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Scholz in China auf Merkels Pfaden? Expertin ist gespannt – und dämpft Ukraine-Hoffnungen

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Von: Leonie Hudelmaier

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Bei seiner China-Reise sollte Olaf Scholz nach Cosco wirtschaftliche Gleichberechtigung ansprechen. Das fordert die China-Expertin Claudia Wessling im Interview.

München – Selten war eine Reise so umstritten wie der anstehende China-Besuch von Olaf Scholz. Noch bevor der Kanzler überhaupt das Flugzeug betritt, gibt es eine Batterie an Forderungen. Warum der Besuch aber wichtig ist und was Scholz in Peking ansprechen sollte, erklärt Claudia Wessling, Leiterin des Bereichs Kommunikation und Publikationen am Mercator Institute for China Studies.

Münchner Merkur: Menschenrechtler kritisieren die Reise, Wirtschaftsvertreter befürworten sie. Gibt es hier ein Richtig und ein Falsch?

Claudia Wessling: Nein. Klar ist es wichtig, zu Xi Jinping Kontakt aufzunehmen, aber der Zeitpunkt kurz nach dem Parteitag und in Kombination mit dem Cosco-Deal ist ungünstig. Erst vor zwei Wochen hat sich Xi für eine dritte Amtszeit als Generalsekretär bestätigen lassen und seine Macht über China noch mal zementiert. Dass Olaf Scholz jetzt kommt, könnte als Bestätigung seiner Autorität interpretiert werden.

Warum ist diese Reise dennoch wichtig?

Wegen der Corona-Pandemie hat sich Scholz, seit er Bundeskanzler ist, immer noch nicht mit Xi getroffen. Und es ist natürlich wichtig, auf einer persönlichen Ebene schon einmal miteinander gesprochen zu haben. Auch angesichts der vielen geopolitischen Konfliktherde, mit denen wir gerade zu kämpfen haben.

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Was konkret erhofft man sich von diesem Besuch?

Was konkret auf der Agenda steht, ist zwar nicht bekannt. Aber einige aus der Wirtschafts-Delegation waren in letzter Zeit wegen Corona vermutlich auch nicht oft in China – und die hoffen jetzt natürlich, dort Anknüpfungspunkte zu schaffen. Beim Thema Ukraine hofft man – vielleicht vergeblich –, dass China eine konstruktive Rolle einnimmt. Was Xi da wirklich bewirken könnte, sollte man nicht zu optimistisch einschätzen.

China-Expertin Claudia Wessling.
China-Expertin Claudia Wessling © Merics/Marco Urban

Was sollte Scholz bei dem Besuch auf jeden Fall ansprechen?

Was Scholz wahrscheinlich machen wird und auch sollte, ist das Thema wirtschaftlicher Gleichberechtigung anzusprechen. Wir sehen das am Beispiel des Hamburger Hafens: Cosco will dort investieren – die können das machen. Umgekehrt wäre es nicht so einfach, auf vergleichbarem Level in chinesische Häfen zu investieren.

Warum steht das Thema Wirtschaft so im Vordergrund, wenn es um China geht?

Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und China insgesamt sind bereits sehr intensiv. Wir haben seit Jahren ein ansteigendes Handelsvolumen.

China-Antrittsbesuch von Scholz: Wirtschaft doch wieder in den Vordergrund gerückt?

Dass eine reine Wirtschafts-Delegation mitreist, hat schon für enorme Kritik gesorgt.

Das europäische Publikum schaut schon mit Argwohn auf die Reise. Im Ampel-Koalitions-Vertrag steht, dass die Bundesregierung einen differenzierten Ansatz gegenüber China verfolgen will. China soll also nicht nur als Wirtschaftspartner, sondern auch als systemischer Rivale gesehen werden. Von der Optik sieht diese Reise jetzt aber so aus, als sei doch wieder die Wirtschaftspartnerschaft in den Vordergrund gerückt.

Wird Kanzler Scholz dann überhaupt die Menschenrechtslage ansprechen?

Seine Vorgängerin Angela Merkel hat immer versucht, Menschenrechtsthemen hinter den Kulissen anzusprechen. Auch Herr Scholz hat das angekündigt – was auch richtig ist. Aber er muss sich da auf deutlichen Gegenwind einstellen. Die Situation der Uiguren in der chinesischen Provinz Xinjiang oder der Umgang mit Taiwan sind für Xi Jinping innenpolitische Angelegenheiten. In die haben sich ausländische Akteure laut Chinas Führung nicht einzumischen.

Ein Tag Aufenthalt in Peking ermöglicht auch kein Treffen mit der Opposition. Wäre das nicht enorm wichtig gewesen?

Für die Außenwirkung in Europa wäre das sicherlich wichtig gewesen. Die Frage ist natürlich, wie das mit der sehr strikten Corona-Politik möglich ist.

Scholz in China: „Seine Partner denken jetzt, er macht business as usual wie Merkel“

Missbraucht Xi da die Null-Covid-Strategie für seine Zwecke?

Man kann vermuten, dass die strengen Maßnahmen der Kommunistischen Partei in China ganz gelegen kommen. Die Führung nutzt die Regeln auch, um Kontrolle über die Bürger auszuüben. Andererseits hat China auch ein konkretes Motiv für diese strikte Null-Covid-Politik: Zwar gibt es eine hohe Impf-Quote, die Impf-Kampagne liegt aber schon länger zurück. Peking geht deswegen davon aus: Wenn das Virus außer Kontrolle gerät, könnte es eventuell eine sehr hohe Todesrate geben. Das wäre fatal für die Bevölkerung, aber auch für die chinesische Wirtschaft.

Wie wirkt diese Reise für Scholz’ Partner im Bund und in Europa?

Seine Partner hier denken jetzt: Scholz macht business as usual wie Angela Merkel. Es wird jetzt spannend zu beobachten, ob er das wirklich macht.

Interview: Leonie Hudelmaier

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