China tritt Abkommen gegen Zwangsarbeit bei – Grünen-Politiker bezeichnet Schritt als „zynisch“

Wegen Vorwürfen der Zwangsarbeit steht China seit Längerem in der Kritik. Nun hat Peking zwei Abkommen unterzeichnet, die Kritikern den Wind aus den Segeln nehmen sollen.
München/Peking – China* ist zwei internationalen Konventionen gegen Zwangsarbeit beigetreten. Laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Bloomberg ratifizierte der Nationale Volkskongress* am Mittwoch (20. April) die beiden Abkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO). Wie auf der Webseite des Volkskongresses verkündet wurde, handelt es sich um die Konvention über Zwangsarbeit von 1930 und die Konvention zur Abschaffung der Zwangsarbeit von 1957. Der Schritt war erwartet worden. Bereits in der vergangenen Woche hatte die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua die Ratifizierung angekündigt: Und der Volkskongress winkt Beschlüsse in aller Regel durch.
Die Konvention über Zwangsarbeit von 1930 hat zum Ziel, erzwungene Arbeit in all ihren Formen zu bekämpfen. Die ergänzende Konvention von 1957 verbietet darüber hinaus Zwangsarbeit als Bestrafung für Streiks oder für abweichende politische Meinung – beides war im Ursprungsdokument noch erlaubt gewesen. China war zuletzt einer von nur elf Staaten, die der Konvention noch nicht beigetreten sind. In einer Stellungnahme, aus der die Nachrichtenagentur Bloomberg am Mittwoch zitierte, bezeichnet die ILO Chinas Ratifizierung als „von großer Bedeutung“.
China: Vorwürfe von Zwangsarbeit in Xinjiang
Der Beitritt Chinas zu den beiden Konventionen war von der EU in Zusammenhang mit dem Investitionsabkommen CAI* gefordert worden. Auf das Abkommen hatten sich beide Seiten im Dezember 2020 geeinigt; Peking hatte sich kurz zuvor bereiterklärt, die ILO-Konventionen zu unterzeichnen. Der EU ging es dabei vor allem um Vorwürfe, in der Provinz Xinjiang* würden Menschen zu Zwangsarbeit gezwungen. CAI liegt derzeit allerdings auf Eis und wird vom EU-Parlament nicht ratifiziert.
Menschenrechtsorganisationen zufolge werden in Xinjiang Hunderttausende Mitglieder der ethnischen Minderheit der Uiguren in Umerziehungslagern gefangengehalten. China bestreitet die Vorwürfe. Zuletzt brachte die Beratungsfirma Horizon die Aluminium-Produktion in Xinjiang mit Zwangsarbeit in Zusammenhang. Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, dürfte dies vor allem Auswirkungen auf die Automobilindustirie haben. Aber auch Baumwolle, Rohstoffe für Fotovoltaikzellen und anderes stammen aus Xinjiang. Die EU bereitet derzeit ein Lieferkettengesetz vor, nach dem Unternehmen künftig Verantwortung für Menschenrechtsverletzungen in ihren Lieferketten bekommen – und daher auch darauf achten müssen, ob Vorprodukte aus Xinjiang mit Zwangsarbeit hergestellt werden. Deutschland hat ein ähnliches Gesetz bereits verabschiedet, das nächstes Jahr in Kraft tritt.
Im März hatte China der UN-Menschenrechtskomissarin Michelle Bachelet endlich den Zugang nach Xinjiang* zugesagt. Noch im April solle eine Vorauskommission die Reise vorbereiten, hieß es damals. Ob der Beitritt zu den ILO-Konventionen damit im Zusammenhang steht, ist unklar. Auch ist unbekannt, ob die Planung der Reise Bachelets tatsächlich vorangeht.
China: Investitionsabkommen mit EU weiter auf Eis
Trotz des nun erfolgten Beitritts Chinas zu den ILO-Konventionen dürfte das Investitionsabkommen CAI derweil weiter in der Schwebe bleiben. Bisher gibt es dazu nur eine politische Einigung beider Seiten. Nun muss das EU-Parlament CAI ratifizieren, und die EU-Parlamentarier haben die Aufhebung von Sanktionen Pekings gegen EU-Abgeordnete sowie Diplomaten und Forschungseinrichtungen dafür zur Bedingung gemacht. Die Ratifizierung wiederum ist Voraussetzung dafür, dass EU-Kommission und Europäischer Rat miteinander über eine formale Unterschrift verhandeln. Im Gespräch mit Merkur.de sagte die China-Analystin Francesca Ghiretti von der Denkfabrik Merics unlängst, sie glaube nicht, dass CAI bald unterschrieben werde: „Die Situation hat sich nicht geändert: Die Sanktionen, die dafür verantwortlich waren, dass es auf Eis gelegt wurde, sind noch in Kraft“, so Ghiretti.
Auch die USA* haben auf die Zwangsarbeits-Vorwürfe gegen China reagiert. Ab Juni dürfen Unternehmen keine Waren mehr aus Xinjiang einführen, es sei denn, sie können nachweisen, dass diese nicht mithilfe von Zwangsarbeit produziert wurden.
Der deutsche EU-Abgeordnete Reinhard Bütikofer, der selbst von China mit Sanktionen belegt wurde, hält Pekings Beitritt zu den ILO-Konventionen für „besonders zynisch, denn an der Zwangsarbeit soll sich faktisch gar nichts ändern. Man behauptet nur frech, es gebe diese nicht und habe sie nie gegeben.“ Zu Merkur.de sagte der Grünen-Politiker: „Unser europäischer Maßstab muss sich an der Realität orientieren. Die Zwangsarbeit, der viele Uiguren nach wie vor unterworfen sind, muss beendet werden, statt so zu tun, als gäbe es diese brutale Menschenrechtsverletzung gar nicht.“ (sh) *Merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.