Lauterbach nennt neuen Corona-Grenzwert „alles andere als optimal“ - und sieht zwei systematische Fehler

Eigentlich dient sie als neuer Indikator für die Corona-Maßnahmen: die Hospitalisierungsrate. SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach übt an dieser nun Kritik und warnt vor einer weiteren Verschärfung der Situation.
Berlin - Die Sieben-Tage-Inzidenz in Deutschland ist auf einem Höchststand, die Intensivstationen füllen sich, ein neues Infektionsschutzgesetz wurde verabschiedet und in vielen Regionen Deutschlands sind nun strenge Maßnahmen zu erwarten. Epidemiologe und SPD-Bundestagsabgeordneter Karl Lauterbach äußert nun unter anderem scharfe Kritik an den Neuerungen im Umgang mit der Corona-Pandemie.
In einem Interview mit t-online bezeichnete Lauterbach die aktuelle Phase der Pandemie als „bisher schlimmste Krise“ und kritisiert die Einstellung, der zufolge die Impfung die Allheillösung für die Coronakrise sei. Wie bereits zuvor in der Pandemie betonte Lauterbach, dass man früher hätte handeln müssen. Eine zu einem Drittel ungeimpfte Bevölkerung, das schlechtere Wetter im Herbst sowie die ansteckendere Delta-Variante treiben laut Lauterbach die Infektionszahlen in die Höhe.
Lauterbach bezeichnet aktuelle Lage als „bisher schlimmste Krise“
Diese Entwicklung sei frühzeitig vorausgesagt worden. Deutschland sei bisher gut durch die Pandemie gekommen, die Politik hätte in der aktuellen Situation jedoch vier bis fünf Wochen früher schärfere Maßnahmen durchsetzen müssen. Es sei „frustrierend“, dass die Berater und Politiker, die vor der aktuellen Lage gewarnt haben, „sich nicht durchsetzen konnten“.
Für ganz besonders problematisch hält der SPD-Gesundheitsexperte jedoch die Hospitalisierungsrate als neuer maßgeblicher Indikator für Maßnahmen. Trotz der kritischen Lage sinkt die Hospitalisierungsrate nach Angaben des RKI seit einigen Tagen. Der Grund: Diese sei aufgrund zweier Fehler bei der Messung systematisch zu niedrig, so Lauterbach. Zum einen würden nur Fälle der vergangenen sieben Tage aufgenommen werden. „Dieser Verlauf ist zu kurz“, so Lauterbach. Oft würde es nämlich von der Infektion bis zur Aufnahme im Krankenhaus länger dauern. Zum anderen würden die Meldungen häufig erst mit einer großen Verzögerung beim RKI anmelden, was die Werte verfälscht.
Lauterbach mahnt zur Umsetzung der Maßnahmen: „Anders wird es uns nicht gelingen“
„Die Hospitalisierungsrate ist alles andere als ein optimaler Parameter“, schlussfolgert Lauterbach in seinem Interview mit t-online. Die zusätzliche Beachtung der Inzidenz sei daher wichtig. Andernfalls „werden die Länder es schwer haben, rechtzeitig gegenzusteuern.“ Lauterbach geht davon aus, dass mit den nun beschlossenen Maßnahmen eine allgemeine Impfpflicht, wie sie in Österreich ab Februar 2022 eingeführt werden soll, in Deutschland nicht notwendig sein wird. Besonders wichtig sei in diesem Zusammenhang jedoch, dass sich mehr Ungeimpfte impfen und die bereits geimpften Personen ein drittes Mal immunisieren lassen.
Ob weitere Einschränkungen im Laufe des Winters kommen werden, könne man laut Lauterbach aktuell nicht vorhersagen. Zentral sei es nun, die Maßnahmen gezielt umzusetzen: „Wenn wir 2G und 2G plus nicht konsequent einhalten, werden wir ein sehr großes Problem bekommen – mit entsprechenden Verschärfungen als Folge.“ Er hoffe, dass drastische Maßnahmen wie in Österreich noch zu verhindern sind und betont: „Aber das heißt eben auch: Wir müssen jetzt wirklich richtig Ernst machen. Anders wird es uns nicht gelingen.“ at