China und die Taliban: Humanitäre Hilfe zugesagt - doch wirtschaftliches Engagement ist unwahrscheinlich

Die Taliban werben um den großen Nachbarn China. Nun hat Peking humanitäre Hilfen zugesagt. Das erhoffte wirtschaftliche Engagement könnte aber weiter auf sich warten lassen.
Kabul/Peking/München - Die Taliban benötigen dringend finanzielle Mittel. Daher werben sie verstärkt um den großen Nachbarn China. Nun hat Peking humanitäre Nothilfe in einem Wert von 200 Millionen Yuan, umgerechnet 26 Millionen Euro, zugesagt. Liefern will China nach einem Bericht der South China Morning Post. In einer ersten Impfstoff-Charge wird China demnach laut Außenminister Wang Yi demnächst drei Millionen Dosen Corona-Vakzin nach Afghanistan schicken. Pekings Vize-Botschafter bei den Vereinten Nationen, Geng Shuang, sagte am Donnerstag, China sei bereit, öffentliche Bauprojekte in Afghanistan zu starten, wenn die Sicherheitslage es zulasse.
Schon vor ihrer Machtübernahme hatten die Taliban auf Peking gesetzt - wohl in Erwartung, dass der Westen sämtliche Zahlungen einstellen werde. Der heutige Vize-Ministerpräsident Abdul Ghani Baradar traf mit einer Delegation im Juli in Tianjin Chinas Außenminister Wang Yi. „China ist unser wichtigster Partner und bedeutet für uns eine grundlegende und außergewöhnliche Chance, denn es ist bereit, zu investieren und unser Land neu aufzubauen“, sagte kürzlich Taliban-Sprecher Sabiullah Mudschahid der italienischen Tageszeitung „La Repubblica“. In dem Land gebe es „reiche Kupferminen, die dank der Chinesen wieder in Betrieb genommen und modernisiert werden können.“ Der stellvertretende Leiter des Taliban-Büros in Qatar, Abdul Salam Hanafi, pries zudem Chinas Neue Seidenstraße als „förderlich für die Entwicklung und den Wohlstand Afghanistans und der Region.“
Doch dazu müssten die Chinesen erst einmal mitmachen. Doch danach sieht es trotz der Aussage Gengs bei der UN kurzfristig eher nicht aus. Zwei vor Jahren angeschobene Rohstoffprojekte - eine Kupfermine und die Erschließung eines Ölfelds - liegen brach. Experten und Politiker in China verweisen immer wieder auf die schlechte Sicherheitslage in Afghanistan. Das Misstrauen gegen die Radikalislamisten ist trotz aller diplomatischen Offenheit in Peking groß. „Deswegen denke ich, dass China gerade jetzt, wo es nicht nur potenziell, sondern tatsächlich Instabilität in fast allen Bereichen in Afghanistan gibt, nicht viel investieren wird“, sagt Professor Shi Yinhong von der Pekinger Volksuniversität. „Es gibt weder angemessene Sicherheit, noch lässt sich über nachweisliche und vergleichsweise langfristige, vernünftige Stabilität sprechen.“ So gibt es innerhalb der Taliban rivalisierende Gruppen, von denen einige den in China verhassten islamistischen Terrorgruppen nahestehen. China hat die Gotteskrieger wiederholt dazu aufgerufen, sämtliche Verbindungen zu Terroristen zu kappen.
China: Aktive Diplomatie um die Zukunft Afghanistans
China ist derweil diplomatisch aktiv, um gemeinsam mit anderen Anrainerstaaten das von den USA nach ihrem Rückzug hinterlassene Macht- und Sicherheitsvakuum auszufüllen. Außenminister Wang Yi spricht mit den Nachbarländern. Afghanistan ist am Donnerstag auch wichtiges Thema des Brics-Gipfels mit Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping, Russlands Präsident Wladimir Putin und den anderen Staats- und Regierungschefs aus Indien, Brasilien und Südafrika.
Und generell agiert Peking realpolitisch: Man fragt in Peking nicht groß, ob einem die Regierung eines Staates gefällt oder nicht - solange sie sich nicht offen gegen China stellt. Sondern es geht darum, wie man sich so mit ihr arrangieren kann, dass man die bestmögliche Situation für China erreicht. Selbst wenn China echte Sorgen über die Bereitschaft der Taliban habe, ihre Versprechen einzuhalten, seien die Beziehungen und der potenzielle Gewinn für Peking daher „einfach zu wichtig, um ignoriert zu werden“, glaubt der Sicherheitsexperte Derek Grossmann von der Rand Corporation. „Ähnlich wichtig ist das Risiko, die Taliban damit zu verärgern, dass man ihnen verspätet die Anerkennung und Legitimation gibt, die sie ersehnen.“ Das könne Chinas Sicherheitsinteressen gefährden. (ck/dpa)