SPD-Mann Stegner kassiert Lauterbachs Koalitions-Versprechen – und hat bittersüßen Dank an Söder

Der einstige SPD-Vize Ralf Stegner kämpft um den Einzug in den Bundestag. Im Merkur.de-Interview spricht er über die Ausgangslage vor der Wahl sowie über Koalitionen und Posten nach der Wahl.
München – Knapp 40 Jahre ist Ralf Stegner mittlerweile Mitglied der SPD, bis 2019 war er stellvertretender Vorsitzender, eine Kandidatur zum Chef der Sozialdemokraten scheiterte. Doch Stegners Karriere ist mit 61 noch nicht am Ende. Der langjährige Fraktionsvorsitzende der SPD in Schleswig-Holstein will nun in den Bundestag. Für seine Partei geht es in den letzten Tagen vor der Bundestagswahl um mehr. Ihr Kandidat Olaf Scholz greift nach dem Kanzleramt.
Die Union kommt der SPD in Umfragen wieder näher. Geht jetzt das große Zittern los?
Nein. Erstens ist das Näherkommen ja relativ. Wir sind in den Umfragen ja stabil geblieben. Und wenn Sie bedenken, wo wir gestartet sind – bei 14 Prozent – sieht das gut aus und in der Kanzlerfrage stehen wir ohnehin gut da. Aber es war immer klar, wir müssen bis zum Schluss kämpfen. Ich bin zuversichtlich.
Überrascht Sie die Pole-Position der SPD?
Wir hatten gehofft, dass die Kanzlertauglichkeit eine Rolle spielen wird. Und das hat es auch. Überraschend war eher, dass die Konkurrenz uns nach Mühen unterstützt hat. Wir waren deutlich geschlossener. Markus Söder hat Armin Laschet ja jeden Tag gepiesackt. Das erklärt sicherlich einen Teil der Trends.
Hat man aber nun auf den letzten Metern eigene Fehler begangen – etwa, dass Ihr Kanzlerkandidat Olaf Scholz doch zu inkonkret gewesen ist, was Themen wie den Klimaschutz angeht?
Was Laschet zum Thema Klimaschutz zu bieten hat, ist von gestern. Wir wollen die Industriegesellschaft ökologisch umbauen, und gemeinsam mit den Grünen wird uns das gelingen. Viele schwanken zwischen Rot und Grün, wie ich höre. Wir wollen die Industrie nicht schwächen, sondern Arbeitsplätze sichern.
Auf was kommt es nun im Endspurt an, welche Wählergruppen müssen noch überzeugt werden?
SPD steht für anständige Arbeit, sichere Renten und den Mindestlohn von 12 Euro. Das betrifft Millionen Menschen. Auch das Thema Mieten steht weit oben. Die Konkurrenz will bauen und es den Markt regeln lassen. Doch der Markt hat total versagt. Wir stehen für die Mitpreisbremse…
Die kaum funktioniert …
Die Mietpreisbremse löst nicht alles, aber sie hat schon geholfen. Mieten zu senken wird schwierig werden, aber dass sie nicht steigen, dafür steht die SPD ein.
Stegner über Scholz‘ Ähnlichkeit mit Merkel
Sie kennen Olaf Scholz schon viele Jahre. Wie ist Ihr Verhältnis?
Wir haben viele Jahre gut zusammengearbeitet, sind nicht immer einer Meinung, aber unterstützen und schätzen uns gegenseitig.
Was ist Scholz für ein Typ? Viele sehen Ähnlichkeiten zu Kanzlerin Merkel.
Er hat eine große Regierungserfahrung, strahlt Ruhe und Besonnenheit aus. Es gab die These, Merkel hat die Union sozialdemokratisiert – das finde ich falsch. Und doch haben viele Menschen Merkel deswegen gewählt. Viele von ihnen gehen jetzt zu Scholz. Zumindest sagen das die Leute auf den Straßen.
Scholz sieht unheimlich schlank aus im Vergleich zu vor ein paar Monaten. Wieso hat er so viele Kilo verloren?
Wenn Sie einen Wahlkampf so machen wie er, dann nimmt man nicht zu. Das ist sicherlich dem Stress und dem Marathon geschuldet. Und dazu ist er ein sehr disziplinierter Mensch.
SPD-Mann Stegner kassiert Lauterbachs Koalitions-Aussage
Karl Lauterbach sagt, wer Scholz kenne, der wüsste, dass es mit ihm niemals Rot-Grün-Rot geben werde. Stimmen Sie da zu?
Unsere Wunschvorstellung ist, dass Rot-Grün kommt. Ansonsten werden wir mit allen anderen Parteien außer der AfD sprechen. Wir haben mit den Linken einen Dissens in Sachen Außen- und Europapolitik, sind fundamental anderer Ansicht in Sachen Steuern und Wirtschaft mit der FDP. Aber diese Fragen stellen sich erst nach der Wahl. Wir werden den anderen nicht den Gefallen tun und uns einseitig festlegen. Wir haben klare Grenzen nach rechts, was die Union nicht sagen kann. Dort schafft es Laschet nicht einmal die Causa Maaßen zu regeln. Es herrscht Panikstimmung bei der CDU, das merkt man. Sollten sie in den ostdeutschen Bundesländern hinter der AfD zurückbleiben – dann ist da die Hölle los.
Von 2005 bis 2008 waren Sie Innenminister des Landes Schleswig-Holstein. Sie sollen für selbiges Amt nun im Bund zur Debatte stehen. Hat es schon Gespräche gegeben?
Jeder, der sich vor der Wahl damit beschäftigt, wird danach sicher nichts. Ich will mein Mandat gewinnen. Alles andere klärt sich dann. Aber Menschen spekulieren, das schadet nicht. Das unterscheidet uns aber von der Union. Dort stellt Laschet schon sein Schattenteam vor. Ob es hilft, das Fell des Bären schon vorher zu verteilen, halte ich für fraglich.
Eine Rückkehr von Ex-Parteichefin Andrea Nahles sei nicht abwegig, wird gemauschelt.
Das habe ich auch gehört, aber das gehört zu den vielen Spekulationen. Sie hat sich sehr zurückgehalten in der Öffentlichkeit. Aber dass sie etwas kann, daran besteht kein Zweifel.
Aber Lauterbach dürfte als Gesundheitsminister gesetzt sein?
Er hat unglaublich viele Fans aber auch harte Gegner. Auch für ihn gilt: Wahlen gewinnen und dann wird das Bärenfell verteilt.
Sie waren vor nicht allzu langer Zeit SPD-Vize. Streben Sie eine Rückkehr an die Parteispitze an?
Es geht aktuell nicht um die Frage, was wird aus mir. Ich bin in der komfortablen Situation, dass ich schon viel erreicht habe. Wir werden sehen.