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Altmaier wird wegen Corona-Problemen attackiert - und spricht vom Zwist der Ministerien

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Von: Christian Deutschländer

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Die finanziellen Hilfen für den Handel bleiben irgendwo hängen. Die Union verliert die Geduld mit Merkel-Freund Peter Altmaier. Der Minister ist in einen „Guerillakampf“ verwickelt.

Berlin/München – Es muss ein veritabler Wutanfall gewesen sein, so schildern es mehrere Augenzeugen. „Ich bin es wirklich leid zu betteln und zu flehen“, schnauzte Fraktionschef Ralph Brinkhaus. „Mir ist völlig wurst, warum das scheitert und an wem. Ich will, dass jetzt Geld fließt.“ Das sei alles schlecht gelaufen. Brinkhaus, bisher nicht mit emotionalen Explosionen aufgefallen, sei „echt ausgerastet“, heißt es in der Union.

Auslöser und Ziel der Wallungen in der virtuellen Fraktionssitzung am Dienstag war Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier. Der erfahrene CDU-Mann und langjährige Merkel-Vertraute hatte zuvor wortreich erläutert, woran die Auszahlung der Corona-Überbrückungshilfe III an die Wirtschaft bisher scheitere. Dabei werden ab November 2020 fixe Betriebskosten wie Mieten, Zinsen oder Strom an zwangsgeschlossene Betriebe erstattet. Es geht inzwischen um dreistellige Milliardensummen.

Corona-Hilfen für die Wirtschaft schleppend - „Guerillakampf“ zwischen Ministerien?

Auch nach Monaten im Lockdown waren noch nicht mal Anträge möglich. Altmaier schiebt das aufs Finanzministerium, beklagt einen „ständigen Guerillakampf“ mit Olaf Scholz (SPD). Altmaier vertröstete die eigene Fraktion mehrfach. Zuletzt gelobte er, Anfang Februar würden Abschläge gezahlt. Am Mittwoch Abend verbreitete er, ab sofort klappe die Online-Beantragung, dann müssten die Länder die Bescheide endgültig erlassen.

Er bekommt, auch weil er für seine eigenen Leute greifbar ist, seit Wochen einen stark wachsenden Zorn der Union ab. Vor Ort werden Abgeordnete von ihrer Wirtschaft beschimpft, für verschleppende Hilfen und für Altmaiers Aussage, bis Ostern werde man wohl im Lockdown bleiben. Ein „absolutes Desaster“ sei das, soll die CSU-Abgeordnete Daniela Ludwig in ihrer Landesgruppe getobt haben, „ständig wird den Leuten eine Wurst unter die Nase gehalten und dann weggezogen“. Von einer „Behördenposse“ spricht die fränkische Abgeordnete Emmi Zeulner. Sie forderte Altmaier indirekt auf, sein Ministerium in den Griff zu bekommen: „Nicht alle in Deinem Haus meinen es gut mit Dir“, wird sie aus der Fraktionsschalte zitiert.

Im Juli 2020 war Peter Altmaier optimistisch, was die Corona-Finanzhilfen betrifft. gibt es mächtig Gegenwind
Im Juli 2020 war Peter Altmaier optimistisch, was die Corona-Finanzhilfen betrifft. gibt es mächtig Gegenwind. © Kay Nietfeld/dpa

Zeitgleich hat es sich Altmaier mit den wichtigsten Ministerpräsidenten verscherzt. „Seit November bis Ende Februar hat der Bund gar nichts auf die Kette gekriegt“, rief NRW-Regent und CDU-Chef Armin Laschet diese Woche im Landtag. Der CSU-Vorsitzende Markus Söder äußert sich im kleinen Kreis noch kantiger.

Peter Altmaier in der Corona-Krise: Von der „Allzweckwaffe“ zum kritisierten Ressortchef

Alle Unions-Kritiker meinen explizit Scholz mit; das ist durch seine SPD-Kanzlerkandidatur zusätzlich aufgeladen. Doch auch so wird es für Altmaier allmählich eng. Merkel sei in der Fraktionssitzung bei Brinkhaus’ Donnerwetter „zur Salzsäule erstarrt“, sagt ein Teilnehmer. Einmal schon entschuldigte sich Altmaier öffentlich, via Bild, aber mit dem halbherzigen Nachsatz: „Wenn ich irgendeine Möglichkeit gesehen hätte, es zu beschleunigen, ich hätte es gemacht.“

Für den Saarländer geht damit die Achterbahnfahrt weiter. Zu guten Zeiten preisen ihn Berliner Journalisten als Merkels „Allzweckwaffe“. Der Volljurist war Umweltminister, Kanzleramtschef in der Hochphase der Flüchtlingspolitik, sogar Interims-Finanzminister; er kennt den Polit-Betrieb sehr gut. Keiner wirft dem Arbeitersohn vor, er sei abgehoben, arrogant. Hartnäckige Kritiker pflegt der 62-Jährige in seine 240-Quadratmeter-Altbauwohnung einzuladen und mit Pasta zu bekochen – Charmeoffensiven eines Uneitlen.

Zu schlechten Zeiten, und das sind vor allem die im Wirtschaftsressort, gilt er als visionslos und träge. „Politik ohne Kompass“ bescheinigt ihm die Neue Zürcher Zeitung. Marktliberale in der Union sind von ihm enttäuscht. Vor 13 Monaten sagte Söder öffentlich, dass er das Bundeskabinett gerne umbilden würde und nannte den Bereich „Wirtschaft und Innovation“. Die Pandemie rettete Altmaier vorerst das Amt. Spätestens mit der Wahl im Herbst, so heißt es in der Union, werde das vorbei sein.

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