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Ausgerechnet in Bayern: Schulz hofft auf den letzten Strohhalm

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Martin Schulz geht im CSU-Stammland Bayern in den Wahl-Endspurt.
Martin Schulz geht im CSU-Stammland Bayern in den Wahl-Endspurt. © dpa

Zehn Wochen vor der Bundestagswahl ist SPD-Kandidat Martin Schulz in der Defensive. Dagegen kämpft er nun ausgerechnet in Bayern an.

Update vom 18. Juli 2017: Wie positioniert sich die SPD zu den Themen Familie, Bildung und Rente? Wir klären über das SPD-Wahlprogramm auf. 

Ingolstadt - Martin Schulz traut sich was. Wahlkampf in der Höhle des bayerischen Löwen. Am Montag startet der SPD-Kanzlerkandidat seine Sommerreise durch den Freistaat. Wo genau? In Ingolstadt. Und damit bei Horst Seehofer vor der Haustür. Der Ministerpräsident und CSU-Chef wohnt am Stadtrand von Audi-Town. Dort gab es bei der Bundestagswahl 2013 ein klares Stimmungsbild. CSU 55 Prozent, SPD 17 Prozent. Dass es in zehn Wochen für Schulz und seine Genossen im CSU-Stammland viel besser ausgehen wird, dürfte eher unwahrscheinlich sein. Die strukturellen Schwächen der SPD in Bayern und Baden-Württemberg verhindern seit langem, dass die Sozialdemokratie aus eigener Kraft wieder in die Nähe des Kanzleramtes kommt.

Schulz will es dennoch versuchen, bei seiner Sommertour - die ihn in dieser Woche über Bayern, Nordrhein-Westfalen bis nach Hamburg führt - die Basis für den Endspurt zu mobilisieren. Mit dem Coup bei der Ehe für alle, den die SPD im Bundestag gegen den Willen der Kanzlerin durchsetzte, schien das ganz gut zu gelingen. Die SPD-Abgeordneten fuhren entspannter in die Ferien in ihre Wahlkreise, beschwingt von der seltenen Großtat, Angela Merkel ausgetrickst zu haben. Dann kam Hamburg.

SPD-Mann Scholz durch G20-Ausschreitungen in der Defensive

Während des G20-Gipfels plünderte, brandschatzte und prügelte sich ein gewalttätiger Mob durch die Hansestadt. Und die wird von Olaf Scholz regiert. Seit Schulz die Nummer 1 ist, ist Scholz die 1B. Jedenfalls war das bislang so. Scholz galt als Klassenbester in der SPD. Top-Arbeitsminister, erfolgreicher Chefverhandler der GroKo 2013, kluger Bund-Länder-Manager, beliebter Regierungschef an der Elbe. Der Polizeieinsatz und Scholz' übermütige Parole im Vorfeld, der G20-Gipfel mitten in der City werde so kuschelig wie der jährliche Hafengeburtstag, haben der SPD - aber auch Kanzlerin Merkel als Gipfel-Gastgeberin - nun mitten im Wahlkampf ein Thema mit Zündstoff beschert.

Und es knirschte in der SPD schon vor den Krawallen. Schulz und Außenminister Sigmar Gabriel hatten Scholz mit ihrem spontanen Vorschlag verärgert, solche Gipfel künftig nur noch bei den Vereinten Nationen in New York stattfinden zu lassen. Dafür handelten sich Schulz und Gabriel indirekt auch einen Rüffel des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier ein, der am Sonntag die Verwüstungen in Hamburg in Augenschein nahm, die Ausrichtung in Deutschland aber verteidigte.

Die SPD-Spitze ist mit knallharten Vokabeln unterwegs. Schulz redet von „Mordbrennern“, Fraktionschef Thomas Oppermann von „versuchtem Mord“, Justizminister Heiko Maas will Gewalttäter hart bestrafen. Sozialdemokraten überbieten sich mit Vorschlägen, um bei der Inneren Sicherheit ja nicht in die Defensive zu geraten.

Schulz: Hamburger Krawallmacher keine Linken, sondern „bescheuert“

Als Schulz angesichts brennender Autos im Hamburger Schanzenviertel twitterte, die Randale der Gewalttäter habe nichts mit Politik zutun, antwortete ihm CDU-Jungstar Jens Spahn: „Klar hat das was mit Politik zu tun. Nämlich mit der systematischen Verharmlosung linker Gewalt, wie sie Teile Ihrer SPD seit Jahren betreibt.“

Auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) teilt in diese Richtung gegen die SPD aus. Schulz weist das empört zurück. Links und Gewaltanwendung würden sich ausschließen, sagt er am Sonntagabend im ZDF-„heute journal“. Und weiter: „Meine Partei mit diesem Mob in Verbindung zu bringen, ist eine Frechheit.“ Die Gewalttäter seien nicht links, „die sind bescheuert“. Schulz muss es also selbst richten.

Seit Otto Schily gab es keinen prominenten Sozialdemokraten mehr, der bei Law and Order den schwarzen Sheriffs von CDU und CSU auf Augenhöhe begegnete. Die SPD versucht, ihren niedersächsischen Innenminister Boris Pistorius als neuen Schily aufzubauen. Das geht nicht über Nacht.

Schulz‘ Koalitionsmöglichkeiten schwinden

In diesen unruhigen Zeiten bleiben Schulz zehn Wochen, um den riesigen Rückstand zur Union in den Umfragen aufzuholen. Führende Genossen sagen, am 24. September sollte der rote Balken auf 28 Prozent oder mehr steigen - sonst werde es für den früheren EU-Parlamentspräsidenten aus Würselen an der Parteispitze eng. Auch um eine Fortsetzung der ungeliebten großen Koalition in der SPD durchzusetzen, bräuchte Schulz ein deutlich besseres Ergebnis als vor vier Jahren (25,7 Prozent).

Denn Rot-Rot-Grün dürfte nach den Hamburger Ereignissen endgültig tot, eine Ampel mit FDP und Grünen kaum machbar sein. FDP-Chef Christian Lindner trommelt immer lauter für Schwarz-Gelb - und sagt über die Schulz' SPD: „Ich bedaure, dass sich die Sozialdemokraten vom Kurs eines Gerhard Schröder sehr weit entfernt haben und sich damit die Gemeinsamkeiten mit der FDP reduzieren.“ Vielleicht fällt Schulz in Ingolstadt nicht nur darauf eine passende Antwort ein. Dem CSU-Löwen Seehofer wird er übrigens nicht über den Weg laufen. Der begrüßt rund 190 Kilometer nördlich im Kloster Banz die Kanzlerin zur Klausur.

dpa

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