuche in Montréal, Toronto und Stephenville in Neufundland, vorgesehen. Konkret geplant ist auch die Unterzeichnung eines Abkommens zur Zusammenarbeit beim Thema Wasserstoff.

Habeck sagte am Montagmorgen im ZDF, Kanada bereite sich darauf vor, in Neufundland "grünen Wasserstoff, also durch erneuerbare Energien hergestellten Wasserstoff zu produzieren". Dafür seien die Windbedingungen an der kanadischen Ostküste ideal. Deutschland habe in diesem Bereich technisches Know-how und "einen großen Bedarf". Der Schwerpunkt der Reise liege also darauf, mit Kanada eine "Energiepartnerschaft für die Zukunft" zu schließen.

Zudem steht das Thema Flüssiggas (LNG) auf dem Programm, allerdings eher langfristig. Wegen fehlender Export-Infrastruktur ist die Lieferung von kanadischem Gas nach Europa schwierig. Wie Habeck im ZDF erläuterte, gibt es an der Ostküste Kanadas bisher keine LNG-Terminals. Er betonte aber, es gebe gleichwohl genug andere Möglichkeiten auf dem Weltmarkt zum Bezug von Flüssiggas, um Pipeline-Gas aus Russland zu ersetzen, sobald die neuen LNG-Terminals in Deutschland betriebsbereit seien.

Die deutsche Wirtschaft drängt zu schnellen Abkommen mit Kanada. Der Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA) hoffe darauf, dass der Besuch den Druck auf die Regierungskoalition in Deutschland noch einmal erhöhe, das deutsch-kanadische Handelsabkommen Ceta im Bundestag endlich zu ratifizieren, sagte Verbandspräsident Dirk Jandura der Düsseldorfer "Rheinischen Post" vom Montag.

Zudem müsse die Zusammenarbeit bei der Energieversorgung und bei der Versorgung der deutschen Wirtschaft mit sogenannten seltenen Erden verstärkt werden, betonte Jandura. Kanada könne durch eine Beschleunigung der Fertigstellung seiner LNG-Exportanlagen dazu beitragen, "die europäische Wirtschaft am Laufen und die Haushalte warm zu halten", sagte der BGA-Präsident.

Auf die Unterzeichnung von Ceta drängte auch die CDU-Wirtschaftspolitikerin Julia Klöckner. Dieses Abkommen hänge weiter "in der Ampel-Warteschleife", kritisierte sie in Berlin. Vorbehalte gegen eine Unterzeichnung von Ceta äußerte der Grünen-Politiker Karl Bär. Er forderte im "Spiegel" ein "faires Handelsabkommen, das nicht den Gewinninteressen großer Konzerne dient, sondern dem Gemeinwohl". Um die zu ermöglichen, "muss Ceta scheitern". Unterstützt wurde Bär demnach von der kanadischen Grünen-Politikerin Elizabeth May.

Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) betonte, der Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft sei nicht allein auf nationaler Ebene möglich. Deutschland und Europa seien auf den Import von Wasserstoff angewiesen sein. "Umso wichtiger ist es, frühzeitig verlässliche internationale Partnerschaften zu schließen", sagte BDEW-Hauptgeschäftsführerin Kerstin Andreae der "Rheinischen Post".

Auch Andreae wies darauf hin, dass Kanada aber auch bereits ein verlässlicher Lieferant von Rohstoffen für die Energiewende wie Titan, Nickel, Kobalt, Graphit und Aluminium sei. Hier gebe es großes "Potenzial für weitere Steigerungen".

Neben der Energiepolitik soll es laut der Bundesregierung bei dem Besuch auch um geopolitische Themen wie die Nato-Zusammenarbeit und das Verhältnis zu Russland und China gehen. bk/ilo

Grüner Wasserstoff als Energie- und Hoffnungsträger

Wasserstoff gilt vielfach als Wundermittel - vor allem wenn er "grün" ist, also aus Erneuerbaren Energien stammt. Große Potenziale gibt es in der Industrie, aber auch im Verkehrssektor - vor allem in Bereichen, in denen E-Mobilität nicht oder nur schwer einsetzbar ist. Gewonnen wird grüner Wasserstoff mittels Power-to-X-Technologie unter Einsatz von Ökostrom.

Woher kommt der Wasserstoff?

