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Was der „stabile Umfrage-Trend“ für CDU und Grüne sagt - und wer bei welchem Institut gut wegkommt

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Von: Florian Naumann

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Armin Laschet geht an einem Wahl-Plakat von Grünen-Chefin Annalena Baerbock vorbei
Grüne oder Union - wer macht das Rennen bei der Bundestagswahl? © Jens Schlüter/AFP

Der bekannte Daten-Experte David Kriesel möchte „jenseits der Kreischerei“ Umfrage-Trends vor der Bundestagswahl aufzeigen. Das Ergebnis ist aufschlussreich.

Berlin/Bonn - Ein eigentümlicher Wahlkampf spielt sich dieser Tage ab: Noch vor einigen Wochen schienen Armin Laschet (CDU) und Annalena Baerbock (Grüne) die einzigen ernstzunehmenden Anwärter auf die Nachfolge Angela Merkels zu sein - seither liefern sich die beiden Parteispitzen eine Art Fettnäpfchen-Wettlauf. Die Folge scheinbar: Heftige Umfrage-Schwankungen und Einbrüche am laufenden Band. Und ein SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz unangefochten an der Spitze der Kanzler-Umfragen.

Doch abgesehen von den regelmäßigen Knicks und Kratern in den Umfrage-Kurven der großen Parteien: Wie entwickelt sich die Stimmung der Wahlberechtigten in den Sonntagsfragen? Der bekannte Informatiker und Datenanalyst David Kriesel geht auf seiner Webseite dieser Frage fortlaufend auf den Grund. Explizit mit dem Ziel, die tagesaktuelle demoskopische Aufregung auszublenden. Das Ergebnis sind einige durchaus bemerkenswerte Kurven - und ein Einblick in Ausreißer-Ergebnisse der einzelnen Institute für bestimmte Parteien.

Umfragen vor der Bundestagswahl: Daten-Experte sucht „stabilere Trends“ im Sonntagsfragen-Dschungel

Kriesel - der 2013 durch das Aufdecken eines Scanner-Bugs beim Branchenriesen Xerox bekannt geworden war - greift in seinem Blog bei der Aufbereitung der Umfragedaten einiger der größten Meinungsforschungsinstitute zu einem Statistik-Kniff: Er glättet eine Kurve aus den Ergebnissen aus jeweils gut zwei Wochen. Jeder Punkt des Graphen entlang der Zeitachse berücksichtigt dabei die Sonntagsfragen der vorausgegangenen und der darauffolgenden Woche - Ausnahme ist natürlich der Verlauf für die jeweils jüngsten sieben Tage; hier kann schließlich noch nicht auf die volle Menge an sieben Folgetagen zurückgegriffen werden.

„Einzelne Datenpunkte wiegen relativ wenig, vielmehr sieht man stabilere Trends“, erklärt Kriesel selbst auf seiner Homepage. Das Resultat ist ein Überblick über die Entwicklung über die längerfristige Entwicklung und mehrere Institute hinweg. Klar erkennbar ist in der Rückschau auf die 90 Tage ab Mitte Mai etwa: Grüne und Union starteten kurz nach Kanzlerkandidaten-Kür etwa gleichauf - und weit vor der SPD. Mittlerweile nähern sich die Kurven nach einem Zwischenhoch von CDU und CSU wieder an. Und zwar alle drei. Doch das liegt kaum an einem Erstarken von Baerbocks Grünen.

Bundestagswahl: Umfrage-Entwicklung für Union, SPD, Grüne - Kurve für Laschets Wahlkämpfer zeigt nach unten

Die Mittelwert-Kurve zeigt: Mitte Juli war die Union so weit enteilt wie seit Jahresanfang nicht mehr. Seither sind die Werte für Laschet und Co. wieder im Sinkflug. Zur Erinnerung: Just Mitte Juli war das verheerende Hochwasser über Teile Westdeutschlands hereingebrochen. Armin Laschets Krisenmanagement geriet schnell in die Kritik. Unvorteilhafte Fotos des Kanzlerkandidaten aus dem Krisengebiet taten mutmaßlich ihr Übriges zum Umfrage-Einbruch.

