Falls Lindner Finanzminister wird: Habeck hat schon einen Plan B - es wäre ein Novum
Während der Sondierungen wird bereits um Ministerposten spekuliert. Eigentlich wollte Grünen-Chef Habeck Finanzminister werden, doch das Amt könnte an die FDP gehen. Was dann?
Berlin - Die Grünen und die FDP werden aller Voraussicht nach in der neuen Regierung beteiligt sein. Aktuell sondieren beide Parteien über mögliche Koalitionen. Erst untereinander und dann mit den potenziellen Partnern von SPD und CDU/CSU. Während sich die Freien Demokraten unabhängig von etwaigen Bedenken leicht mit einer Jamaika-Koalition mit der Union anfreunden könnten, favorisieren die Grünen ein Ampel-Bündnis mit der SPD. Die Ampel-Konstellation mit dem Wahlsieger SPD gilt aktuell als wahrscheinlichste - auch, weil die Union mehr mit sich selbst als mit dem Sondieren beschäftigt scheint.
Bundestagswahl: Lindner will Finanzminister werden - „soll das ein Robert Habeck sein?“
Im Falle einer Ampel müssten der FDP aber wohl Zugeständnisse gemacht werden. Das kann programmatische Punkte wie etwa die Steuerpolitik betreffen, trifft aber mitunter auch auf Ministerposten zu. So schielt Parteichef Christian Lindner schon lange aufs Finanzministerium. Im ARD-Sommerinterview vor der Bundestagswahl brachte er sich gar selbst ins Spiel und fragte mit Blick auf die Besetzung des Finanzministers: „Soll das ein Robert Habeck von den Grünen sein - er will die Schuldenbremse aufweichen, er will die Steuern erhöhen, er hat eine Orientierung nur auf öffentliche Investitionen -, oder soll das ein Minister der FDP sein?“ Lindner sei bereit, das Amt zu übernehmen. Interesse am Finanzministerium hat allerdings auch ebenjener Robert Habeck.
Die Grünen versprechen sich vom Finanzministerium mehr Macht, um ihre steuerpolitischen Ideen samt ökologischer Transformation durchzubringen. Habeck gilt seit Monaten als Topfavorit auf den Posten. Es kursiert zudem die These, dass Habeck oder Lindner mit dem Finanzministerium vertröstet werden könnten, falls die favorisierte Koalition nicht zustande kommt. Heißt: Habeck wäre Finanzminister in einer Jamaika-Koalition, Lindner bei einer Ampel. Was aber wird aus Habeck, sollte Lindner nun tatsächlich Finanzminister werden?
Bundestagswahl: Habecks Plan B - Grünen-Parteichef als Innenminister?
Grundsätzlich wird Habeck als möglicher Vizekanzler gehandelt. Der gebürtige Lübecker würde Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock dann auf den ersten Blick ins Abseits stellen, doch auch die grüne Co-Chefin soll ein wichtiges Ministerium leiten. Sie wird als Umwelt- oder gar Außenministerin gehandelt. Welches Ressort aber leitet Habeck neben dem Amt als Vizekanzler? Nicht selten wird der Vizekanzler mit dem Finanzministerium betraut, so etwa SPD-Mann Olaf Scholz. Laut Informationen der taz hat Habeck aber bereits einen Plan B: Das Innenministerium.
Die Zeitung beruft sich auf Parteikreise. Demnach beschäftigt sich Habeck „intensiv“ mit dem für die Grünen eigentlich untypischen Ministerium, das der (Noch-)Innenminister Horst Seehofer (CSU) um die Bereiche Bauen und Heimat erweitert hat. Die Grünen würden darin eine Möglichkeit sehen, ihren Bezug zu Patriotismus stärker in den Vordergrund zu rücken. Darüber hinaus ist das Innenministerium gleichzeitig das Verfassungsministerium. Die Grünen könnten Bürger- und Freiheitsrechte lenken. Jüngst sprach sich die Partei dabei für einen deutlich liberaleren Kurs als etwa die Union aus. Habeck als Innenminister wäre zudem ein Novum: In der Geschichte der Bundesrepublik gab es noch keinen grünen Innenminister - weder im Bund noch in den Ländern.
Die letzten fünf Bundesinnenminister
seit 2018: Horst Seehofer (CSU)
2013-2018: Thomas de Maiziere (CDU)
2011-2013: Hans-Peter Friedrich (CSU)
2009-2011: Thomas de Maiziere (CDU)
2005-2009: Wolfgang Schäuble (CDU)
Bundestagswahl: Lindner und die Ampel - vom „fiktiven Szenario“ zum realistischen Bündnis samt Ministerposten
Habeck wurde zudem als Minister eines möglichen Klimaministeriums gehandelt. Die Grünen hatten ein solches Ministerium ins Spiel gebracht. Es solle sogar ein Vetorecht gegenüber den anderen Ressorts bekommen, wenn Gesetze nicht vereinbar mit den Pariser Klimaschutzzielen sind. Sollte es dazu kommen, würden die Grünen das Ministerium gewiss für sich beanspruchen. Für das Amt kommt dann auch Baerbock infrage. Die politische Macht wäre in diesem Ministerium - auch mit einem Vetorecht - jedoch deutlich geringer als etwa im Innenministerium. Oder im Finanzministerium, das nun wohl an Lindner geht.
Von internationalen Medien wird Lindner bereits als „The Next Big Player in the Global Economy“, der nächste einflussreiche Politiker in der Weltwirtschaft, beschrieben. „Drei Deutsche kandidierten für die Nachfolge von Angela Merkel“, schreibt etwa Foreign Policy* - „aber es ist jemand anderes, der am Ende den größten Einfluss haben könnte.“ Dass Lindner Finanzminister wird, ist derzeit gut möglich - wenn auch unter gänzlich anderen Voraussetzungen als er es noch vor wenigen Wochen in selbem Sommerinterview prognostiziert hatte. Der Spitzenkandidat seiner Partei schwärmte nicht nur von „Jamaika“, sondern gar von einem schwarz-gelben Zweierbündnis mit der Union. Eine Ampel bezeichnete Lindner als „fiktives Szenario“ für das ihm die „Fantasie“ fehle. Zeiten ändern sich, in diesen schnelllebigen politischen Tagen und Wochen. (as) *Foreign Policy ist ein Partner von Merkur.de