Doch es ist ein schmaler Grat. Auch in Merkels Umfeld weiß man um die riesigen Öffnungserwartungen in der Bevölkerung, glaubt wegen der Mutationen aber nicht daran, in nächster Zeit die magische 35er-Inzidenz überhaupt erreichen zu können. Hinter vorgehaltener Hand heißt es in der Bundesregierung, aus epidemiologischer Sicht werde man wohl erst um Pfingsten herum soweit sein, dass im größeren Stil geöffnet werden kann, wegen der dann fortgeschrittenen Impfungen auch von Menschen mittleren Alters mit Vorerkrankungen sowie dem Sommer-Effekt. Pfingsten ist Ende Mai.
Noch mehr als die im Herbst aus dem Amt scheidende Kanzlerin muss Söder parteiintern die Stimmung beachten. Hier gilt es frühzeitig „abzufedern“, damit der Rückhalt weiter hoch bleibt. Und: Ohne Lockerungen drohe sich die Bevölkerung vom generellen Corona-Kurs abzuwenden, heißt es parteiintern. Das will auch Merkel vermeiden, zumal ihr neben dem Gesundheitsaspekt sehr daran gelegen sein dürfte, dass die guten Umfragewerte für die Union erhalten bleiben.
Vieles spricht daher dafür, dass sich Söder wie Merkel am Mittwoch für einen Weg einsetzen werden, der genau diese Gemengelagen unter einen Hut bringt. „Wir brauchen ein nachvollziehbares Konzept, das sowohl bei besser werdenden Inzidenzen Öffnungen vorsieht, aber auch die Möglichkeit der Sicherheit bietet, wenn es schlechter wird“, sagte Söder am Freitag der Deutsche Presse-Agentur. Es brauche einen Sicherheitspuffer für Folgen der Mutationen. Merkel spricht von Paketen aus den Bereichen Kontaktbeschränkungen, Schule, Hochschule sowie Geschäfte, Restaurants, Hotels, Kunst, Kultur und Sport.
Vieles wird davon abhängen, worauf sich die anderen Ministerpräsidenten als Kompromiss einlassen. Aus Söders Umfeld ist zu hören, dass die Matrix, anders als etwa die eine Zeit lang diskutierten Öffnungskonzepte, mehr Faktoren wie Impfraten und Schnelltests berücksichtige. Zumindest wenn diese hoffentlich in einigen Wochen wirklich in nennenswertem Umfang vorliegen.
Auch NRW-Ministerpräsident Armin Laschet, dem lange das Image anhing, zu forsch auf Lockerungen zu setzen, äußert sich zurückhaltend. Obwohl er erst vor kurzem mit plakativer Kritik an harten Corona-Grenzwerten aufhorchen ließ. „Es gilt weiter das Gebot, vorsichtig zu sein“, sagte der CDU-Chef am Freitag nach Beratungen mit Merkel. „Öffnungen sind nur da möglich, wenn wir dadurch schwere Schäden auffangen können.“
Kernelemente des neuen Konzepts dürften weiterhin die Inzidenzstufen 35, 50 und 100 bleiben. Je nach Infektionslage wären dann etwa unter 35 regional mehr Öffnungen für Geschäfte, mehr Kontakte und mehr Schulunterricht möglich, bei schlechteren Werten aber auch Verschärfungen festgeschrieben. Im Grunde wäre das also wieder eine Corona-Ampel, wie es sie so ähnlich schon im vergangenen Jahr gab.
Letztlich warnt Söder weiter vor überstürzter Hektik, unüberlegten Experimenten und dem Ende der bundeseinheitlichen Philosophie. Dazu passend will er am Montag mit seinem sächsischen Kollegen Michael Kretschmer (CDU) einen Zehn-Punkte-Plan für eine Covid-19-Allianz beider Länder präsentieren. Klarheit gibt es aber erst am Mittwoch. (dpa/fn)