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Ausgangssperre: Verfassungswidrig oder nicht? FDP macht in Karlsruhe Ernst - und glaubt an Erfolg

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Von: Kathrin Reikowski

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Die FDP-Politiker Michael Theurer, Marco Buschmann und Stephan Thomae stellen ihre Verfassungsbeschwerde gegen das Infektionsschutzgesetz vor.
Beschwerde mit Maske: Die FDP hat ihre juristische Initiative gegen die Bundes-Notbremse vorgestellt. © Wolfgang Kumm/dpa

Jetzt sind die Corona-Ausgangsbeschränkungen ein Fall für das Bundesverfassungsgericht: Zahlreiche Beschwerden wurden eingereicht. Und ihre Zahl wächst.

Update vom 27. April, 12.15 Uhr: Der juristische Kampf einiger Akteure gegen die „Bundes-Notbremse“ und vor allem die Ausgangsbeschränkungen geht in eine nächste Runde: Am Dienstagvormittag haben 80 Mitglieder der FDP-Bundestagsfraktion eine Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe eingereicht, wie unter anderem der bayerische Abgeordnete Daniel Föst mitteilte.

Die seit Samstag gültigen Ausgangssperren seien ein „tiefer Grundrechtseingriff“, der aber allein auf den „nackten Inzidenzzahlen“ beruhe, sagte FDP-Parlamentsgeschäftsführer Marco Buschmann bei einer Pressekonferenz in Berlin. Völlig außer acht gelassen werde dabei, ob die Inzidenzen auf diffuse Ausbrüche oder auf bestimmte Cluster mit hohen Ansteckungsraten zurückgehen.

Es sei nicht so, dass die Bürger begründen müssten, warum sie ihre Freiheitsrechte wahrnehmen wollten, sagte Buschmann. Vielmehr müsse der Staat begründen, warum er diese einschränken wolle .Nach Buschmanns Überzeugung werden die zahlreichen Verfassungsklagen gegen die Notbremse durch die von der Bundesregierung geplanten Erleichterungen für vollständig Geimpfte keineswegs hinfällig.

Notbremse und Ausgangsbeschränkungen: Schon mehr als 60 Verfahren anhängig - weiterer Streit droht

„Wir freuen uns über jegliche Erleichterung“, sagte Buschmann. „Aber die rechtlichen Fragen erledigen sich damit auf keinen Fall.“ FDP-Fraktionsvize Stephan Thomae hatte am Montag bei Merkur.de* bereits vor einem mutmaßlichen Lockerungsplan der Kanzlerin gewarnt - dieser berücksichtige Freiheiten für Getestete nicht ausreichend.

Beim Bundesverfassungsgericht waren bereits bis Montag mehr als 65 Verfahren wegen der sogenannten Corona-Notbremse des Bundes anhängig. Eine genaue Angabe über die aktuelle Zahl der Eingänge sei nicht möglich, weil ständig neue hinzukommen könnten, hatte ein Sprecher in Karlsruhe mitgeteilt. Er machte keine Angaben dazu, wann mit einer Entscheidung zu rechnen sein könnte. Unklar ist zudem, ob Kläger zunächst Verwaltungsgerichte anrufen und sich dann durch die Instanzen klagen müssen.

Ausgangssperre: Verfassungswidrig oder nicht? Karlsruhe könnte die Regel nun stoppen

Das Licht einer Pollenanlage im Stadtzentrum leuchtet in der Nacht.
Ausgangssperre zwischen 22 Uhr und 5 Uhr - hier in Wernigerode (Sachsen-Anhalt). Könnte das Bundesverfassungsgericht die Ausgangssperre noch kippen? © Matthias Bein, dpa Bildfunkg

Erstmeldung: Karlsruhe - Seit Samstag gilt eine bundesweite Ausgangssperre zwischen 22 Uhr und 5 Uhr in Gebieten mit einer Inzidenz* über 100. Die nächtliche Ausgangssperre ist der wohl umstrittenste Punkt der sogenannten Corona-Notbremse. Ist sie besonders wirkungsvoll - oder sogar kontraproduktiv, weil sich Menschen dann vermehrt in Innenräumen treffen? Und: Greift die Ausgangssperre zu stark in die Grundrechte ein?

Ohne „harte Maßnahmen wie nächtliche Ausgangssperren“ habe kein Land bisher die dritte Welle der Pandemie gebrochen, sagte Angela Merkel (CDU*) am Freitag. Doch bereits kurz nach Inkrafttreten der Notbremse waren 25 Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht anhängig, die sich gegen die Ausgangssperren oder das Gesamtpaket richteten. Die Zahl dürfte über das Wochenende nochmals zugenommen haben. Werden die Karlsruher Richter die Ausgangssperre stoppen?

Nächtliche Augangssperre: Diese Gegenargumente werden vor das Bundesverfassungsgericht gebracht

Der Bund habe weder die Kompetenzen noch die Mittel, um derart nach unten „durchregieren“ zu können, ohne dass
regionale Besonderheiten einfließen könnten, findet der Bundesvorsitzende der Freien Wähler, Hubert Aiwanger. „Der Bund wird übergriffig mit einer Politik, die nicht sinnhaft ist“, sagte er. Die Ausgangssperren bezeichnet er als „großen Fehler, der verfassungsrechtlich unzulässig“ sei. „Dieses Vorgehen der Bundesregierung ist demokratieschädlich, weil es andere Institutionen, Länder und Kommunen aushebelt.“ Die Freien Wähler waren eine der ersten, die sich an das Bundesverfassungsgericht wandten. Der SPD-Abgeordnete Florian Post folgte, ebenso wie die FDP.

Am Sonntag teilte auch die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) mit, dass sie in Karlsruhe Verfassungsbeschwere eingereicht habe. Die GFF ist ein Verein, der sich auf strategische Prozessführungen spezialisiert hat. Ulf Buermeyer, der Vorsitzende, war bereits wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Bundesverfassungsgericht. Unterstützt wird sein Antrag von Politikerinnen und Politikern von SPD*, FPD*, Grünen* und Linke*. Die GFF wolle sich „ausdrücklich zum Ziel der Pandemiebekämpfung“ bekennen und nicht das gesamte Notbremse-Gesetz kippen, so Buermeyer. Die Grenzen der Verfassung müssten aber eingehalten werden. Dies sei nun nicht mehr der Fall.

Ausgangssperre ein Fall für das Bundesverfassungsgericht - doch das Problem dürfte woanders liegen

Zunächst war völlig offen, ob das Bundesverfassungsgericht die nächtliche Ausgangssperre tatsächlich als verfassungswidrig einstufen wird. Die „Freiheit der Person“ ist im zweiten Artikel des Grundgesetzes festgelegt. Die Verfassungsrichter könnten sich jedoch auch darauf verständigen, dass der vorübergehende Charakter schwerer wiegt und durch die Ausgangssperre ein größeres Unheil in der Pandemie* abgewendet wird.

Seit Beginn der neuen Regelung dürfte jedoch ein anderes Problem in Bezug auf die Ausgangssperren vorherrschen: Wer sich warum nach 22 Uhr noch im Freien aufhält, das ist für Ordnungsbehörden nur schwer nachzuvollziehen. „Eine flächendeckende Kontrolle der Ausgangssperren ist für die Polizei und die zuständigen Ordnungsbehörden der Kommunen kaum möglich“, sagt Dietmar Schilff, Vize-Chef der Gewerkschaft der Polizei, der Bild am Sonntag. (kat) *Merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.

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