Nutzt das chinesische Militär deutsche Forschung für seine Aufrüstung? Studie legt brisante Uni-Kooperationen offen

Chinas Militär nutzt wohl die Ergebnisse aus Forschungskooperationen mit deutschen und westlichen Hochschulen für seine Modernisierung. Das fanden Journalisten aus mehreren Ländern heraus.
Essen/München – China nutzt offenbar das Wissen aus der gemeinsamen Forschung mit deutschen Hochschulen, um sein Militär aufzurüsten. Das legt eine am Donnerstag veröffentlichte Recherche elf europäischer Medien nahe, darunter der Rechercheverband Correctiv und die Deutsche Welle. Deutsche Universitäten kooperieren demnach mit militärischen Hochschulen der Volksrepublik. „Deutschland macht sich zum bereitwilligen Helfer von Chinas Machthaber“, urteilt Correctiv.
30 Journalisten aus mehreren Ländern werteten nach Angaben der involvierten Medienhäuser über 350.000 seit dem Jahr 2000 veröffentlichte wissenschaftliche Arbeiten aus. Sie seien dabei auf 3.000 Fälle der Zusammenarbeit mit militärischen Hochschulen in China gestoßen, 349 davon unter Beteiligung deutscher Hochschulen. Damit liegt Deutschland auf Rang zwei vor den Niederlanden. Die mit Abstand intensivste Kooperation weist laut dem Bericht Großbritannien auf: Die Reporter fanden 1.389 Kooperationen britischer Hochschulen mit China.
Mindestens 48 Hochschulen beteiligten sich dem Bericht zufolge an Projekten, bei denen auf chinesischer Seite das Risiko einer Nähe zum Militär besteht. Unter anderem arbeiteten die Universitäten Bonn und Stuttgart mit der chinesischen National University of Defence Technology in der Millionenstadt Changsha zusammen.
China: Hochschulkooperationen für zivilen und militärischen Nutzen
Unter den Studien sind demnach auch Papiere, in denen es um so genanntem „Dual-Use“ geht. Das heißt, sie bringen Erkenntnisse die sowohl für zivile als auch für militärische Zwecke genutzt werden können. Die Regierung von Staatschef Xi Jinping wolle „zivile Technologien wie Künstliche Intelligenz für das Militär nutzen“, beschreibt es Correctiv. „Und dafür auch systematisch Know-how aus dem Ausland importieren.“ Dass China die Volksbefreiungsarmee modernisieren will, ist bekannt: Statt einer gewaltigen Zahl an Fußsoldaten setzt sie immer mehr auf Artillerie, Marine oder Cyber-Warfare. Für all diese Dinge braucht sie moderne Technologien und Know-How. Teilweise entwickelt China diese Technologien selbst. Doch die Recherchen zeigten laut Correctiv eben auch: „Das chinesische Militär kooperiert massenhaft mit europäischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, um seine Armee mit deren Wissen auszubauen. Die Forschenden und Hochschulen hierzulande ignorieren das teils bewusst.“
Correctiv nennt in seinem Bericht das Beispiel eines chinesischen Forschers, der 2011 an die Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn kam. Er habe dort seinen Doktor gemacht und unter anderem an besserer Auflösung für 3D-Karten und der 3D-Erfassung von Mimik gearbeitet. „Er hat großes Interesse, aus 2D 3D zu machen“, zitiert Correctiv seinen damaligen Doktorvater. Namen nennt das Netzwerk bewusst nicht, um niemanden zu gefährden, wie es schreibt.
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Der Bonner Doktorvater habe damals nicht gewusst, dass sein Schützling eine enge Verbindung hatte zur National University of Defence Technology (NUDT) hat, einer militärischen Spitzenuniversität, deren Leitlinien im Jahr 1953 noch von Mao Zedong persönlich verfasst wurden. „Bereits 2015 veröffentlichte der chinesische Forscher allerdings eine Arbeit mit einem Professor von dort.“ Damals sei auch der Bonner Doktorvater beteiligt gewesen. Nach seiner Zeit in Bonn wechselte der chinesische Forscher laut Correctiv als Professor zur NUDT. „Das konnte keiner ahnen“, zitiert Correctiv den Doktorvater. „Der macht da jetzt eher so militärische Sachen.“ Dass er das Wissen aus der gemeinsamen Forschung in Bonn auch für militärische Zwecke genutzt werden könnte, kann der Doktorvater laut Correctiv nicht ausschließen.
China finanziert die Kooperationen mit internationalen Instituten und Universitäten
Laut den Ergebnissen der Recherche ignorieren die Forschenden und Hochschulen in Deutschland sogar den möglichen militärischen Nutzen der Zusammenarbeit mit chinesischen Institutionen. Der Bericht zitiert die Universitäten Bonn und Stuttgart mit der Aussage, es bestehe keine Gefahr eines „Dual-Use“ der deutsch-chinesischen Forschungsergebnisse. Der Vorteil der Kooperationen aus Sicht europäischer Institute ist meistens schlicht das Geld. Das Geld für den Forscher in Bonn aus dem Beispiel etwa kam laut dem Bericht aus einem chinesischen Förderprogramm für Doktorantinnen und Doktoranten. „Deutsche Forschende gehen freimütig in solche Kooperationen, oft gelockt von Prestige, Geld, besseren Karrierechancen“, schreibt Correctiv.
Das Militärbudget Chinas steigt seit Jahren stark an. 2022 etwa stiegen die Ausgaben nach offiziellen Angaben um 7,1 Prozent auf umgerechnet rund 230 Milliarden US-Dollar. Nur die USA geben noch weit mehr für ihre Streitkräfte aus (2022: 770 Milliarden US-Dollar). Es gilt aber unter Experten als sicher, dass dem Militär auch Gelder zufließen, die gar nicht im Verteidigungshaushalt auftauchen. Dazu gehört nach Recherchen des Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI) etwa Geld für die paramilitärische Bewaffnete Volkspolizei, Bauprojekte oder Pensionen - sowie für die militärnahe Forschung.
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) pochte laut dem Bericht auf Anfrage der beteiligten Medien auf die Unabhängigkeit der Hochschulen und antwortete, es beschränke sich auf "Sensibilisierung". Staatssekretär Jens Brandenburg (FDP) antwortete demnach indes, die zunehmende Einschränkung der Forschungsfreiheit in China werde "mit großer Sorge" beobachtet, gerade auch in Bezug auf die Verwendung für militärische Zwecke. (ck)