„Unfassbar“: Hamburg unterläuft wohl gravierender Fehler bei Corona-Inzidenz von Ungeimpften

Die Hamburger Behörden versuchen seit längerem, die Corona-Zahlen für Geimpfte und Ungeimpfte separat auszuweisen. Dabei passierte offenbar ein schwerwiegender Fehler.
Hamburg - Seit Wochen warnen die Gesundheitsbehörden und die Politik davor, dass sich vor allem Ungeimpfte mit dem Coronavirus infizieren. Recherchen haben jetzt gezeigt, dass in Hamburg abweichende Zahlen veröffentlicht worden sind. Offenbar waren gar nicht so viele Corona-Infizierte ungeimpft, wie von Bürgermeister Peter Tschentscher verkündet.
Gravierender Fehler bei Inzidenz von Ungeimpften: Hamburger Behörde lenkt ein
Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) sagte am 16. November in einer offiziellen Pressekonferenz, der Anteil der Ungeimpften unter den neuen Corona-Infizierten läge bei über 90 Prozent. In einer Grafik wurde gezeigt: In der Kalenderwoche 45 (08.11.2021 - 14.11.2021) gab es 3.452 neue Fälle in Hamburg. Mit 91,5 Prozent ungeimpften und 8,5 Prozent geimpften Infizierten ergebe das eine Sieben-Tage-Inzidenz von 605 bei den ungeimpften, von 22 bei den geimpften Personen.

Nun stellte sich aber heraus, dass bei der Mehrheit der Fälle der Impfstatus gar nicht bekannt war. Die Abgeordnete Anna von Treuenfels (FDP) hat den Hamburger Senat um Auskunft gebeten. Die Antwort und die darin enthaltenen Zahlen liegen dem NDR und der Welt vor.
Es zeigt sich eindeutig: Die Zahlen in der Senatsantwort weichen sehr stark von jenen ab, die der Landeschef im November präsentiert hat. Für die Kalenderwoche 45 gibt der Senat 3.466 neue Corona-Fälle an. Von diesen sind 14,3 Prozent ungeimpft, 22,5 Prozent geimpft, der Rest: unbekannt. Wie passt das mit den angeblich 90 Prozent ungeimpften Fällen zusammen, die Tschentscher bei der Pressekonferenz angegeben hat?
Kalenderwoche | Gesamtzahl der Fälle | Ungeimpfte | Geimpfte | nicht erhoben | nicht ermittelbar |
---|---|---|---|---|---|
45 | 3.466 | 14,3 % | 22,5 % | 62,9 % | 0,3 % |
Quelle: SurvNet-Auswertung des Infektionsepidemiologischen Landeszentrums, Datenstand: 8. Dezember 2021 via NDR.de
Abweichende Corona-Inzidenzen: Hamburger Sozialbehörde bezieht Stellung
Ein Sprecher der Hamburger Sozialbehörde, Martin Helfrich, erklärte gegenüber dem „Hamburg Journal“ (NDR), dass das Problem bei den Gesundheitsämtern liege. Dort werde der Impfstatus nicht nur abgefragt, sondern auch ein Nachweis überprüft. Positiv getestete Personen müssen dem Gesundheitsamt also ein Impfzertifikat vorlegen. „So lange aber kein Nachweis eingereicht ist, können wir naturgemäß nicht unterscheiden, ob die Person das schlicht versäumt hat oder sie keinen Nachweis erbracht hat, weil sie über keinen Impfnachweis verfügt“, so Helfrich weiter.
Die Welt hat Bürgermeister Tschentscher und Senatssprecher Marcel Schweitzer um eine Stellungnahme zu den Abweichungen gebeten. „In der Landespressekonferenz wird die Corona-Lage auf Basis des Corona-Briefings vorgetragen, das von der fachlich zuständigen Behörde wöchentlich zusammengestellt und als Pressemitteilung veröffentlicht wird“, so Schweitzers Antwort. Die veröffentlichten Zahlen seien hingegen „einer Antwort der fachlich zuständigen Behörde auf eine parlamentarische Anfrage entnommen“.
Hamburger Senat verzichtet zukünftig wegen Meldeverzugs auf Veröffentlichung
Außerdem meinte der Sprecher: „Wegen des erhöhten Infektionsgeschehens können die Angaben zum Impfstatus zum Teil erst mit erheblichem Zeitverzug eingegeben werden.“ Wegen dieses Verzugs würden in Zukunft keine zwei Inzidenzwerte für Geimpfte und Ungeimpfte mehr veröffentlicht werden, heißt es weiter in der Welt. Markus Söder (CSU) sah sich kürzlich vor ganz ähnlichen Vorwürfen.
Wolfgang Kubicki (FDP) vermutet in den Zahlen kein Versehen, sondern wirft dem Bürgermeister vor, mit Absicht falsche Daten veröffentlicht zu haben. „Es ist unfassbar und für das Vertrauen in die Lauterkeit staatlichen Handelns eine Katastrophe, wenn eine Landesregierung ganz offensichtlich manipulierte Zahlen vorlegt“, sagte Kubicki der Welt am Sonntag. Er verlangt eine Erklärung, „warum der Hamburger Senat es für nötig hält, seine Bürgerinnen und Bürger mit solchen Tricks zu hintergehen.“ (lb) *Merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA