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Wahlkampf von der Haustür bis ins Internet

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Plakate Bundestagswahl 2021
Sammelplakatständer mit Plakaten zu Kandidaten und Parteien gibt es derzeit vielerorts – wie hier in Unterschleißheim. © Gerald Förtsch

Der Countdown läuft bis zur Bundestagswahl am 26. September. Für ihren Wahlkampf mussten die Direktkandidaten aus dem Landkreis in diesem Jahr umdenken. Viel Bewährtes funktioniert wegen Corona nicht. Neue, digitale Formate sind gefragt.

Für die SPD ist Korbinian Rüger sportlich unterwegs. Ja, er fährt zu seinen Terminen quer durch den Landkreis auf dem Rennrad und hält eine hohe Termin-Taktung ein. Wer den 32-Jährigen treffen will, kann mit ihm bei Biergartengesprächen, Radtouren oder an Infoständen in Kontakt kommen. Seit Wochen ist der promovierte Uni-Dozent aus Planegg unterwegs und nutzt das öffentliche Parkett quasi auf jede Weise. Die Bürger können ihn online in Diskussionen erleben, zum Beispiel im Gespräch mit einem Ex-Mitarbeiter im Paketdienst über die Arbeitsbedingungen in der Lieferbranche. Um bekannter zu werden, sind ihm aber auch die klassischen Wege recht: Samstagmorgens ist er auf einen Kaffee am Infostand anzutreffen, geht bei Gesprächen über den Gartenzaun auf Menschen zu und klingelt auch an Haustüren, um einen Flyer zu überreichen. Seine Ortsvereine hat der Unterbezirk seit Mai aus dem „Corona-Schlaf“ geweckt, und seit Mitte August sieht man auch immer mehr Plakate von Korbinian Rüger. Wer einen Überblick über seinem Wahlkampf erhalten will, findet in den sozialen Medien wie Facebook und Instagram viele Hinweise auf einen fröhlich, tiefgründigen jungen Mann: Mit Slogans wie „Willkommen in der Zukunft“ und amüsanten Sprüchen nach dem Motto „Woran die SPD schuld ist: Mieterschutz“ weht einem da ein frischer Wind entgegen.

Feiner Honig für die Wähler

Die Corona-Krise ist für Florian Hahns Wahlkampf ein Nachteil. Für einen erfolgreichen Wahlkampf sei entscheidend, sagte der CSU-Direktkandidat im Juni, „dass man möglichst präsent beim Wähler ist“. Sie müssten sich von Kandidaten ein gutes Bild machen können. Der direkte Kontakt zu potenziellen Wählern wurde wegen der Corona-Abstandsregeln stark beschnitten. Das ist ein Nachteil für den Christsozialen. Vor der Pandemie sei Hahn ständig bei Bürgern, Institutionen, Vereinen und Volksfesten gewesen, sagte er. „ Das war immer ein Wettbewerbsvorteil.“ Der Kontakt war in den vergangenen eineinhalb Jahren fast nur online möglich. In den vergangenen Wochen ist Hahn wider vermehrt offline im Landkreis auf Stimmenfang. Spatenstich in Kirchheim, Jubiläum im Seniorenzentrum Neubiberg, Besuch bei der Frauen-Union Oberhaching: Der 47-Jährige hat auf Wahlkampf-Modus geschaltet. Hahn setzt dabei auch auf das Internet. Online-Diskussionen, Videos, soziale Medien: Keine Online-Plattform ist vor dem Bewerber aus Putzbrunn sicher. In sozialen Medien lockt Hahn mit „Edelstem Deutschen Honig“, zehn Gläser verlost er an Menschen, die seinen Post kommentieren. Das schafft Reichweite und Nähe zum Bürger – und nebenbei pflegt die Aktion das neue Öko-Image der Partei.

Wahlkampf-Höhepunkt im Kubiz

Toni Hofreiter (Grüne) aus Unterhaching ist seit Anfang August in den sieben Wochen bis zur Bundestagswahl permanent auf Tour – als Fraktionsvorsitzender im Bundestag agiert der Landkreis-Direktkandidat bundesweit. Derzeit fährt er mit dem Tour-Auto (natürlich elektrisch) – vier Wochen quer durch Deutschland und die zwei Wochen vor der Wahl ist er in Bayern. „Im Landkreis planen wir Infostände, Haustürwahlkampf, Flyer- und Wahlzeitung-Verteilung in die Briefkästen und viel Aktivität in den sozialen Netzwerken“, sagt Volker Leib aus Oberhaching, Toni Hofreiters Mitarbeiter im Wahlkampfteam. „Außerdem wurden mehr Großflächenplakate gebucht als früher.“ Veranstaltungen finden verstärkt im Freien statt, thematische Radltouren oder Spaziergänge. Einige Veranstaltungen in Sälen mit verschiedenen Referenten sind auch geplant – je nach Infektionsgeschehen. Das gilt auch für den Wahlkampfhöhepunkt im Landkreis, am 15. September hat Toni Hofreiter dafür das Kubiz in seinem Wohnort Unterhaching reserviert.

Viel digital unterwegs

Digitalisierung ist ein Kernthema der FDP. Das kam ihm auch während der Pandemie zugute. In den sozialen Medien fühlt sich Axel Schmidt seit Längerem heimisch, er ist besonders aktiv auf Facebook und Twitter. Unter anderem hat er mit „3 Fragen an Axel“ auf Facebook ein digitales Wahlkampfformat entwickelt. Ein Freund, ein Nachbar, ein Politiker, jemand aus der Wirtschaft stellt drei Fragen an ihn, er stellt zwei zurück. Vier große Podiumsdiskussionen hat die FPD im Landkreis veranstaltet mit Experten zu den Themen Bildung, Mobilität, Innovation und Digitales – wegen der Pandemie wurden alle im Internet übertragen. Zudem nimmt Axel Schmidt an allen Podiumsdiskussionen gemeinsam mit den Kandidaten der anderen Parteien teil. Daneben setzt die FDP auf Bewährtes: 4000 Plakate hängen in den Landkreisgemeinden, dazu hat die FDP 15 000 Info-Flyer drucken lassen. Bis zu 50 Infostände in den Gemeinden sind bis zur Wahl im September geplant. „Das Interesse der Bürger an den Ständen ist deutlich gestiegen“, sagt Schmidt. Von Haustürwahlkampf hält Schmidt indes nichts – „zu aufdringlich, die Leute sollen zu uns kommen und das tun sie auch.“ Das passiere verstärkt auch per E-Mail.

Selbst plakatiert

Für seinen Wahlkampf hat Gerhard Kisslinger (Freie Wähler) fast alle Plakate selbst geklebt, neben seinem eigentlichen Hauptberuf. „Wir fahren in jede Kommune des Wahlkreises, was natürlich ein paar Tage dauert“, berichtet Kisslinger. 400 bis 500 Plakate hängen bereits, insgesamt werden es am Ende wohl 800 bis 900 sein. Ansonsten postet Kisslinger auf Instagram und lädt ab und an Videos auf YouTube hoch. „Ich sage dabei aber immer, Weniger ist Mehr“, erklärt Kisslinger, der auch zahlreiche Fragen per Mail und Social Media beantwortet und an Podiumsdiskussionen wie der vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club teilnimmt. Komplett eigene Veranstaltungen plant der Direktkandidat auch wegen der Corona-Ausnahmesituation nicht, macht aber natürlich bei den Veranstaltungen der Freien Wähler am Samstag, 11. September in Ottobrunn und in Ismaning Mitte September mit.

Schwerpunkt auf Infoständen

Wahlkampf führt AfD-Kandidat Gerold Otten in erster Linie auf der Straße. „Wir setzen unseren Schwerpunkt auf die Infostände“, sagt der 65-Jährige. Man habe die Erfahrung gemacht, dass man dort am besten mit den Bürgern in den Dialog kommt. Außerdem sei wichtig, sich in der Öffentlichkeit zu zeigen. „Damit die Leute sehen, dass hinter der AfD Menschen stehen. Menschen wie du und ich.“ Andere Veranstaltungen zu organisieren sei wie vor vier Jahren schwierig, weil seine Partei kaum Räume findet. „Das ist eher noch schlechter geworden“, sagt Otten. Einige Kommunen hätten sogar ihre Satzung geändert, damit die AfD vor Wahlen keine kommunalen Räumlichkeiten mehr zur Verfügung gestellt bekommt. Das gelte zwar dann auch für die anderen Parteien, so Otten. Doch die hätten Ausweichmöglichkeiten. „Wir dagegen finden keine Wirte, die uns ihre Gasträume zur Verfügung stellen, weil die Angst haben, bedroht zu werden.“

Hauptsache, die Werbetrommel rühren

Bei der Kommunalwahl haben für Yannick Rouault etwa 250 Stimmen gefehlt, um als Gemeinderat für die ÖDP einzuziehen. Da dachte er sich: „Hätte ich nur ein bisschen mehr die Werbetrommel gerührt.“ Das wird ihm vor der Bundestagswahl nicht mehr passieren. „Wenn ich für den Bundestag kandidiere, dann richtig.“ Gerade auch in den Gemeinden, wo die ÖDP noch nicht so präsent ist, wollen er und seine Parteifreunde plakatieren und einen Infostand aufbauen, beispielsweise an Markttagen in den Gemeinden. Die Ortsvorsitzende Ursula Esau macht es vor. Mit ihren gut 90 Jahren ist sie noch im Viertel unterwegs und wirbt zu Fuß für ihre Ideen.

Wenig Zeit für den Wahlkampf

Für einen intensiven Wahlkampf fehlen der Linkspartei die Mitglieder und die Zeit. Direktkandidatin Katinka Burz aus Kirchheim arbeitet Vollzeit als Kinderpflegerin. Am Wochenende steht das Plakatieren an. Infostände will sie gemeinsam mit fünf bis sechs anderen Genossen organisieren und auch Flyer verteilen. Die kleine Truppe engagiert sich mit ihr im Landkreis. „Wir stimmen uns ab, wo wir Zeit und Kapazitäten haben, aber viele arbeiten so wie ich Vollzeit.“

Ausführliche Informationen rund um die Bundestagswahl 2021 finden sich hier. Dort wird auch erklärt, wie die Wahl genau funktioniert und die Parteien werden vorgestellt. Im Bayernressort findet sich ein Überblick über die 46 Wahlkreise und die Direktkandidaten und wo man am Wahlabend die Ergebnisse finden kann.

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