Herrmann nicht im Bundestag - Wütende Attacke auf ARD und ZDF wegen AfD
CSU-Spitzenkandidat Joachim Herrmann kommt nicht in den nächsten Bundestag. Auch bei der „Berliner Runde“ am Wahlabend sorgte er für Aufsehen - durch einen Wutausbruch.
Berlin/München - Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann stand zwar auf Platz eins der CSU-Liste für die Bundestagswahl am Sonntag, trat jedoch nicht als Direktkandidat an. Er wurde gewissermaßen zu einem Opfer des CSU-Erfolgs, den die Christsozialen trotz ihres Absturzes bei der Wahl doch noch feiern konnten: Sie holten in allen 46 Wahlkreisen in Bayern jeweils das Direktmandat. Nach Angaben des Bundeswahlleiters vom frühen Montagmorgen blieb es aber bei diesen 46 Mandaten. Die Liste zog also nicht mehr - und damit ging Herrmann leer aus.
Kann Joachim Herrmann auch ohne Bundestagsmandat Bundesminister werden?
Herrmann strebt in der neuen Bundesregierung das Amt des Bundesinnenministers an, das derzeit in der Hand von Thomas de Maizière (CDU) ist. Bleibt die Frage, ob der erfahrene Politiker auch ohne einen Sitz im neuen Bundestag in die kommende Regierung berufen werden kann?
Die Antwort lautet: Ja, er kann. Die Bundesminister werden nach Vorschlag des Bundeskanzlers beziehungsweise der Bundeskanzlerin vom Bundespräsidenten ernannt. Der oder die Auserwählte kann, aber muss nicht Mitglied des Bundestages sein. Als Beispiel der noch aktuellen Bundesregierung dient Justizminister Heiko Maas (SPD), der auch kein Bundestagsmandat hat.
Herrmann platzt der Kragen: „Das ist ein völliger Unfug“
Bei der Berliner Runde am Wahlabend attackierte Herrmann den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Nach 40 von 60 Minuten platzte dem CSU-Politiker der Kragen. „Jetzt haben Sie schon wieder eineinhalb Runden ohne mich diskutiert“, fühlt er sich vernachlässigt. „Ich will ihnen sagen, was mich überhaupt ärgert in dieser Art der Diskussion, wie es leider in den vergangenen Wochen häufiger der Fall war. Als ob es am Abend der Wahl des neuen Deutschen Bundestages nichts anderes gibt! Die Hälfte der Sendezeit beschäftigt sich schon wieder nur mit der AfD. Die Hälfte der Sendezeit! Nur mit der AfD! Das ist ein völliger Unfug“, schimpft Herrmann.
Dann geht er frontal auf ARD und ZDF in Person der Moderatoren Rainald Becker (ARD) und Peter Frey (ZDF) los. „Da kann ich Ihnen nur sagen, und darüber wird in den nächsten Wochen auch noch zu diskutieren sein, in welchem Ausmaß die beiden Öffentlich-Rechtlichen Sender in den letzten Wochen massiv dazu beigetragen haben, in der Tat nicht die AfD klein zu machen, sondern groß zu machen. In einer Art und Weise der Diskussion, die wirklich völlig fehl am Platze ist.“
Damit ist Herrmanns Wutrede noch nicht zu Ende: „Ich will jedenfalls mich um die Zukunftsprobleme des Landes kümmern, wie viele andere an diesem Tisch auch. Da gehört natürlich die Auseinandersetzung mit der AfD dazu. Aber die AfD ist nicht das alleinige und maßgebliche Zukunftsproblem dieser Bundesrepublik Deutschland. Wir müssen uns darum kümmern, die, die aus Enttäuschung - wie Ihre eigenen Analysen gezeigt haben - weggegangen sind, wie wir die wieder für die demokratischen Parteien gewinnen.“
ARD-Chefredakteur Becker quittierte das Foul unter lautem Widerspruch Herrmanns mit einer Rüge: „Herr Herrmann, heute Abend mit dem Finger auf die Öffentlich-Rechtlichen zu zeigen, das ist eigentlich ein bisschen schwach. Außerdem sind Sie ja alle auf dieses Thema eingestiegen. Und wir würden es jetzt auch gerne verlassen.“
Zuvor hatte auch Grünen-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt die öffentliche Debatte kritisiert, bei der die AfD einen großen Schwerpunkt gebildet hätte.
Herrmann: Bereit, um Gespräche über mögliche Jamaika-Koalition zu führen
Am Montag zeigte sich Herrmann konstruktiver und will nach dem Debakel bei der Bundestagswahl auf AfD-Wähler zugehen. Seine Partei müsse sorgfältig analysieren, wie sie diejenigen zurückgewinne, die aus Enttäuschung oder Protest und nicht aus Überzeugung die AfD gewählt hätten, sagte der bayerische Innenminister am Morgen im Radiosender B5 aktuell. Den Absturz der CSU bei der Bundestagswahl am Sonntag um 10,5 Prozentpunkte auf 38,8 Prozent sei eine „herbe Enttäuschung“. Die AfD erhielt in Bayern 12,4 Prozent (2013: 4,3 Prozent) der Stimmen.
Hermann zeigte sich offen, an möglichen Koalitionsverhandlungen der Union mit FDP und Grünen mitzuwirken. „Ich bin bereit, an solchen Gesprächen teilzunehmen“, kündigte er an. Die CSU werde am Montag einen Vorsitzenden für die Verhandlungen in Berlin wählen.
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dpa/lin/Video: Glomex