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China: Mit „Sponsoring Soft Power“ ans Ziel – die Fußball-WM im eigenen Land

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Von: Christiane Kühl

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Deutschlands Robin Gosens und Mats Hummels feiern bei der Euro 2020 das 4:1 gegen Portugal in der Münchner Allianz-Arena
Werbebande in der Münchner Allianz-Arena mit Logo der chinesischen Kurzvideo-App Tiktok-App: Deutschlands Robin Gosens und Mats Hummels feiern das 4:1 gegen Portugal. © Christian Charisius/picture Alliance/dpa

Chinas Firmen sind als Sponsoren auf der Euro 2021 so präsent wie nie. Sie sollen das Land in der Fußballwelt bekannt machen. Denn Peking hat ein großes Ziel: Die Ausrichtung einer Fußball-WM.

München/Peking - Als Kai Havertz den Ball aus kurzer Distanz zum 3:1 gegen Portugal ins Tor lenkte, leuchtete auf den Werbebanden in der Münchner Allianz-Arena der Name Vivo weiß auf knallblauem Grund. Beim 4:1 für Deutschland durch Robin Gosens war die Bande dunkelgrau mit weißem Tiktok-Schriftzug. Und beim Lattenknaller des Portugiesen Renato Sanches kurz vor Schluss flimmerten chinesische Schriftzeichen über die Bande: 支付宝 – Zhi Fu Bao, international bekannt als Alipay, die Bezahlplattform des Onlinehändlers Alibaba*. Diese Logos chinesischer Marken dürften Zuschauenden der Euro 2021 inzwischen unzählige Male gesehen haben.

Firmen aus China* sind 2021 präsent wie nie bei einer Fußball-Europameisterschaft. Alipay und der TV-Hersteller Hisense sind neben VW, Gazprom, Booking.com und Fedex offizielle Partner aller UEFA-Länderspiele. Beide bleiben an Bord bis nach der Europameisterschaft 2024. Die chinesische Marke Vivo ist offizieller Smartphone-Partner der beiden Turniere 2020 und 2024. Die Kurzvideo-App Tiktok unterschrieb im März als Turniersponsor. Ebenfalls auf den Werbebanden sind Alibabas Blockchain-Tochter Antchain sowie die auf die Abwicklung internationaler Zahlungen spezialisierte Plattform World First. Gegründet 2004 in Australien, gehört sie seit 2019 ebenfalls zu Alibaba. „Durch diese Sponsorings sind diese Firmen weltweit sichtbar und auch Teil eines globalen Austauschs, an dem ihr Land früher nicht teilgenommen hat”, sagt Simon Chadwick vom Centre for the Eurasian Sport Industry mit Sitz in Paris, Shanghai und anderen Städten. „Dieser Austausch hat unmittelbare positive Auswirkungen, denn er führt dazu, dass die Menschen Rückschlüsse auf das Land und seine Unternehmen ziehen.” Chadwick nennt dies „Sponsoring-Soft Power”. 

Chinas Ziel: Eine Fußballnation werden - und die Heim-WM

Dies dient durchaus auch höheren Zielen. Vor fünf Jahren gab Präsident Xi Jinping* das Ziel an, dass China bis 2050 zu einer führenden Nation im Fußball werden solle. Für die Firmen seien die Sponsorings daher auch ein Mittel für einen Image-Bonus daheim, sagt Chadwick. Man möchte der Regierung auffallen als Unternehmen, das einen Beitrag zum großen Ziel leistet. „Und China könnte dann irgendwann sagen, wir sind bereits eine führende FIFA-Nation, da so viele Sponsoren bei FIFA und UEFA chinesisch sind.”

Auch bei der parallel zur Euro ausgetragenen Copa America sind chinesische Firmen aktiv. Aufgrund bürgerkriegsähnlicher Zustände in Teilen Kolumbiens hatte der südamerikanische Verband CONMEBOL das Turnier nach Brasilien verlegt - wo noch immer das Coronavirus wütet. Internationale Sponsoren wie Mastercard oder Inbev zogen sich aus Protest zurück. „Von vier übrig gebliebenen Sponsoren sind nun drei aus China”, sagt Chadwick. Außerdem spendete China dem Verband nach eigenen Angaben 50.000 Dosen seines Sinovac-Corona-Impfstoffes für die teilnehmenden Teams.

