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Bereits 160 Selbstverbrennungen: Wieder mehr Tibeter wählen radikalsten Protest gegen China

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Von: Sven Hauberg

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Soldaten vor dem Potala-Palast in Tibets Hauptstadt Lhasa.
Soldaten vor dem Potala-Palast in Tibets Hauptstadt Lhasa (Archivbild): Tibet ist heute eine chinesische Provinz. © Liu Kun/Xinhua/Imago

Immer wieder zünden sich Tibeter aus Protest selbst an. „Das Leid in Tibet ist unermesslich“, sagt der Vorsitzende der Tibet Initiative Deutschland.

München/Lhasa – In Tibet wählen Verzweifelte seit Jahren die radikalste Form des Protests, um auf Menschenrechtsverletzungen aufmerksam zu machen: Sie setzen sich selbst in Brand. In Tibet und in an die Region angrenzenden tibetisch geprägten Gebieten anderer Provinzen Chinas* haben sich seit Februar 2009 mindestens 160 Menschen selbst angezündet, um gegen die Besetzung ihres Landes zu protestieren, berichtete die Tibet Initiative Deutschland (TID) am Montag. Zuletzt gab es wieder einige Fälle: Allein in den vergangenen sechs Wochen habe es drei Selbstverbrennungen gegeben, so die in Berlin ansässige Organisation.

Zuletzt verbrannte sich demnach am 30. März der Tibeter Tsering Samdup in der westchinesischen Provinz Qinghai; ob Samdup überlebt hat, war zunächst nicht bekannt. Nur drei Tage zuvor hatte sich ein 81-jähriger Mann namens Taphun in der südwestchinesischen Provinz Sichuan* in der Nähe eines Klosters angezündet. Der Mann sei inzwischen verstorben, berichtet die Tibet Initiative unter Berufung eines Sprechers des Klosters im indischen Exil. „Die jüngsten Verbrennungen zeigen: Das Leid in Tibet* ist unermesslich“, sagte die TID-Vorsitzende Tenzyn Zöchbauer in einer Stellungnahme. „Viele Tibeter wissen keinen anderen Weg, als ihr Leben zu riskieren, um Gehör zu finden.“

Tibet: Unterdrückung der Kultur durch China

Tibet wurde kurz nach Ausrufung der Volksrepublik China von chinesischen Truppen besetzt. Das Land, das auch als „Dach der Welt“ bezeichnet wird, war historisch eng mit China verbunden, zum Zeitpunkt der chinesischen Invasion völkerrechtlich aber unabhängig, auch wenn diese Unabhängigkeit international nicht anerkannt wurde. So sprach etwa der Bundestagsausschuss für Menschenrechte im vergangenen Jahr in einer Erklärung von der „De-facto-Unabhängigkeit Tibets“, die 1951 mit einem Abkommen zwischen den Regierungen in Peking und Lhasa beendet worden sei.

China hingegen behauptet, Tibet sei seit Jahrhunderten Teil des eigenen Staatsgebiets - eine Sichtweise, die von westlichen Historikern zurückgewiesen wird. Das historische tibetische Gebiet besteht heute aus der sogenannten Autonomen Region Tibet sowie den Provinzen Sichuan und Qinghai.

Seit der Besetzung Tibets und der Vertreibung des Dalai Lama im Jahr 1959 wurden Zehntausende Tibeter getötet und vor allem in den Jahren der Kulturrevolution (1966-1976) unzählige Klöster und andere Kulturstätten zerstört. Auch heute ist die Menschenrechtslage internationalen Beobachtern zufolge desolat*. „In Tibet ist Unterdrückung Alltag, tibetische Kinder müssen auf Zwangsinternate, Erwachsene werden zu Zwangsarbeit gezwungen“, so die TID-Vorsitzende Zöchbauer. „Der Akt der Selbstverbrennung ist ein Hilfeschrei, den viele Tibeter mit ihrem Leben bezahlen.“

Tibet: Erste Selbstverbrennung 2009

Die Selbstverbrennungen hatten 2009 begonnen, als sich der Mönch Tapey in der Präfektur Ngawa im Nordwesten der Provinz Sichuan anzündete. Ein Jahr zuvor war es in Tibet im Vorfeld der Olympischen Sommerspiele in Peking zu Aufständen gegen die chinesische Besatzung gekommen. Nach Angaben von exiltibetischen Organisationen kamen dabei mindestens 400 Menschen ums Leben. Im März 2011 ereignete sich in Sichuan eine zweite Selbstverbrennung, seitdem zünden sich immer wieder Mönche, Nonnen und Laien selbst an.

Einer der prominentesten Fälle ereignete sich Ende Februar. Kurz vor dem Jahrestag des Volksaufstandes in Tibet von 10. März 1959, bei dem der Dalai Lama ins indische Exil flohen musste, zündete sich der populäre tibetische Sänger Tsewang Norbu selbst an. Der 25-Jährige erlag wenig später seinen schweren Verletzungen. Norbus Tat sei „offenbar eine weitere verzweifelte Reaktion auf die erdrückende Repressionspolitik der Kommunistischen Partei Chinas*, erklärte Kai Müller, der Deutschland-Geschäftsführer der International Campaign for Tibet. (sh) *Merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.

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