China will mehr Einfluss im Südpazifik und stößt auf Widerstand – der USA und einiger „Zwerge“

Noch bis Samstag besucht Chinas Außenminister mehrere Inselstaaten im Südpazifik. Es geht um die Frage, wer die Region in Zukunft dominiert: Peking oder Washington?
München – In der Haut von Wang Yi will man nur selten stecken. Der chinesische Außenminister muss sich seinen westlichen Amtskollegen gegenüber für die Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang rechtfertigen und die Freundschaft seines Landes zu Russland verteidigen.
In diesen Tagen aber befindet sich Wang auf einer diplomatischen Mission, deren Stationen an eine Episode des „Traumschiffs“ erinnern: Seit vergangener Woche bereist Chinas Spitzendiplomat die Südsee, auf seiner Route liegen Inselparadiese wie Samoa und Tonga. Viel Zeit für Ausflüge an den Strand dürfte Wang aber kaum haben, acht Länder in zehn Tagen dürften selbst manch hartgesottenen chinesischen Touristen überfordern. Und dann war da noch der unerfreuliche Zwischenstopp auf den Fidschi-Inseln.
Wang war mit seiner Delegation in die Hauptstadt Suva gekommen, um auf dem zweiten „Treffen der Außenminister Chinas und der pazifischen Inselstaaten“ mit seinen Amtskollegen aus zehn Nationen ein Abkommen zu schließen. Was in dem Dokument steht, ist nicht offiziell bekannt; laut einem Entwurf, der der Nachrichtenagentur AFP vorliegt, bot China den Inselstaaten aber neben millionenschwerer Unterstützung die Aussicht auf ein Freihandelsabkommen und Zugang zu seinem Markt an. Im Gegenzug wollte Peking unter anderem an der Polizeiausbildung und dem Ausbau der Cybersicherheit in den Pazifikstaaten beteiligt werden und besseren Zugang zu Bodenschätzen in der Region erhalten.
Nur: Das Abkommen scheiterte, vor allem Widerstand von Mikronesien. Der aus Dutzenden Inseln und Atollen bestehende Staat hatte im Vorfeld mobil gemacht gegen den Pakt mit China, Präsident David Panuelo sprach in einem Brief an knapp zwei Dutzend Amtskollegen von einem „hinterhältigen“ Abkommen, mit dem Peking versuche, seine Macht in der Region auszubauen und die regionale Sicherheit zu bedrohen. Chinas Außenminister versuchte anschließend auf einer Pressekonferenz, die Wogen zu glätten. „Seien Sie nicht zu ängstlich und nicht zu nervös“, beschwor er die südlichen Pazifikstaaten.
China: Handel mit den pazifischen Inselstaaten wächst
Später sagte Fiame Naomi Mata‘afa, die Premierministerin von Samoa, man habe nicht genug Zeit gehabt, das Abkommen zu prüfen. Und Henry Puna, Generalsekretär der Organisation Pacific Islands Forum, erklärte Wang vor laufenden Kameras, wo die Prioritäten der Region lägen. Nämlich im Kampf gegen den Klimawandel, der viele Inselstaaten in ihrer Existenz bedrohe. Dass China den weltweit größten CO₂-Ausstoß hat, musste er nicht extra erwähnen, die Botschaft war auch so mehr als deutlich.
Es war ein Aufstand der Zwerge gegen den Riesen: Die acht Länder, die Wang noch bis Samstag besucht, haben etwa so viele Einwohner wie Bayern. Dennoch bemüht sich China seit Jahren intensiv um die Region, stellte etwa während der Corona-Pandemie 600.000 Dosen seines Impfstoffs zur Verfügung und betonte, dass der Handel mit jenen zehn pazifischen Inselstaaten, zu denen Peking diplomatische Beziehungen unterhält, in den letzten Jahrzehnten um jährlich durchschnittlich 13 Prozent gewachsen sei (vier weitere Mitglieder des Pacific Islands Forum erkennen Taiwan an, nicht Peking).
