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Wahlcheck zu Fan- und Freiheitsrechten: Was sagen die Parteien zu Überwachung, Polizeigewalt & Co?

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Von: Andreas Schmid

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„Nein zum Polizeiaufgabengesetz“: Ultras des FC Bayern äußern ihren Unmut.
„Nein zum Polizeiaufgabengesetz“: Ultras des FC Bayern äußern ihren Unmut. Das Verhältnis von Fußballfans zu Justiz und Polizei gilt als angespannt. © Thomas Bielefeld/Imago

Kurz vor der Bundestagswahl positionieren sich die Parteien in puncto Fan- und Freiheitsrechten. Bei den Antworten gibt es teils große Unterschiede - vor allem was die CDU betrifft.

München - Fußballfans unter strenger Beobachtung: Bayern führt „undurchsichtige Geheimdatei ein, titelte Merkur.de Mitte August. Der Freistaat hatte mit EASy GS eine umstrittene Fandatei ins Leben gerufen, mit der Stadionbesucher intensiver beobachtet werden können. Laut Fananwalt Dr. Andreas Hüttl ist die Datei verfassungswidrig und diene lediglich der weiteren Kriminalisierung von Fans. Auch der Dachverband der Fanhilfen vertritt diese Meinung und wehrt sich gegen entsprechende Dateien - nicht nur in Bayern.

Vor der anstehenden Bundestagswahl hat der Fanverband nun die im Bundestag vertretenen Parteien angefragt und nach ihren politischen Positionen zu Fan- und Freiheitsrechten in Deutschland befragt. Der Verein, der die Interessen von Fußballfans vertritt, schickte einen Fragebogen mit Aspekten rund um Interessen von Fußballfans an die Politik. Bis auf die AfD haben alle Parteien geantwortet. Die Antworten liegen Merkur.de vor und geben interessante Einblicke in die politischen Vorhaben nach der Bundestagwahl. Ein Überblick von der Kennzeichnungspflicht für Polizisten bis hin zur Vorratsdatenspeicherung und entsprechenden Fandateien.

Datei Gewalttäter Sport: mal mehr, mal weniger Reform - Linke will Datei abschaffen

Der Dachverband fragte die Parteien nach dem Nutzen der umstrittenen Speicherpraxis der „Datei Gewalttäter Sport“ (DGS), durch die gewaltbereite Fußballfans aus dem Verkehr gezogen werden sollen. Die CDU sieht in der DGS grundsätzlich ein „wesentliches Hilfsmittel für die Arbeit der Polizei“, zeigt sich gleichzeitig aber offen für „konstruktive Kritik“. Auch die SPD spricht von einem „sinnvollen Instrument“, will jedoch gewisse Bereiche hinterfragen, wie etwa den Aufnahmegrund in die Datei, die Speicherdauer oder Informationspflichten gegenüber den Betroffenen.

Die Datei Gewalttäter Sport (DGS)

Die in den 1990er-Jahren ins Leben gerufenen Datei Gewalttäter Sport soll das Stadionerlebnis sicherer machen und Störer eliminieren. Was in der Theorie positiv klingt, sorgt immer wieder für Kritik. Denn in der DGS werden auch nachweislich unschuldige Fans gespeichert. Es reicht schon eine Personalienfeststellung oder ein simpler Platzverweis am Rande eines Spiels, um in die Datei mitaufgenommen zu werden.

Weiterer Nachteil für Fans: Oft wird ihnen nicht einmal gesagt, dass ihre Daten gespeichert werden. Die ernüchternde Erkenntnis erfolgt beim nächsten Stadionbesuch oder im Urlaub. Denn auch an Grenzen wird teilweise auf die Datei zugegriffen.

Weitaus stärkere Reformen als die derzeitigen Regierungsparteien fordern FDP und Grüne. „Es ist nicht angemessen, dass Personen, die keine Gewalttaten begangen haben oder gegen die diesbezügliche Vorwürfe bereits ausgeräumt sind, in der Datei „Gewalttäter Sport“ erfasst sind“, meinen die Freien Demokraten.

Die Grünen fordern etwa eine proaktive Benachrichtigungspflicht der Polizei sowie einen unabhängigen Expertenbeirat. „Die Datei Gewalttäter Sport muss mindestens reformiert oder auch ganz abgeschafft werden“, sagte der bayerische Grünen-Landtagsabgeordnete Max Deisenhofer dahingehend Merkur.de. Die Linke will die Datei derweil als einzige Partei komplett abschaffen.

Kennzeichnungspflicht für die Bundespolizei: Nur die CDU will daran festhalten

Aktive Fanszenen fordern schon lange eine Kennzeichnungspflicht für Polizisten. „Der einzige rechtsfreie Raum ist eine Polizeiuniform - Kennzeichnungspflicht für Polizisten jetzt und auf Dauer“, plakatierten beispielsweise die Ultras des MSV Duisburg. Das Argument der fanatischsten Anhänger im Stadion: Wenn Polizisten schwieriger zu identifizieren sind, würden sie schneller zu Gewalt übergehen. Der Dachverband der Fanhilfen erklärt gegenüber Merkur.de: „Viel zu lange durften Polizisten unbehelligt im Dienst buchstäblich über die Stränge schlagen und mussten keinerlei Konsequenzen für ihr Verhalten fürchten.“ Es brauche Reformen.