China: Sportlich erst auf Rang 77 der FIFA

Sportlich allerdings hinkt die Volksrepublik allerdings hinterher. Auf der FIFA-Rangliste liegt das Land aktuell auf Platz 77. Xi Jinping will daher die Qualität des Spiels im Land verbessern - und ließ unter anderem Fußball auf den Sport-Lehrplan aller Schulen setzen. Vereine wie in Europa gibt es wenig, und die meisten Kinder sind bis spät in den Abend mit Hausaufgaben beschäftigt - Zeit zum Training bleibt da kaum. Trotzdem wird das Kicken beliebter. Und viele Chinesen schauen trotz ungünstiger Nacht-Sendezeiten begeistert WM oder EM: 424 Millionen Chinesen hingen nach Marktforschungsdaten während der Euro 2016 an den Fernsehern. Dieses Jahr ist das Interesse nach anekdotischen Beobachtungen lokaler Fußballfans ähnlich hoch.

Ein Junge kickt einen Fußball, im Hintergrund sind Hochhäuser einer Pekinger Wohngegend zu sehen.
Jugendliche kicken in Peking: China liebt den Fußball - und will endlich selbst internationalen Erfolg haben (Archivbild). © Wu Hong/picture alliance / dpa

Nur ein einziges Mal, 2002, nahm China an einer Fußball-WM teil - und schied in der Vorrunde aus, mit null Toren und einem Lattenschuss. Für die WM 2022 in Qatar ist China noch im Rennen, mit einem Platz unter den besten 10 Staaten in der Asien-Qualifikation. Um die Chancen der Nationalmannschaft dabei zu erhöhen, verordnete der chinesische Fußballverband CFA diese Woche den Klubs in der China Super League eine dreimonatige Zwangspause zwischen August und Dezember.

Die Super League ist vor allem bekannt für irrwitzig lukrative Verträge für internationale Spieler im Abendrot ihrer Karriere. 2017 verpflichtete ein Shanghaier Club den Brasilianer Oscar für umgerechnet 60 Millionen Euro - bis heute Asienrekord. Parallel wechselte damals der Argentinier Carlos Tevez zu einem zweiten Shanghaier Club, für ein Gehalt von 730.000 Euro - pro Woche. Die Ausgaben der 16 Clubs der Liga überstiegen die Einnahmen bei Weitem. Ende 2017 erließ die CFA daher einen Gehaltsdeckel und eine Transfersteuer für Ausländer.

China Super League: Die große Abhängigkeit von Sponsoren

Außerdem sind die meisten Clubs abhängig von einem Großsponsor, dem vielfach gleich der ganze Verein gehört. Clubs würden von Unternehmen ohne Draht zur lokalen Community aufgebaut und betrieben, zitierte die Nachrichtenagentur AFP im März eine Kolumne des populären Fußballjournalisten Ma Dexing: „Daher hängt das Überleben von Chinas Profiklubs direkt von der wirtschaftlichen Situation des jeweiligen Unternehmens ab.” Im Winter verbot die CFA den Vereinen das Tragen des Sponsorentitels im Namen, um für mehr Spielkultur zu sorgen - denn fast alle Clubs hießen nach ihrem Hauptsponsor. Doch ohne diese Publicity drehten viele Sponsoren den Geldhahn zu. Und viele Fans protestierten, denn die Namen wie Beijing Guo‘an, Guangzhou Evergrande oder Dalian Wanda waren ihnen längst zur Gewohnheit geworden

Die extremsten Folgen bekam Suning Jiangsu, Meister von 2020, zu spüren. Benannt nach dem gleichnamigen Elektronikhändler - ähnlich etwa der Kette Media Markt - hätte der Club fortan als Jiangsu FC antreten müssen. Folglich beendete das finanziell klamme Suning, dem auch Italiens Inter Mailand gehört, das Engagement. Der Titelverteidiger ging direkt pleite und stellte den Betrieb im Frühjahr 2021 ein - ein Schock für Fußballchina. Doch letztlich macht die neue Regel durchaus Sinn - denn eine gesunde heimische Liga ist zentral für den Aufstieg eines Landes zur Fußballnation. 