Dass man sich also mehr Gefolgschaft erhofft hatte, zeigte sich am patzigen Auftreten der chinesischen Delegation auf einer Pressekonferenz nach dem gescheiterten Treffen auf Fidschi: Mehrere Medienvertreter berichteten anschließend, sie hätten keine Fragen stellen dürfen und seien von chinesischen Beamten beiseite gedrängt worden. Das ging offenbar so weit, dass eine Vertreterin der Pazifikstaaten China daran erinnern musste, dass es nur Gast sei und nicht Gastgeber des gemeinsamen Treffens. Chinas staatliche Nachrichtenagentur titelte nach dem Treffen dennoch unbeirrt: „Die Zusammenarbeit zwischen China und den pazifischen Inselstaaten ist lebendig und zukunftsträchtig“, und das Außenministerium betonte trotzig, nicht jedes Treffen müsse zwangsläufig ein Abkommen hervorbringen.
China: Sicherheitsabkommen mit Salomonen sorgt für Aufregung in USA und Australien
Wang begann seine Reise auf den Salomonen. Mit dem Inselstaat hatte Peking vor wenigen Wochen ein viel beachtetes Sicherheitsabkommen geschlossen, das es Chinas Marine einem geleakten Entwurf zufolge ermöglichen würde, die Inseln mit Schiffen zu besuchen und dort Nachschub zu erhalten. In Washington und Canberra befürchten viele Beobachter indes, China könne auf den Salomonen früher oder später auch eine Militärbasis errichten – und damit nur rund 2000 Kilometer von Australiens Nordzipfel entfernt. Im australischen Wahlkampf spielte das Sicherheitsabkommen eine ungewöhnlich prominente Rolle, die USA erklärten, in der Hauptstadt Honiara demnächst eine Botschaft eröffnen zu wollen. Außenminister Wang zeigte sich davon unbeeindruckt und sprach nun beim Besuch der Salomonen von „eisernen Beziehungen“ zwischen den beiden Ländern.
China will in der riesigen Pazifik-Region eine Leerstelle besetzen, die andere hinterlassen haben. Die Region wende sich Peking zu, weil der Westen sie vernachlässigt habe, sagte José Ramos-Horta, Friedensnobelpreisträger und Staatspräsident von Osttimor, unlängst in einem Zeitungsinterview. Osttimor, das vor 20 Jahren von Indonesien unabhängig wurde, ist die letzte Station Wangs auf seiner Südsee-Reise.
„Warum sollten die Salomonen China um Unterstützung für die Sicherheit im Seeverkehr und für die Polizei bitten?“, so Ramos-Horta in der britischen Times. „Vielleicht, weil der nächste Nachbar der Salomonen, in diesem Fall Australien, nicht auf ihre Bedürfnisse eingegangen ist. Vielleicht hat ihr Nachbar seine Zeit damit verschwendet, sie über Menschenrechte zu belehren, anstatt zu versuchen, ihnen zu helfen.“ Vorträge über Menschenrechte jedenfalls sind von Peking nicht zu erwarten.
Australiens neue Regierung bemüht sich nun, die Beziehungen zu der Region zu erneuern. Fast zeitgleich mit Wang Yi besuchte die australische Außenministerin Penny Wong die Fidschi-Inseln und versprach, in Zukunft besser auf die Sorgen und Nöte der kleinen Pazifikstaaten zu hören. Auch die USA und Neuseeland kündigten an, ihr Engagement in der Region verstärken zu wollen. In einer gemeinsamen Erklärung betonten Joe Biden und Jacinda Ardern die Bedeutung der Pazifikländer und zeigten sich besorgt über Pekings Abkommen mit den Salomonen: „Die Vereinigten Staaten und Neuseeland teilen die Besorgnis, dass die Einrichtung einer dauerhaften Militärpräsenz im Pazifik durch einen Staat, der unsere Werte und Sicherheitsinteressen nicht teilt, das strategische Gleichgewicht in der Region grundlegend verändern und die nationale Sicherheit unserer beiden Länder gefährden würde.“
China sieht Gefahr eines Kalten Kriegs in der Pazifik-Region
Bereits Ende Mai hatte Biden ein neues Rahmenabkommen zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit im Indopazifik-Raum namens IPEF vorgestellt, dem auch Japan, Australien, Indien und neun weitere Staaten angehören werden – nicht aber China. Wenig später, als Wang Yi bereits zu einer Reise aufgebrochen war, trat auch Fidschi dem Abkommen bei. Schon vor Biden war Donald Trump auf Konfrontationskurs zu China gegangen, hatte aber auf einen amerikanischen Alleingang gesetzt und es versäumt, Bündnisse gegen Peking zu schließen. Biden will das nun ändern, auch mit neuen Handelsvereinbarungen. Analysten messen IPEF allerdings keine allzu große Bedeutung bei. So beinhalte das Abkommen keine Regelungen zum Freihandel zwischen den beteiligten Staaten.