Die Grünen hingegen hatten schon seit Anfang Mai schwer zu kämpfen - wohl auch wegen der kontinuierlichen Negativ-Nachrichten um Annalena Baerbock. Bis Mitte, Ende Juli sinkt die Mittelwertkurve, zwar nicht kontinuierlich, aber doch in der Tendenz deutlich, unter 20 Prozent. Erst seitdem gibt es leichten Aufwind zurück in Richtung dieser Marke.

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Der eigentliche Gewinner ist aber die SPD. Selbst in der gemittelten Kurve wird ein recht plötzlicher Aufwärtstrend deutlich: Noch im Mai sank die Sonntagsfragen-Zustimmung für die Sozialdemokraten tendenziell weiter ab - trotz beginnender Grünen-Misere. Vor allem seit Ende Juli steigt nun die Hoffnung der SPD-Wahlkämpfer. In Kriesels Überblick seit der Bundestagswahl 2017 wird erkennbar: Die Partei liegt auch abseits aller Umfrage-Ausreißer so gut im Rennen wir seit Anfang 2018 nicht mehr. Eigentlich sind ihre Kanzleramts-Chancen sogar noch wesentlich besser als damals. Denn zu diesem Zeitpunkt lag die Union deutlich über 30 Prozent.

Auch einen weiteren Gewinner des Corona- und Hochwasser-Jahres 2021 zeigt der Sonntagsfragen-Überblick - die FDP. Praktisch das gesamte Jahr 2020 über krebsten die Liberalen wenige Prozentpunkte oberhalb der Fünfprozenthürde. Seit Frühjahr kraxelten die gemittelten Umfragewerte bis über die Zehnprozentmarke. Interessanterweise scheint diese Tendenz im Überblick ziemlich stabil. Unabhängig davon, ob gerade Union oder Grüne im Sinkflug begriffen sind.

Umfragen zur Wahl: Zahlen der Institute im Vergleich - Forsa-Erhebungen bewerten SPD eher niedrig

Zuguterletzt vermittelt die Auswertung des Informatikers auch noch eine weitere Erkenntnis: Sie verzeichnet neben dem Mittelwert auch die einzelnen Ergebnisse der Institute - und veranschaulicht, welche Meinungsforscher für welche Partei immer wieder einmal deutlich höhere oder auch niedrigere Werte messen als es die Mittelung aller Sonntagsfragen rund um das Veröffentlichungsdatum ergibt.

Auffällig scheint etwa, dass das Institut Allensbach die Union immer wieder spürbar höher taxiert als die Konkurrenz. Die Grünen kommen hingegen offenbar im „Politbarometer“ des ZDF bisweilen überdurchschnittlich gut weg, bei Insa eher schlecht. Dort rangiert wiederum die SPD häufig besonders hoch. Emnid tendierte zuletzt offenbar dazu, ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Schwarz und Grün zu attestieren, wo die Konkurrenz tendenziell wesentlich größeren Abstand maß.

Nicht zu erkennen ist derweil die SPD-Nähe, die bisweilen den Demoskopen von Forsa vorgeworfen wurde - im Gegenteil, die Meinungsforscher um Institutsgründer Manfred Güllner ermitteln offenbar oft niedrigere Werte für die Sozialdemokraten als es die Mittelungen ergeben. Eher niedrige Werte erheben sie übrigens häufig auch für die AfD und bisweilen die Linke.

In seiner Darstellung hat Kriesel die Institute Allensbach, Dimap, Emnid, Forsa, GMS, Insa, Ipsos, Politbarometer, Yougov berücksichtigt. Aus ihren Sonntagsfragen ergeben sich den Angaben zufolge auch die dem Kurvenverlauf zugrundeliegenden Werte; ausgehend von der Datensammlung der Webseite wahlrecht.de. (fn)

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