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Jetzt ist die Politik gefragt: Condor bittet um Staatshilfe - Politiker fordern Transparenz

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Von: Christian Deutschländer

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Düstere Stimmung: Thomas-Cook-Maschinen warten in Manchester auf den Einsatz.
Düstere Stimmung: Thomas-Cook-Maschinen warten in Manchester auf den Einsatz. © AFP / OLI SCARFF

Kann der Staat die taumelnde Fluglinie Condor retten? Schon einmal gab es eine solche Unterstützung für eine Airline. Sie hat ihre letzte Rate erst vor wenigen Tagen zurückgezahlt.

München/Berlin – Am Ende hatten die Sammler ein weites Herz für den Staat. Kistenweise ersteigerten Bieter die beliebten roten Schokoherzen mit dem Airberlin-Logo, die einst den Passagieren beim Aussteigen in die Hand gedrückt wurden. Bis zu 3,52 Euro pro 20-Gramm-Stück zahlten Liebhaber. Auch Maskottchen, Business-Class-Sitze, Kuscheldecken und sogar Airberlin-Kaffeebecher fanden 2018 Abnehmer. Der Erlös floss komplett in die Insolvenzmasse der Airline. Hauptprofiteur: der Staat.

Kein Scherz: Auch mit dem Erlös aus jener Auktion in Essen wurde die Rückzahlung des Millionenkredits möglich, den der Bund 2017 an die Fluglinie ausgereicht hatte. Vergangene Woche meldete der Insolvenzverwalter, die letzte Tranche der 150 Millionen Euro zurücküberwiesen zu haben. Zwar fehlen noch die Zinsen, bis zu 27 Millionen Euro, aber die Tilgung hat Symbolkraft: Viele Politiker und auch Luftfahrtexperten hatten nämlich insgeheim das Geld schon 2017 abgeschrieben.

Condor: Air-Berlin-Pleite wurde vorbildlich abgewickelt

Der Fall Air Berlin (merkur.de*) ist also für den Staat (nicht für die anderen Gläubiger) glimpflich ausgegangen. Gilt das nun auch für eine Condor-Hilfe? Der Alarmruf des bisher profitablen Ferienfliegers (4900 Mitarbeiter, 58 Maschinen) erreichte die Bundesregierung am Wochenende. 200 Millionen Euro brauche man dringend zur Überbrückung, weil die Thomas-Cook-Kunden schlagartig wegbrechen.

Zuständig dafür ist formal das Wirtschaftsministerium, entscheiden dürften die Spitzen der ganzen Koalition. Bis Redaktionsschluss am Montagabend beriet die Regierung noch. Kann, wer Airberlin half, dann Condor stehen lassen? Es könnte ja eine Zukunft für das Unternehmen geben, falls die Lufthansa einsteigt. Die CSU signalisierte vorsichtig Zustimmung. Ihr Fachpolitiker Volker Ullrich sagte, die Regierung müsse sich für Condor engagieren. Künftig müsse man Fluglinien aber „mehr abverlangen bei ihrer Insolvenzabsicherung“.

Condor-Rettung mit Staatshilfe: Politik ist gespalten 

Für die Politik ist das brisant – drei Tage nach den Klima-Entscheidungen der Koalition (merkur.de*), deren Ziel ja unter anderem eine Verteuerung des Flugverkehrs ist. Die Grünen äußern sich deshalb sehr zurückhaltend. „Der Bundestag braucht Transparenz, um den Vorgang bewerten zu können“, sagt ihre parlamentarische Geschäftsführerin Katharina Dröge auf Nachfrage. „Wir werden daher Wirtschaftsminister Altmaier bitten, bei der nächsten Sitzung des Wirtschaftsausschusses dazu Stellung zu nehmen.“

Aus der FDP kommen positive Signale. Die hessische Landesregierung, schwarz-grün geführt, brachte zudem eine Co-Bürgschaft des Landes ins Gespräch. Condor hat den Sitz in Oberursel (Taunus) bei Frankfurt.

Condor: Mögliche Staatshilfen keine Neuheit

Auch streng wirtschaftlich ist die Entscheidung kniffelig. Selbst wenn der Bund nicht direkt hilft, könnte er bei einer Condor-Pleite auf Millionenausgaben sitzen bleiben. Im Extremfall müsste nämlich der Staat, etwa mit der Bundeswehr, die Rückholung gestrandeter Urlauber organisieren. Da können auch nach dem Ende der Sommersaison noch zehntausende Reisende zusammenkommen. Aktuell sind 240.000 Passagiere mit Condor auf Reisen.

Neu ist für die Politik die Frage nach Staatshilfen nicht. 2009 in der Krise bei Opel und 2012 bei der Schlecker-Pleite waren schon Bürgschaften und Überbrückungshilfen im Gespräch, scheiterten aber unter anderem an der FDP und Teilen der Union. 1999 beim überschuldeten Baukonzern Philipp Holzmann sagte die rot-grüne Bundesregierung zwar weit über 100 Millionen Euro zu, zur Hilfe kam es aber nicht mehr. Auch Bayern hat damit schon Erfahrungen: In den Jahren nach 1987 stützte der Freistaat die marode Maxhütte mit Millionen – mittelfristig vergeblich.

Bei den großen Banken-Rettungen fällt die Bilanz schwerer. Die Commerzbank-Stabilisierung dürfte den Staat, so prognostizierte der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags vor zwei Jahren, Milliarden gekostet haben, bei einer Pleite und Chaos im Finanzsystem wäre der Schaden aber wohl höher gewesen. Die Landesbank, ab 2008 mit zehn Milliarden Euro in Bayern gerettet, zahlte bis 2017 rund 5,5 Milliarden Euro zurück, das war eine Auflage der EU-Kommission. Die restlichen Milliarden, vielleicht plus Zinsen, wurden für die kommenden Jahre versprochen.

Eine Mitarbeiterin von merkur.de* schildert Eindrücke aus einem Hotel auf Fuerteventure.

Video: Nach der Pleite: Thomas-Cook-Kunden bangen um Heimreise

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Christian Deutschländer

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