SPD, FDP, Linke und Grüne befürworten grundsätzlich die Einführung einer Kennzeichnungspflicht. „Ohne Kennzeichen gibt es keine wirksame Kontrolle,“ schreiben die Grünen. Die CDU hält sie nicht für notwendig. Von Polizeibeamten ausgeübte Gewalt gegenüber Fußballfans kommt immer wieder vor. Laut einer Studie der Ruhr-Universität Bochum kommt jeder vierte Vorfall von Polizeigewalt aus dem Bereich Fußball. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass sich die oftmals als kriminelle Störer stigmatisiert gefühlten Ultras ebenso nicht immer an die Regeln halten. Die Beziehung von Ultras und Polizisten bleibt angespannt.

Unabhängige Aufarbeitung von Polizeigewalt: Forderung nach Bundespolizeibeamten

Der Dachverband der Fanhilfen fragte die Parteien auch nach einer bundesweiten unabhängigen Beschwerdestelle für Betroffene von Polizeigewalt. Die CDU sieht eine solche Stelle nicht für notwendig und verweist auf die „ausreichende Zahl von Beschwerdemöglichkeiten, von der Dienstaufsichtsbeschwerde bis hin zur Petition“. Die übrigen Parteien zeigen sich derweil offen für eine unabhängige Beschwerdestelle. SPD, Linke und Grüne sprechen von einem Bundespolizeibeamten, die FDP will eine Weiterentwicklung der Vertrauensstelle.

Videoüberwachung mit biometrischer Erkennung: Nur CDU dafür

In Fußballstadien wird bereits auf Videoüberwachung zurückgegriffen. Das soll der Gefahrenabwehr dienen und die Sicherheit für alle Stadionbesucher gewährleisten. Das aktuelle System reicht für SPD, FDP, Linke und Grüne aus und muss etwa nicht um die biometrische Erkennung erweitert werden. „Solche Formen der Videoüberwachung erzeugen ein Gefühl des permanenten Überwachtseins, dass in Widerspruch zum Recht des Einzelnen auf freie Entfaltung steht“, schreibt etwa die Linke.

Die CDU befürwortet einen Ausbau der Videoüberwachung und schreibt: „Kameras mit intelligenter Videosicherheitstechnik sind ein Baustein, um sichere Räume zu schaffen. Sie helfen unseren Polizistinnen und Polizisten.“ Zudem wolle die langjährige Regierungspartei „die Voraussetzungen dafür schaffen, dass die automatisierte Gesichtserkennung an bestimmten Gefahrenorten in Deutschland eingesetzt werden kann.“

VfB Stuttgart. Eine Überwachungskamera an der Mercedes Benz Arena in Stuttgart
Eine Überwachungskamera an der Mercedes Benz Arena in Stuttgart. Videoüberwachung spielt in Fußballstadien schon jetzt eine große Rolle. © Arnulf Hettrich/Imago

Vorratsdatenspeicherung: GroKo dafür - Opposition dagegen

Durch die Vorratsdatenspeicherung werden Kommunikationsanbieter dazu verpflichtet, gewisse personenbezogenen Daten ihrer Kunden zu speichern und zur Ermittlung bereitzustellen – allerdings auch ohne konkreten Anlass oder Tatverdacht. Das trifft auch Fußballfans. Die CDU sieht in der Vorratsdatenspeicherung „ein geeignetes Mittel, um in bestimmten Fällen Straftäter oder Tatstrukturen ermitteln zu können“. Auch die SPD ist grundsätzlich dafür, erkennt aber „ein schwieriges Spannungsverhältnis zwischen der Wahrung der Freiheitsrechte und Privatsphäre auf der einen und der Sicherheit und einer effizienten Strafverfolgung auf der anderen Seite.“

Die Opposition ist gegen die Vorratsdatenspeicherung. Die FDP lehnt „die anlasslose Speicherung personenbezogener Daten“ ab, da sie die Bevölkerung unter Generalverdacht stelle. Ähnlich argumentieren Linke und Grüne. Der Dachverband meint: „Fußballfans sind keine Versuchskaninchen, sondern mündige Bürgerinnen und Bürger. Willkürliche Maßnahmen wie die weitreichende und vielfach kritisierte Speicherung von persönlichen Daten müssen beendet werden.“

Bundestagswahl: Dachverband der Fanhilfen fordert drei Sofortmaßnahmen

Der Dachverband der Fanhilfen nennt drei Sofortmaßnahmen rund um den Stadionbesuch, die zügig von einer neuen Bundesregierung in Angriff genommen werden sollen. Die Datei Gewalttäter Sport müsse abgeschafft werden. „Reformen im bestehenden System helfen an dieser Stelle nicht mehr weiter, denn der Ball liegt schon im Toraus.“ Die vergangenen Monate hätten gezeigt, „wie undurchsichtig, absurd und willkürlich die Speicherungen über Fußballfans sind“.

Darüber hinaus fordert der Verein eine allgemeine Kennzeichnungspflicht für Polizisten sowie eine unabhängige Aufklärungsstelle für Polizeigewalt. Die anstehende Bundestagswahl bewertet der Dachverband als „wegweisend“. „Nach Jahren, in denen die Überwachungsinstrumente der Sicherheitsbehörden immer weiter ausgebaut, Fußballfans anlasslos gefilmt und in undurchsichtigen Dateien gespeichert sowie in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt wurden, braucht es unabdingbar eine Trendumkehr.“ (as)

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