Laschet bleiben noch drei Trümpfe - und Scholz muss seine Nervenstärke fürchten

Scholz hat sich verzockt. Jetzt könnte es Laschet doch noch ins Kanzleramt schaffen. Die Wähler brauchen eventuell viel Geduld bis klar ist, wie das Pokern um die Macht ausgeht. Ein Kommentar von Merkur-Chefredakteur Georg Anastadiadis.
München - Scholz-o-mat nennen sie ihn in der SPD gern, halb spöttisch, halb ehrfurchtsvoll. Olaf Scholz, der Unbewegte, der sich kaum mal eine Gefühlsregung anmerken lässt. Und doch sieht es so aus, als habe sich das Pokerface am Ende eines nahezu genial geführten Wahlkampfs verzockt: Der SPD-Kanzlerkandidat wollte, um sich eine optimale Verhandlungsbasis für Koalitionsgespräche zu schaffen, ein rot-rot-grünes Regierungsbündnis partout nicht ausschließen – und lieferte der scheintoten Union damit einen Wahlkampfknaller frei Haus. CDU und CSU mitsamt ihrem farblosen Kanzlerkandidaten Armin Laschet bewahrte das auf den letzten Metern wenigstens noch vor dem völligen Untergang. Ob damit der Wahltriumphator Scholz ins Kanzleramt einzieht oder ob der Wahlverlierer Armin Laschet doch noch seine Chance nutzt, werden die Bundesbürger wohl erst in Monaten wissen.
Bundestagswahl 2021: Eigentlich ist die Union nach 16 Jahren Merkel bankrott
Schon richtig: Eigentlich ist die Union nach 16 Jahren Merkel bankrott, programmatisch entkernt, personell entleert und dazu noch tief zerstritten. Die einst stolze Volkspartei ist fertig, und nur die (berechtigte) Sorge vieler Wähler, dass es unter Rot-Rot-Grün noch viel schlimmer gekommen wäre, hält sie vorerst im Spiel. Unvergessen wird nicht nur Laschets Hilflosigkeit als Wahlkämpfer bleiben, sondern auch Söders Schmutzeleien gegen den eigenen Spitzenkandidaten. Doch was ihm an Charisma fehlt, machte Laschet bis jetzt immer mit Nervenstärke wett. Genau darauf wird es jetzt im Ringen um Partner für eine Dreierkoalition ankommen. Schafft Scholz die Ampel mit Grünen und FDP – oder zimmert Laschet Jamaika? Drei Trümpfe hält der Aachener in der Hand. Der erste: FDP-Chef Christian Lindner, der in der Wahlschlacht deutlich an Format gewonnen hat, steht fest an seiner Seite. Dagegen ließ Grünenchef Robert Habeck schon gestern Abend mit Äußerungen aufhorchen, wonach für ihn ein Bündnis mit der SPD nicht gesetzt sei. Der zweite: Auch Unionsfreund Söder, der Laschet zu gern noch am Wahlabend weggeputscht hätte, um den bayerischen Landtagswahlkampf 2023 gegen eine links geführte Bundesregierung in Berlin führen zu können, zwingt das überraschend knappe Ergebnis (zumindest vorerst) an Laschets Seite. Einen Dolchstoß in den Rücken des noch sondierenden CDU-Chefs würde ihm nicht mal die eigene CSU verzeihen. Das wäre offener Verrat.
Und, drittens: Scholz muss jetzt mit dem strategischen Nachteil leben, dass die Wähler die von ihm unter hohen politischen Kosten verteidigte rot-rot-grüne Option vom Tisch gefegt haben. Er kann die Liberalen in Koalitionsgesprächen nicht wie erhofft mit der Drohung erpressen, es sonst eben mit den Linken zu versuchen.
Der SPD-Kanzlerkandidat hat für sein trotziges Festhalten an Rot-Rot-Grün teuer bezahlt. Und am Ende nichts damit gewonnen. Stattdessen bastelt der bereits besiegt geglaubte Widersacher Armin Laschet munter an Jamaika.