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Angst vor Terror: China geht öffentlich auf Taliban zu - Enthaltung im UN-Sicherheitsrat zu Afghanistan

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Von: Christiane Kühl

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Suhail Shaheen, Sprecher der Taliban, auf einer Pressekonferenz im Juli 2021
Taliban-Sprecher Suhail Shaheen sagte China eine Kooperation zu - doch der militärische Flügel könnte das anders sehen. © Dimitar Dilkoff/afp

China fürchtet nach der Machtübernahme der Taliban eine Zunahme islamistischer Terroranschläge. Peking akzeptiert daher die Regierung der Radikalislamisten. Eine offizielle Anerkennung ist das aber noch nicht.

Peking/Kabul/München - China gilt als einer der geopolitischen Gewinner der neuen Verhältnisse in Afghanistan. Neben Russland werde die Volksrepublik künftig die Konfliktregion um das Land am Hindukusch dominieren, so sehen es viele Experten im Westen. China* hat indes ganz andere Sorgen. Es fürchtet eine Zunahme des Terrors gegen seine Landsleute - sowohl in seiner eigenen, islamisch geprägten Region Xinjiang, als auch bei seinen vielen Bauprojekten der Neuen Seidenstraße* in Pakistan. Peking sieht daher keine andere Wahl, als sich mit den Gotteskriegern zu arrangieren. Eine diplomatische Anerkennung ihrer Regierung in Kabul will China allerdings ebenso wie Russland von ihrem künftigen Benehmen abhängig machen.

China startete seine realpolitische Herangehensweise mit einer Charme-Offensive Richtung Kabul. „Das afghanische Volk steht an einem neuen Ausgangspunkt für Frieden und Wiederaufbau“, sagte Wang Wenbin, ein Sprecher des Pekinger Außenministeriums, am Dienstag. Es habe sich von der militärischen Besatzung durch das Ausland befreit. Die Taliban werden dies gerne hören. Auch enthielt sich China - ebenso wie Russland - Anfang der Woche zu einer UN-Resolution zu Afghanistan. Der UN-Sicherheitsrat fordert darin, dass die Taliban allen Menschen, die das Land verlassen wollten, eine reibungslose Ausreise ermöglichen. Auch müssten sie humanitären Helfern Zugang nach Afghanistan gewähren und die Menschenrechte insbesondere von Frauen und Mädchen achten.

China: Enthaltung im UN-Sicherheitsrat zu Afghanistan - Vorwürfe an USA

Russland* gab als Grund für die Enthaltung an, dass die Resolution nicht klar genug eine Abkehr der Taliban vom Terrorismus fordere. Chinas stellvertretender UN-Botschafter Geng Shuang äußerte sich dazu nicht direkt, aber gab dem hastigen Abzug der USA nach einem Bericht der South China Morning Post schon einmal vorab die Schuld für den Fall, dass der Terror in der Region wieder zunehme: „Der überstürzte Abzug ausländischer Truppen dürfte verschiedenen Terrororganisationen Gelegenheiten zu einem Comeback bieten“, sagte Geng.

Zugleich forderte er im Sicherheitsrat, dass die Tötung von Zivilisten durch die Besatzungstruppen untersucht werden müssten. Dazu gehörten „die kriminellen Aktivitäten der Streitkräfte aus Australien und den USA“ sowie die „wahllose Tötung von Zivilisten“, so Geng auf der Sitzung am Montag. Mit Australien hatte China sich Ende 2020 einen wütenden Schlagabtausch geliefert, nachdem Außenamtssprecher Zhao Lijian auf Twitter ein offenbar gefälschtes Bild gepostet hatte, das angebliche Kriegsverbrechen australischer Soldaten in Afghanistan zeigte. Canberra forderte damals – vergeblich – eine Entschuldigung. Trotz allem halten Beobachter eine Kooperation der USA und China zu Afghanistan aber für möglich. 

China: Große Sorge um die Sicherheitslage - militärischer Flügel der Taliban als Unsicherheitsfaktor

Und das liegt vor allem daran, dass China - auch wenn es nach außen derzeit anders erscheint - große Sorge wegen der Sicherheitslage in der Region* hat. In den letzten Wochen häuften sich bereits kleinere Anschläge gegen Chinesen und chinesische Bauprojekte in Pakistan. Medien in der Region warnen davor, sich auf Zusagen des politischen Flügels der Taliban zu verlassen. Sprecher Suhail Shaheen etwa hatte China eine Zusammenarbeit zugesagt und gelobt, sein Land nicht zum Hort von Terroristen werden zu lassen. Doch der militärische Arm der Taliban besteht demnach aus kampfbereiten Hardlinern, die China nicht unbedingt als Freund sehen - und auch nicht unbedingt auf ihre eigene politische Führung hören. Das dürfte Peking sehr bewusst sein.

Der US-Abzug aus Afghanistan habe gezeigt, dass Militärinterventionen und Versuche, anderen Ländern gewaltsam Werte und Gesellschaftssysteme aufzuzwingen, zum Scheitern verurteilt seien, betonte trotzdem Außenamtssprecher Wang. Damit stützt Peking vor allem seine eigene Linie der Nichteinmischung - die es von Partnern verlangt, aber auch selbst in seiner Außenpolitik* anwendet. In diesem Sinne hat Peking keinen Spielraum dafür, in Afghanistan auf einen Regierungswechsel zu drängen. Es würde seiner eigenen Doktrin zuwiderhandeln. China dürfte allerdings das gewisse Maß an Sicherheit, das die USA und ihre Verbündeten in Afghanistan garantierten, schon jetzt schmerzlich vermissen. (ck)

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