China: Beziehungsarbeit in aller Welt - Stadionbau-Diplomatie in Kamerun

Parallel setzt China beim Streben nach der WM-Ausrichtung auf gute Beziehungen. Dabei sei vor allem Afrika wichtig, sagt Chadwick. „Die Stimmen aus Afrika sind nicht besonders loyal. Sie können auf legale Weise beeinflusst werden - und wurden oft genug auch mit illegalen Methoden beeinflusst.” Und so sponsern Chinas Firmen auch immer wieder den alle zwei Jahre ausgetragenen Africa Cup. Und nicht nur das. „Nach der Verlegung der letzten Afrikameisterschaft aus Kamerun nach Ägypten wird das Turnier nun 2022 in Kamerun stattfinden - und zwar vielfach in Stadien, die China im Rahmen seiner Stadionbau-Diplomatie dort errichtet hatte”, sagt Chadwick. Auch vergebe China Vorzugskredite an afrikanische Staaten für den Stadionbau. 

China: Für Alibaba, Hisense und Co ist auch das globale Geschäft wichtig

Den Firmen ist derweil auch das Geschäftliche wichtig. „Chinas Firmen sind zunehmend global aufgestellt und zielen auf Kunden weltweit ab, vor allem Vivo und Hisense”, sagt Chadwick. Hisense war 2016 China-Pionier bei einer Europameisterschaft. Die Marke wirbt mit einer maßgeschneiderte Fernseher-Produktreihe namens U7, die es eigens für die Euro 2020 entwickelte - inklusive Fan-Gimmicks wie einen intelligenten Viewing-Modus mit verschiedenen Perspektiven, farblich optimiertem Fußballrasen. Im Rahmen des Sponsorings zudem die uefa.tv-App etwa mit Video-on-Demand-Funktionen auf Millionen Hisense-Fernsehern kostenlos zugänglich. Von der Deutschland-Website lächelt Ex-Nationalspieler Lukas Podolski.

Bei der für Asien noch interessanteren Weltmeisterschaft trat 2010 in Südafrika mit Yingli Solar erstmals ein chinesisches Unternehmen als Partner der FIFA auf. Auch 2014 war Yingli Solar Werbepartner der WM in Brasilien - wo die Fotovoltaikzellen des Unternehmens beim Finale den Strom lieferten. Bei der WM 2018 in Russland war Yingli nicht mehr dabei, dafür aber der auch in China als Clubsponsor auftretende Konzern Wanda, Hisense, Vivo und der Milchkonzern Mengniu.

Doch nun ist auch die Sichtbarkeit bei der Euro den Firmen offenbar einiges wert. Alipay unterschrieb bereits 2018 einen Achtjahresvertrag mit der UEFA. Nach verschiedenen Berichten hat der Konzern rund 200 Millionen Euro für diesen Partnervertrag gezahlt. Über die anderen Summen ist nichts bekannt. Aber laut dem Wirtschaftsmagazin Caixin sind Firmen aus China die größte Quelle für Sponsoren-Einnahmen des Turniers. 

Größter Sponsor der Euro und der Copa America - China wird unentbehrlich bei der Ausrichtung großer Turniere in aller Welt. Auch Chadwick stellt „eine annähernde Ressourcenabhängigkeit” von der Volksrepublik fest. Ob das reicht, um China den Zuschlag für eine WM zu verschaffen, ist offen. Aber das Land ist auf dem globalen Fußballparkett ein gutes Stück präsenter geworden. *Merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA. (ck)

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