China reagierte mit einem altbekannten Hinweis auf den Vorstoß der USA: „Die südlichen pazifischen Inselstaaten sind nicht der Hinterhof irgendeines Landes und schon gar nicht ein Schauplatz für geopolitische Spiele“, sagte Pekings Außenamtssprecher Zhao Lijian am Mittwoch. Und Außenminister Wang forderte in Kiribati, dem zweiten Stopp seiner Reise, die „Gleichbehandlung von großen und kleinen Ländern“ und behauptete, die USA wollten nicht, dass die Länder der Region „Erfolg“ hätten. In Tonga, in einem mit chinesischer Unterstützung erbauten Regierungsgebäude, sagte Wang am Mittwoch, die Staaten der Region hätten das Recht, selbst zu entscheiden, mit wem sie zusammenarbeiten wollen. Dass ausgerechnet das riesige China die Gleichheit mit den Mini-Nationen unterstreicht, mutet allerdings seltsam an.
Peking betont, im Pazifik dürfe kein neuer Kalter Krieg entstehen und wirft den USA vor, „Druck und Zwang“ auf die Inselstaaten auszuüben, wie es in einem Kommentar der staatlich kontrollierten Global Times heißt. Die Staaten der Region aber, so Osttimors Präsident, wollten genau das verhindern und sich nicht entscheiden müssen zwischen den beiden Großmächten. „Ich möchte, dass die USA und Australien uns unterstützen, weil ihnen unser Volk am Herzen liegt, weil sie sich für Frieden und Stabilität einsetzen“, so Ramos-Horta. „Ich möchte nicht, dass sie das Gefühl haben, ich würde sie erpressen, indem ich die China-Karte ausspiele.“
China wirbt um den US-Verbündeten Mikronesien
Ein schwieriger Spagat, den auch Mikronesien versucht, jenes Land, das das Abkommen mit China maßgeblich vereitelte. Chinesische Investitionen nimmt der Inselstaat gerne an, und Präsident David Panuelo betont, man wolle nicht in eine Auseinandersetzung zwischen Peking und Washington hineingezogen werden. Gleichzeitig sorgt ein Abkommen mit den USA dafür, dass nur die Vereinigten Staaten eine Militärbasis in Mikronesien unterhalten dürfen. „Seine Lage und seine Hoheitsgewässer haben das Land zu einem zentralen Streitpunkt im Pazifik gemacht“, sagt der Analyst Pranay Varada von der Universität Harvard.
Denn nördlich von Mikronesien liegen mit Guam und den Nördlichen Marianen zwei Außengebiete der USA. Näher heranrücken an die Vereinigten Staaten könnte China kaum, sollte es sich dort stärker engagieren. Das Abkommen, das Peking derzeit noch auf Abstand hält, läuft allerdings im kommenden Jahr aus. US-Präsident Biden versucht nun, den Deal zu verlängern – und hat mit Joseph Yun einen Spitzendiplomaten damit beauftragt, Mikronesien davon zu überzeugen, sich auch in Zukunft auf die Seite der USA zu stellen. (sh)