China-Strategie der G7: Infrastrukturprogramm als Antwort auf Neue Seidenstraße - gemeinsame Kritik an Peking

Die G7-Staaten haben sich auf ein milliardenschweres Infrastrukturprogramm als Konkurrenz zur Neuen Seidenstraße Pekings geeinigt. Das Abschlussdokument des Gipfels kritisiert China - auf Wunsch der USA.
Carbis Bay/München - Die G7-Gruppe der größten westliche Industriestaaten hat sich, wie von US-Präsident Joe Biden gewünscht, am Wochenende intensiv mit China befasst. Erstmals hat die G7 in einem Abschlusskommunique deutliche Kritik an der Volksrepublik geübt. Die G7-Staaten wollen sich im Umgang mit der zweitgrößten Volkswirtschaft „über ein kollektives Vorgehen absprechen, um marktwidrige Politik und Praktiken anzufechten, die den fairen und transparenten Ablauf der Weltwirtschaft untergraben“, hieß es in dem am Sonntag Nachmittag verabschiedeten Papier. Auch forderten die Staats- und Regierungschefs darin eine „zeitnahe, transparente, von Experten geführte und wissenschaftlich basierte Studie“ zum Ursprung der Corona-Pandemie - die nach jetzigen Erkenntnissen in der chinesischen Stadt Wuhan erstmals ausbrach.
Am Samstag hatten die G7 bei ihrer Diskussion um den China-Kurs bereits ein milliardenschweres Infrastrukturprogramm für Entwicklungs- und Schwellenländer beschlossen, mit dem Chinas Neuer Seidenstraße Konkurrenz gemacht werden soll.
Joe Biden: G7 gegen autoritäre Staaten zusammenschweißen
Nach der dysfunktionalen Phase während der Präsidentschaft Donald Trumps in den USA wollen die großen westlichen Demokratien nun wieder an einem Strang ziehen. US-Präsident Joe Biden will die G7 - wie die demokratische Welt insgesamt - vor allem durch eine harte Abgrenzung zu autoritären Staaten wie Russland und China zusammenschweißen. Dennoch wollen nicht alle Länder das gleiche Ausmaß an klarer Kante gegenüber China oder auch Russland. Bundeskanzlerin Angela Merkel etwa will einen zu harten Konfrontationskurs vermeiden und setzt weiter auf Dialog mit Peking. Im Entwurf für die Abschlusserklärung wird dieser Haltung entsprochen, indem auch gemeinsame Interessen an einer Kooperation mit China bei globalen Herausforderungen wie dem Klimaschutz und dem Erhalt der Biodiversität hervorgehoben wird.
Dennoch ist nicht zu übersehen, dass Bidens harter China-Kurs auch in Europa Befürworter gewinnt. Bereits die G7-Außenminister hatten auf ihrem Treffen in London harte Worte gegen China und Russland gewählt - und unter anderem Zugang für die Vereinten Nationen zur Region Xinjiang gefordert, in der bis zu einer Million Angehörige der uigurischen Minderheit in Umerziehungslagern interniert sein sollen. Im Zusammenhang mit Xinjiang hatte China als Antwort auf begrenzte EU-Sanktionen mehrere EU-Parlamentarier und zwei Dutzend Diplomaten mit Sanktionen belegt - was die bis dahin relativ stabilen EU-China-Beziehungen deutlich eingetrübt hat.
Laut der Abschlusserklärung vom Sonntag wollen die G7-Staaten nun „unsere gemeinsamen Werte fördern“. Dazu gehöre, dass China aufgefordert werde, Menschenrechte und fundamentale Freiheiten zu achten, „besonders hinsichtlich Xinjiang und jenen Rechten, Freiheiten und dem hohen Maß an Autonomie, das für Hongkong in den gemeinsamen Erklärung zwischen China und Großbritannien und dem Grundgesetz festgeschrieben ist“. Der G7-Gruppe gehören neben den USA, Großbritannien und Deutschland Frankreich, Italien, Japan und Kanada an.
G7: Pläne für eigenes Infrastrukturprogramm für die Welt
Doch die G7 will nicht nur Kritik üben: Am Samstag beschlossen die versammelten Staatenlenker eine Milliarden-Initiative zum Aufbau von Infrastruktur in ärmeren Ländern - als Konkurrenz zu Chinas Neuer Seidenstraße. Die G7-Initiative trägt dem Titel „Build Back Better World“ („eine bessere Welt wiederaufbauen“) - in Anlehnung an den von Biden in seinem Wahlkampf bereits für die USA genutzten Slogan „Build Back Better“. Die Idee passt in die Debatte, dass es mehr bringt, selbst attraktive Angebote zu machen, als sich über Chinas Infrastruktur- und Impfprogramme zu beklagen. Die G7 haben zudem beschlossen, 2,3 Milliarden Impfdosen an ärmere Länder zu verteilen. Auch das ist zumindest indirekt als Konkurrenz zu Chinas aktiver Impfdiplomatie zu verstehen.
USA auf G7-Gipfel: Weltweit Infrastruktur im Wert von 40 Billionen US-Dollar benötigt
Nach US-Schätzungen werden in Teilen der Welt Infrastrukturinvestitionen in Höhe von rund 40 Billionen US-Dollar benötigt. Durch die Pandemie sei sie noch größer geworden, berichteten US-Regierungsbeamte. Die USA wollten mit den G7-Partnern, dem privaten Sektor und anderen Stakeholdern zeitnah gemeinsam Hunderte Milliarden für Infrastruktur-Investitionen in Ländern mit niedrigen und mittleren Einkommen mobilisieren. Die G7 gründeten dafür eine Taskforce, die erste Projekte benennen soll.Klare Finanzzusagen wurden allerdings noch nicht gemacht.
„Es ist in unserem Interesse, dass sich Afrika wirtschaftlich vernünftig entwickelt“, sagte Merkel am Samstag. Man könne „nicht einfach sagen, das wird China schon machen.“ Es sei Anspruch der G7, eine positive Agenda für Länder zu setzen, die noch Nachholbedarf bei der Entwicklung besitzen. Es solle „eine positive, alternative Vision“ geboten werden, für die sich Länder entscheiden könnten, zitierte die Nachrichtenagentur dpa am Samstag US-Offizielle. Auch die EU erarbeitet derzeit mit der so genannten Neuen Konnektivitätsstrategie eine Antwort auf die Neue Seidenstraße, bei der unter anderem Digitalisierungsprojekte gefördert werden sollen.
Mit dem 2013 gestarteten gewaltigen Projekt zum Aufbau einer Neuen Seidenstraße erschließt sich China neue Handelswege entlang alter Routen durch Asien bis nach Europa und Afrika und finanziert dort Infrastrukturprojekte. Mehr als 100 Länder haben Kooperationsverträge mit der Volksrepublik für den Bau von Bahnlinien, Straßen, Häfen und Flughäfen unterzeichnet. Duisburg ist in Europa eine der wichtigen Endstationen der Seidenstraßen-Verbindungen. China-Kritiker befürchten indes, dass sich Peking auf diese Weise viel Einfluss in den betreffenden Ländern sichern kann. Auch gibt es immer wieder Berichte über Schuldenfallen und Umweltschäden, die durch einzelne Projekte verursacht wurden - auch wenn dies nicht für jedes einzelne Projekt gilt. Bei der Umsetzung vieler Projekte kommen zudem vorwiegend chinesische Unternehmen zum Zuge. Europäische Firmen in China bekommen bislang zum Beispiel kaum Aufträge aus dem Programm. (ck/mit dpa und AFP)