Verteidigungsminister Boris Pistorius: Der richtige Mann in schwerer Zeit

Olaf Scholz lässt die geschlechtergerechte Kabinettsbesetzung außer Acht und beruft Boris Pistorius zum neuen Verteidigungsminister. Er ist der richtige Mann für das schwierigste Amt in europäischen Kriegszeiten, kommentiert Georg Anastasiadis.
Der Zeitenwende-Kanzler traut sich was. Dass auch ein Mann zur Führung des Bundesverteidigungsministeriums befähigt sein könnte, hat die Vorstellungskraft mancher im Berliner Politbetrieb lange überstiegen. Bis zuletzt beharrten die SPD-Frauen darauf, Olaf Scholz müsse sich bei der Regelung der Lambrecht-Nachfolge vom Prinzip der geschlechtergerechten Kabinettsbesetzung leiten lassen. Doch für Fragen der Etikette war es nach den Blamagen um die zurückgetretene Ministerin, die auch den Kanzler immer mehr in Bedrängnis brachten, zu spät. Der 62-jährige Boris Pistorius ist ein in vielen Schlachten gestähltes politisches Schlachtross, durchsetzungsstark und nach allem, was man von ihm weiß, eine sichere Wahl für das schwierigste Ministeramt, das die Bundespolitik in europäischen Kriegszeiten zu vergeben hat. Und: Er wird der einzige im Kabinett sein, der gedient hat. Scholz weiß, dass er Pistorius – anders als Lambrecht – nicht aus dem Kanzleramt fernsteuern kann.
Die Bundeswehrsoldaten verdienen mehr als das Desinteresse, das ihnen von Lambrecht entgegenschlug
„150 Prozent“ will der Neue geben. Die braucht es auch. Denn sein Erfolg ist wichtig: für das Land, die Truppe und auch für den Kanzler, dessen Ansehen damit steht und fällt, ob er die Zeitenwende erfolgreich bewältigt und Deutschlands Wehrfähigkeit wieder herstellt, die in den bleiernen Merkel-Jahren verloren gegangen ist. Dafür braucht es nicht nur Geld, sondern auch Herzenswärme.
Die Bundeswehrsoldaten, die im Extremfall mit ihrem Leben einstehen müssen für ihre Mitbürger, verdienen mehr als das Desinteresse, das ihnen von Lambrecht entgegenschlug, und mehr als Vorwürfe über (angebliche) „Haltungsprobleme“, die Ursula von der Leyen in den Mittelpunkt ihres Wirkens als Verteidigungsministerin stellte. Sie brauchen bessere Ausrüstung, vor allem aber mehr Wertschätzung statt des Misstrauens, das ihnen in der „Friedensnation“ Deutschland allzu oft begegnet. Pistorius hat in seinen fast zehn Jahren als niedersächsischer Innenminister gezeigt, wie es geht, sich vor seine Einsatzkräfte zu stellen.
Georg Anastasiadis