Der entscheidende Vorteil von Wasserstoff (chemisches Symbol: H) ist, dass er praktisch unbegrenzt vorhanden ist - allerdings in der Regel in Form von Wasser. Auch bei der Verbrennung entstehen keine Schadstoffe, sondern ebenfalls nur Wasser. Für die Gewinnung von reinem Wasserstoff durch die Aufspaltung von Wassermolekülen wird allerdings relativ viel Energie benötigt. Dabei gibt es Umwandlungsverluste, so dass häufig die direkte Verwendung von Ökostrom wirtschaftlicher ist.

Was ist Power to X?

Der englische Begriff Power to X (PtX; Strom zu X) steht übergreifend für eine ganze Reihe verschiedener Umwandlungsprozesse zur Speicherung und späteren Nutzung von Energie. Dabei wird Strom etwa aus Windparks in Wasserstoff, aber auch in Gase wie Methan, flüssige Kraftstoffe, Wärme oder in chemische Grundstoffe umgewandelt.

Wo lässt sich grüner Wasserstoff im Verkehrsbereich einsetzen?

Potenziale für Wasserstoff gibt es vor allem dort, wo in absehbarer Zukunft eine Versorgung direkt mit Strom schwierig wäre: in der Schiff- und Luftfahrt, aber auch bei schweren Lkw. Auch der Einsatz in Pkw mit Verbrennungsmotor wäre möglich - allerdings wird für die Herstellung viel mehr Ökostrom benötigt, als wenn man damit direkt Auto-Batterien aufladen würde.

Ebenso kann Wasserstoff für Brennstoffzellen genutzt werden, in denen direkt Strom für Elektromotoren erzeugt wird. Allerdings sind auch hier wie auch bei der Herstellung synthetischer Kraftstoffe die Umwandlungsverluste hoch.

Welche Einsatzgebiete gibt es noch?

In der Chemieindustrie oder in Raffinerien kann Wasserstoff fossile Energieträger ersetzen, vor allem dort, wo sehr hohe Temperaturen erreicht werden müssen. So kann Wasserstoff in Stahlwerken die sogenannte Einblaskohle ersetzen. Übergangsweise kann grüner Wasserstoff auch fossilen Kraftstoffen beigemischt werden, um den CO2-Ausstoß zu senken.

Wo liegen die Hindernisse?

Der Hauptknackpunkt ist die begrenzte Verfügbarkeit von regenerativ erzeugtem Strom. Dieser reicht bisher in Deutschland bei weitem nicht einmal, um den normalen Stromverbrauch zu decken, der zudem durch E-Mobilität, Wärmepumpen und die Elektrifizierung von Industrieprozessen deutlich ansteigen wird. Zudem ist aus Ökostrom erzeugter Wasserstoff relativ teuer. Allerdings kann überschüssiger Wind- oder Solarstrom zur Waserstoffherstellung sinnvoll genutzt werden, wo bisher oft Anlagen bei starkem Wind und hoher Sonneneinstrahlung abgeschaltet werden müssen.

Wie sieht es mit Importen aus dem Ausland aus?

In Ländern mit starker Sonneneinstrahlung - etwa in Nordafrika, auf der Arabischen Halbinsel oder in Australien - oder auch in windreichen Gegenden wie den Küsten Skandinaviens oder Kanadas gibt es deutlich höhere Potenziale für günstigen Ökostrom als in Deutschland. Diese könnten dort damit erzeugten Wasserstoff exportieren. Allerdings müssten dabei Transportkosten und -kapazitäten berücksichtigt werden, ebenso wie der Eigenbedarf der Herstellungsländer. Die in Deutschland geplanten oder im Bau befindlichen Flüssiggasterminals sollen auch für den Import von Wasserstoff ausgelegt werden.

Kann Wasserstoff auch anders erzeugt werden?

Wasserstoff kann auch aus Erdgas je nach Herstellungsverfahren als blauer oder türkiser Wasserstoff gewonnen werden, wobei entstehender Kohlenstoff beziehungsweise CO2 möglichst nicht in die Atmosphäre gelangen sollen. Allerdings gibt es hier auch bereits Emissionen bei der Erdgasförderung, die CO2-Abscheidung (CCS) ist aufwendig und aus anderen Gründen umstritten. Bei einer Erzeugung aus fossilen Energieträgern mit direkten CO2-Emissionen spricht man von grauem Wasserstoff. bk/ilo

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