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Ampel bei der Impfpflicht in Not? CDU stichelt auf offener Gipfel-Bühne gegen Scholz - Ärzte verlieren die Geduld

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Von: Florian Naumann

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Die Spitzen der Ampel-Regierung, Robert Habeck, Olaf Scholz und Christian Lindner (v.l.), im Bundeskanzleramt.
Die Spitzen der Ampel-Regierung, Robert Habeck, Olaf Scholz und Christian Lindner (v.l.), im Bundeskanzleramt. © Reiner Zensen/imago images

Die Zukunft der Impfpflicht bleibt im Vagen, auch nach dem Corona-Gipfel. Die CDU erhöht den Druck auf Olaf Scholz. Der übt sich in Gelassenheit - anders als die Kinderärzte im Land.

Berlin - Die Impfpflicht droht für die Ampel-Regierung zu einer offenen Flanke zu werden: Kanzler Olaf Scholz (SPD) hatte im Dezember einen schnellen Entschluss in Aussicht gestellt - mittlerweile scheint das Thema aber auf die lange Bank geschoben zu werden. Die Union nimmt SPD, Grüne und FDP deshalb zunehmend unter Beschuss.

Sogar bei der Pressekonferenz nach dem Corona-Gipfel am Freitag trat das Thema als Streitpunkt hervor: Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) forderte auf dem Podium neben Scholz einen straffen Zeitplan - für die Union scheint das Thema zu einer Gelegenheit zur Profilierung zu werden. Der Kanzler ließ die Forderungen indes abperlen: Er habe „ja dafür gesorgt, dass wir jetzt in Deutschland über eine allgemeine Impfpflicht diskutieren und dass das jetzt Konsens ist“, sagte der Kanzler. Und verteidigte den Plan, den Bundestag ohne Fraktionszwang entscheiden zu lassen - das sei „bei einem so weitreichenden Beschluss eine angemessene Vorgehensweise“.

Eine bemerkenswerte Erkenntnis immerhin: Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) verkündete ein „Bekenntnis aller 16 Bundesländer zu einer Impfpflicht“ - den von Scholz angesprochenen „Konsens“. Auch sie verlangte zugleich „die Zeit für die notwendigen demokratischen Prozesse“. Der Ausgang der Debatte scheint aber weiter offen. Und der Druck wächst: Ärzte und Kinderärzte meldeten sich am Freitag mit einer Forderung nach einer „sofortigen“ allgemeinen Impfpflicht zu Wort. Die Kassenärzte zweifelten unterdessen, ob die Pflicht überhaupt kommen werde, bevor die „Corona-Gefahr“ vorüber sei.

Corona-Impfpflicht: CDU setzt Scholz unter Druck - „sonst stehen wir wieder dumm in der Gegend rum“

Der Hintergrund des Streits: Die Aussicht auf eine schnelle Einführung einer erweiterten Corona-Impfpflicht scheint zu sinken. Die SPD-Fraktion rechnet womöglich erst bis Ende März mit dem Abschluss des Gesetzgebungsprozesses. Aus Parlamentskreisen verlautete, dass sich die Beratungen im Bundestag zur Einführung einer erweiterten Corona-Impfpflicht verzögern. Demnach soll es Ende Januar eine „Orientierungsdebatte“ geben, konkrete Gesetzentwürfe sollen erst Mitte Februar diskutiert werden. Liegen könnte das auch an der gespaltenen Haltung der FDP zum Thema - Druck vom Kanzler könnte zu einer Belastungsprobe für die Koalition werden.

Wüst wollte aber Einwände schon vor dem Gipfel nicht gelten lassen. Die Vorbereitung einer allgemeinen Impfpflicht gehört nach Ansicht des CDU-Politikers zu einer vorausschauenden Pandemiepolitik. „Ich glaube, das muss vorbereitet werden. Wenn man‘s am Ende nicht braucht, sei es drum. Aber wenn man‘s braucht und man hat‘s nicht vorbereitet, stehen wir wieder dumm in der Gegend rum“, sagte Wüst am Freitag kurz vor dem Corona-Gipfel dem TV-Sender Welt. Die Bundesregierung müsse sich dem Thema Impfpflicht stellen.

Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) kritisierte den Kanzler im ARD-„Morgenmagazin“ - und warf Scholz implizit ein Wegducken vor: „Der kann das jetzt nicht ans Parlament delegieren und kann sagen: ‚Jetzt sollen die sich mal zusammenfinden‘“, sagte er. Das Vorgehen ist allerdings bei heiklen Entscheidungen nicht unüblich. Bei der „Ehe für alle“ oder dem Thema Organspende hatte auch Angela Merkel letztlich ähnlich gehandelt.

