Entwicklungsminister Müller: „Afrika soll sich selbst versorgen“

Bukura/Nairobi - Mit deutschen Geldern wird die Landwirtschaft in Afrika modernisiert. „Eine Welt ohne Hunger ist möglich“, sagt Minister Gerd Müller vor Ort in Westkenia. Unumstritten sind die Projekte allerdings nicht.
Der Entwicklungsminister zaudert. „Sollen wir mal einen Spritzer rausholen?“, fragt Gerd Müller, CSU, und blickt eine westkenianische Kuh an. Die beiden stehen in einem offenen Stall im „Grünen Innovationszentrum“ in Kakamenga County. Drumherum viele einheimische Zuschauer und Fotografen. Müller weiß, wie man eine Kuh melkt. Der Vater des Ministers war Landwirt, er selbst immerhin lange Staatssekretär im Landwirtschaftsministerium. Doch er trägt einen Anzug, und es ist drückend heiß. Nachher muss er noch eine Rede halten. Die Kuh bleibt unbehelligt.
Ohnehin ist fraglich, wie groß der Ertrag gewesen wäre. Zwei Liter Milch am Tag geben die Kühe hier, das macht im Jahr nicht mal tausend. Die Rindviecher in Müllers Heimat sind dagegen Weltspitze. Manche Tiere im Allgäu produzieren 18 000 Liter Milch jährlich. Alles eine Frage des Know-hows, glaubt der Minister: „Entscheidend ist nicht der Geld-, sondern der Wissenstransfer.“
Das ist auch der Grundgedanke hinter den „Grünen Innovationszentren“, die unter Federführung von Müllers Ministerium in ganz Afrika errichtet wurden. Mit Hilfe deutscher Unternehmen und Forschungsinstitutionen sollen afrikanische Bauern moderne Techniken und Maschinen kennenlernen. Die Zentren sollen ihre Arbeit ertragreicher machen, neue Arbeitsplätze in verarbeitenden Betrieben sollen entstehen. „Damit gibt es Bleibeperspektiven für junge Menschen, die es auch in Kenia vom armen Land in die Städte zieht.“
Fast 60 Prozent der Bevölkerung des Landes arbeiten in der Landwirtschaft und nutzen dafür die Hälfte der gesamten Fläche des ostafrikanischen Staats. Die Mittel, mit denen sie das bisher tun, erinnern an die deutsche Landwirtschaft der 50er-Jahre. Man sieht Kühe, die einfach da festgebunden werden, wo etwas Gras ist. Dazu kommt die Zersplitterung der Nutzflächen. Ein Flurbereinigung hat es nicht gegeben. Im armen Westkenia bewirtschaften rund 700 000 Kleinbauern Parzellen, meist mit einer Fläche unter einem Hektar. Und die Bevölkerung wächst und wächst.
„Es ist die größte Herausforderung für Afrika, sich selbst zu versorgen“, sagt Müller. Ein Viertel der Menschen in Kenia ist unterernährt, in ganz Afrika leiden mehr als 200 Millionen Menschen unter Hunger. Und das auf einem Kontinent, der eigentlich viel Nutzfläche bietet. „Hunger ist einer der größten Skandale, die wir beenden können. Mit unserem Wissen können wir schon heute genug Nahrung für alle Menschen produzieren“, betont der Minister. Er glaubt: „Eine Welt ohne Hunger ist möglich.“
Doch was den Weg dorthin betrifft, gibt es auch skeptische Stimmen. Die Landwirtschaft in Afrika nach europäischem Vorbild zu modernisieren, gehe am Hungerproblem vorbei, kritisierte etwa die Entwicklungsorganisation Oxfam, als das Projekt im Herbst anlief. Auch der grüne Bundestagsabgeordnete Uwe Kekeritz äußerte sich kritisch. „Mit den Grünen Innovationszentren hilft Gerd Müller weniger den armen Menschen vor Ort, sondern eröffnet vielmehr deutschen Unternehmen neue Absatzmärkte in Afrika – zu Lasten der dortigen Ernährungssicherheit“, zitierte ihn das Internet-Portal „EurActiv“.
Beinahe 140 Millionen Euro stehen für die Grünen Zentren für fünf Jahre zur Verfügung – zwölf stehen in Afrika, ein dreizehntes in Indien. Müllers einwöchige Afrika-Reise dauert noch bis Samstag, eine weitere Station ist am Freitag Tansania.
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