Doch das sei „fachlich nicht mehr wirklich begründbar“, sagt Pilsinger dem Münchner Merkur. Denn bereits nach Ablauf des diagnostischen Fensters von sechs bis acht Wochen könne man mithilfe eines modernen Antikörpertests feststellen, ob eine HIV-Infektion besteht oder nicht. Deshalb sollte auch nur dieses Zeitfenster ausschlaggebend sein. Der Zeitraum von einem Jahr sei eine willkürliche Grenze. Großbritannien hatte kürzlich eine ähnliche Gesetzesanpassung vorgenommen.
Es müsse auch „einen Unterschied machen, ob jemand einen festen Partner oder wechselnde Partner hat – und ob der Verkehr geschützt oder ungeschützt war“. Bei Homosexuellen müsse wie bei Heterosexuellen „zukünftig das individuelle Risikoverhalten“ ausschlaggebend sein – „keine Pauschalität“. Ansonsten sei ihr Ausschluss „eine ungerechtfertigte Diskriminierung“.
Die Bundesärztekammer warnt hingegen vor einer politischen Einflussnahme auf diese Entscheidung. Die Einschränkung wird damit begründet, dass das Sexualverhalten von Männern, die Sex mit Männern haben „ein Risiko für den Empfänger von Blutprodukten“ sei. Er wisse allerdings, dass auch viele Ärzte die geltende Regelung kritisch sehen, sagt Pilsinger. Der studierte Mediziner fordert deshalb die Ärztekammer auf, „das noch einmal fachlich neu zu bewerten“.
Die CSU ist diesen Schritt offenbar bereits gegangen. „Die pauschale Behauptung, dass sich homosexuelle Männer unverantwortlicher verhalten als Heterosexuelle, finde ich nicht akzeptabel“, hatte zuletzt Stefan Müller, der CSU-Fraktionsgeschäftsführers im Bundestag, erklärt. Generalsekretär Markus Blume äußerte sich ähnlich. Pilsinger will nun noch konkreter werden. Schriftlich hat er die AG Gesundheit der Unionsfraktion aufgefordert, gemeinsam mit dem Koalitionspartner SPD einen eigenen Vorschlag voranzutreiben. Statt einen „womöglich ideologisch geprägten“ Entwurf der Grünen zu unterstützen, müsse die Große Koalition selbst eine „fachlich und sachlich gerechtfertigte Lösung anbieten“. Über die Anträge von FDP und Grünen soll voraussichtlich in der übernächsten Woche im Bundestag beraten werden.
Neben einer möglichen Diskriminierung von Homosexuellen spielt noch ein weiterer Aspekt eine wichtige Rolle. Täglich werden in Deutschland rund 15.000 Blutkonserven benötigt, in Bayern rund 2000. Immer wieder gibt es Situationen, in denen die Versorgung knapp wird. „Die Gesellschaft kann es sich nicht leisten, potenzielle Blutspender ohne medizinisch gerechtfertigten Grund abzuweisen“, sagt Pilsinger. Oder wie es FDP-Politiker Jens Brandenburg formuliert: „Kein Patient soll sterben müssen, weil der mögliche Blutspender der Richtlinie zu schwul war.“