Union zerlegt sich selbst: Laschet nimmt Stellung, dann stellt Söder ihn komplett bloß
Die Sondierungsgespräche laufen. Eine besonders auffällige Rolle nimmt dabei die CDU/CSU ein, die sich vor aller Augen scheinbar selbst zerlegt.
München - Die Stimmung in den Reihen der Unionsparteien als frostig zu beschreiben, klingt fast schon wie ein Understatement. Elf Tage nach dem schlechtesten Wahlergebnis ihrer Geschichte hofft die CDU/CSU weiter auf eine Regierungsbeteiligung, allen voran Parteichef und Kanzlerkandidat Armin Laschet. Während SPD, Grüne und FDP scheinbar zielsicher auf die Regierungsbildung zusteuern, manövriert sich die Union mehr schlecht als recht durch die Sondierungsgespräche. Eine drastische Aussage von Markus Söder könnte das Fass nun endgültig zum Überlaufen bringen.
Sondierungsgespräche: Laschet hofft, Söder mit klaren Worten
Die Union respektiere , dass es jetzt Gespräche zwischen SPD, Grünen und FDP gebe, sagte Laschet am Mittwoch in Düsseldorf. „Die Ausgangslage für eine neue Bundesregierung ist seit dem 26. September klar: Wir liegen auf Platz 2.“ In den vergangenen Tagen habe die Union Sondierungen mit FDP und Grünen geführt. „Und die FDP hat signalisiert, dass es in sehr, sehr vielen Punkten Übereinstimmung gibt mit der Union.“ Laschet betonte: „Wir stehen bereit als Gesprächspartner, CDU und CSU.“
Keine zehn Minuten später sorgt dann ein gänzlich anderes Statement für ein Beben innerhalb der früheren Regierungsparteien. „Wir haben jetzt endlich Klarheit“, beginnt CSU-Chef Markus Söder seine Pressekonferenz. Die Entscheidung der Grünen und der FDP bezeichnet der bayrische Ministerpräsident als „de-facto-Absage an Jamaika. Wir bedauern die Entscheidung von Grünen und FDP.“
Eine erste große Watschn gegen seinen eigentlich Vorgesetzten, doch Söder denkt nicht an Zurückhaltung. CDU/CSU dürften sich nicht in eine „Dauer-Wartestellung“ begeben, das habe schließlich auch mit „Selbstachtung und Würde der Union“ zu tun. Man müsse sich nun mit der „Realität konfrontiert sehen, dass es eine Regierung ohne die Union geben wird“, befindet Söder klar und deutlich.
Armin Laschet in der Kritik: Unterstützung für Söder aus der CSU
Rückendeckung erhält der CSU-Chef aus seiner eigenen Partei. Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sieht eine „hohe Wahrscheinlichkeit“, dass die Verhandlungen von SPD, Grünen und FDP über ein Ampel-Bündnis Erfolg haben. „Der Ampel-Zug wird sein Ziel erreichen“, merkte Dobrindt im Hinblick auf eine wahrscheinliche Koalition aus SPD, FDP und Grünen an. „Wir akzeptieren das“, so der CSU-Politiker.
Auch der frühere Verkehrsminister sieht die Union in der Oppositionsrolle im Bundestag: „Wir müssen uns darauf vorbereiten, dass wir in dieser Legislaturperiode als Oppositionsfraktionen arbeiten müssen.“
Sondierungen nach der Bundestagswahl: Jamaika-Koalition noch nicht vom Tisch
Die wochenlangen Sticheleien zwischen Söder und Laschet finden an diesem denkwürdigen Mittag ihren Höhepunkt. Während der Kanzlerkandidat noch etwas Hoffnung für eine Regierungsbildung streut, zieht der bayrische Ministerpräsident einen klaren Schlussstrich unter eine mögliche Jamaika-Koalition. Söders klare Worte sorgen vor allem bei den anderen Parteien für wenig Verständnis.
„Ohne die permanenten CSU-Blutgrätschen gegen Armin Laschet könnten wir morgen Sondierungsgespräche für eine Jamaika-Koalition beginnen“, schreibt der FDP-Abgeordnete Konstantin Kuhle auf Twitter. Eine eindeutige Absage zu Sondierungsgesprächen steht sowohl von der FDP als auch von den Grünen noch aus, allerdings deutet derzeit nichts auf solche Treffen hin. Zu harmonisch verliefen die bisherigen Termine der anderen Parteien.
Beben nach der Bundestagswahl: CDU/CSU blicken in ungewisse Zukunft
Es bleibt abzuwarten, wie sich der Streit in den Unionsparteien weiter entwickeln wird. Sollte Laschet in den kommenden Tagen oder Wochen die Konsequenzen des schlechten Wahlergebnisses ziehen und zurücktreten, dürften einige Beobachter auf die Aussagen des CSU-Chefs verweisen. Die Uneinigkeiten zwischen CDU und CSU sind nicht mehr von der Hand zu weisen und könnten die beiden Parteien noch weiter aus dem Gleichgewicht bringen.
So oder so stehen dem politischen Berlin aufregende Zeiten bevor. Die Macht der langjährigen Regierungsparteien bröckeln und könnten zu einer Neuausrichtung der Union führen. Zwei Pressekonferenzen innerhalb weniger Minuten könnten dafür schon reichen. Für Donnerstag (7. Oktober) ist zudem eine Sondersitzung der Unionsfraktion angesetzt. Wir dabei Laschets Aus besiegelt?