BR-Rundfunkrat: Knurrende Zustimmung für den Intendanten

München - Der heftige Streit mit Seehofer wird BR-Chef Ulrich Wilhelm nicht den Posten kosten – Kein Gegenkandidat gefunden.
Der Herr Intendant und der Herr Ministerpräsident saßen in Sichtweite, ein paar Bänke entfernt voneinander in der ersten Reihe am Nockherberg. Blicke austauschen oder sich gar zueinander setzen wollten Ulrich Wilhelm und Horst Seehofer aber nicht, den ganzen langen Abend nicht. Fast wären Eiszapfen gewachsen an den Bierkrügen der zwei Promis. Erst beim Abgang raunte Seehofer knapp, man müsse demnächst mal reden.
Noch immer ist das Verhältnis zwischen Politik und dem obersten Boss des Bayerischen Rundfunks schwer belastet. In der Konzertsaal-Debatte sind CSU und SPD wütend auf Wilhelms heftiges Werben für einen Neubau, für den mehrfach auch das TV-Programm instrumentalisiert wurde. Wegen der „Dahoam is Dahoam“-Affäre um den Markus-Söder-Gastauftritt zürnt Seehofer, Wilhelm behandele Politiker „wie Infizierte“. Auch gehe er mit dem Sender BR-Klassik nicht klug um. Mitten in der aufgeheizten Atmosphäre hat der Rundfunkrat Wilhelm nun zur Wiederwahl vorgeschlagen. Termin: 19. März.
Wer allerdings nun den Tag der Abrechnung fürchtet, immerhin sitzen im Rundfunkrat knapp ein Drittel CSU- und SPD-Vertreter, liegt falsch. Die Politiker grollen zwar, wagen aber nicht, den 53-Jährigen abzuwählen. Etliche Räte deuten an, Wilhelm mit der Faust in der Tasche wiederzuwählen. Nur einzelne Gegenstimmen drohen.
Allen voran bei Wilhelms Wählern: ausgerechnet Seehofers Staatskanzlei. „Auch wenn man nicht immer einer Meinung ist, halte ich Ulrich Wilhelm für einen äußerst kompetenten Intendanten“, sagt Minister Marcel Huber. Er werde den BR auch in einer zweiten Amtszeit voranbringen. Fraktionschef Thomas Kreuzer sagt öffentlich nix, dürfte aber genauso abstimmen. Auch die SPD, die dem BR in der „Dahoam“-Affäre noch eine „Blamage bis auf die Knochen vorgeworfen hatte, steuert bei: „Meine Stimme hat er“, sagt Landeschef Florian Pronold, trotz mancher Ärgernisse mache er „unterm Strich einen guten Job als Intendant“. Trotz „einiger Differenzen in Sachfragen“ werde er wohl Wilhelm wählen, sagt der Freie Wähler Alexander Muthmann.
Ein Putsch zeichnet sich auch bei den Parteilosen im 47-köpfigen Gremium nicht ab. Eine Gegenkandidatur (letztes Mal trat der Radio-Journalist Rudolf Erhard chancenlos, aber aus Überzeugung an) ist nicht in Sicht. Ergebnislos hatten sowohl CSU- als auch Oppositionsleute getrennt voneinander diskret nach einem Zählkandidaten geschaut, das aber wieder eingestellt. Spannend wird also nur, wie viele Gegenstimmen Wilhelm erhält. Im Mai 2010 waren es vier.
Tatsächlich gibt es intern unterschiedliche Sichtweisen auf Wilhelm. Manche Mitarbeiter sind fast froh über seinen Krach mit Seehofer, weil das eine gewisse CSU-Ferne signalisiert. Er überzeugt viele im persönlichen Gespräch, hat Charme. Andere klagen, es gehe zu wenig voran, die Stimmung sei schlecht, hohe Mehrkosten beim Umzug nach Freimann drohten. „Er ist gottgleich hier eingeschwebt, aber hat kaum was bewegt“, klagt einer.
Sicher gegen Wilhelm stimmen werden nun die Grünen. „Er hat unsere Ansprüche an eine transparente Politik nicht eingehalten“, sie sei enttäuscht, sagt Rundfunkrätin Verena Osgyan.
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Christian Deutschländer