Omikron und die Impfpflicht: Kinderärzte verlieren Geduld mit Ampel - andere sehen die Pläne schon als veraltet

Das Meinungsbild unter Experten und Verbänden ist unterdessen weiter gespalten. Die deutschen Kinderärztinnen und Kinderärzte fordern die schnelle Einführung einer Corona-Impfpflicht für alle Erwachsenen. Er wolle „eine allgemeine Impfpflicht, und zwar sofort“, sagte der Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte, Thomas Fischbach, der Neuen Osnabrücker Zeitung am Freitag. Die Politik habe sich viel zu lange vor dem unbequemen Thema gedrückt und wolle die Impfpflicht nun auf die lange Bank schieben, kritisierte Fischbach. „Das wäre fatal, denn umso länger müssen Kinder und Jugendliche unter den Einschränkungen leiden.“ 

Die niedergelassenen Ärzte sehen eine allgemeine Impfpflicht auch als „Zeichen der sozialen Verantwortung“. Dieses Zeichen habe insbesondere das medizinische Personal verdient, für das bereits eine Impfpflicht beschlossen wurde, erklärte der Bundesvorsitzende des Verbands, Dirk Heinrich. Deshalb müsse der Bundestag so bald als möglich die allgemeine Impfpflicht beschließen, forderte Heinrich. Die Aufhebung des Fraktionszwanges sei dabei nicht zielführend. 

„Bis wir dies alles erarbeitet haben, ist die Corona-Gefahr vermutlich wirklich vorbei.“

Kassenärzte-Chef Andreas Gassen über die Impfpflicht-Pläne der Bundesregierung

Der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, unterstrich hingegen seine ablehnende Haltung: „Impfen ist das wirksamste Instrument im Kampf gegen das Virus. Trotzdem halte ich nach wie vor nicht viel von einer Impfpflicht“, sagte Gassen der Rheinischen Post. Es gebe allein schon zu viele organisatorische Hindernisse, um dieses Vorhaben in kurzer Zeit starten zu können. Bis rechtliche und logistische Fragen geklärt seien, „ist die Corona-Gefahr vermutlich wirklich vorbei.“

Ein weiteres Problem sei die nachlassende Wirksamkeit des Impfstoffes: „Man kann den Leuten nicht ernsthaft eine Impfpflicht auferlegen und dann feststellen, dass die Wirkung des Impfstoffes immer nur ein paar Monate hält“, sagte Gassen der Zeitung weiter. Durch die Impfpflicht werde „letztlich keine relevante Erhöhung der Impfquote im Vergleich zu einer intensiven Impfkampagne, flankiert von Maßnahmen wie 2G“ erreicht.

Corona-Impfung: Grüne-Ministerin appelliert an Erwachsene

Bundesfamilienministerin Anne Spiegel (Grüne) ermahnte derweil die Erwachsenen, sich auch zum Wohle der Kinder impfen zu lassen. „Ich appelliere besonders an Eltern, Erzieherinnen und Erzieher und Lehrkräfte: Seien Sie solidarisch“, sagte Spiegel der Rheinischen Post. „Sie schützen mit der Impfung und dem Boostern nicht nur sich, sondern vor allem auch die Ihnen anvertrauten Kinder und Jugendlichen.“ Die Jüngeren bräuchten gerade jetzt, da sich die Omikron-Variante des Coronavirus schnell verbreitet, „unseren besonderen Schutz“, fügte Spiegel hinzu. „Wir dürfen uns durch Hinweise auf tendenziell mildere Verläufe nicht in Sicherheit wiegen.“

Ein schlechtes Beispiel in Sachen Impfpflicht lieferte kurz vor dem Wochenende Österreich: Dort bahnen sich bei der Umsetzung der Regelung erneut Probleme an. Das für Gesundheitsdaten zuständige Informationssystem Elga und deren Partner benötigten für die technische Umsetzung der Impfpflicht über das nationale Impfregister mindestens bis 1. April 2022, heißt es in einer am Freitag bekanntgewordenen Stellungnahme zum Gesetz über die Impfpflicht. Man sei bei Erstellung des Begutachtungsentwurfs nicht konsultiert worden, hieß es vonseiten Elgas. (AFP/dpa/fn)

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