Enttäuschung für Spahn: Februar-Ziel unerreichbar? Weiter enorme Lücken bei Corona-Software in Gesundheitsämtern

Bis Ende des Monats sollte die einheitliche Software „Sormas“ in allen Gesundheitsämtern laufen - doch es gibt weiter Probleme. Auf beiden Seiten herrscht Frust.
München - Ein einheitliches Vorgehen gegen Corona* - das bleibt wohl weiterhin ein Wunschtraum in Deutschland. Nicht nur haben die Länder ständig eigene Vorstellungen, wie die Pandemie am besten zu bekämpfen sei. Auch viele der 375 Gesundheitsämter kochen lieber ihr eigenes Süppchen und ignorieren die Vorgaben von Bundesminister Jens Spahn* (CDU*) - zumindest, was die Verarbeitung der Corona-Daten angeht. Die einheitliche Software „Sormas“ wird immer noch von vielen Ämtern abgelehnt und das Ziel des Bundes, alle Ämter bis Ende des Monats zu vereinheitlichen, rückt in weite Ferne. Der Frust auf beiden Seiten ist groß.
128 Verträge noch nicht unterschrieben - Gesundheitsämter ignorieren Pläne der Regierung
Entwickelt hat die Software das Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig. Dort herrschen berechtigte Zweifel, dass das Ziel von Bund und Ländern rechtzeitig erreicht werden kann. Aktuell ist das Programm erst in 247 der 375 Ämter installiert, lässt Gérard Krause, Leiter der Abteilung für Epidemiologie des Zentrums, gegenüber Merkur.de* auf Anfrage wissen. 128 Verträge wurden noch nicht unterschrieben.
Corona in Deutschland: Erst in 84 von 375 Ämtern läuft die neue Software - „Kein Bedarf“
Dabei drängt die Zeit. „Wenn diese in den kommenden zwei Tagen eintreffen, können wir seitens des Projekts die Installation für alle Ämter bis Ende Februar zusichern“, so Krause. „Ob alle Ämter die Verträge aber noch diesen Monat unterzeichnet zusenden werden, können wir nicht einschätzen. Alle noch ausstehenden Ämter hatten bereits vor Wochen unaufgefordert die Vertragsunterlagen und die diesbezüglichen Zusatzinformationen zugesandt bekommen“, erklärt der Epidemiologe.
Helmholtz-Zentrum: Schulungen für die neue Software
Auch wenn sie in vielen Ämtern schon installiert ist - laut einer Recherche der Welt haben nur 84 der Ämter die kostenlose Software überhaupt in Betrieb genommen. Die Sozialbehörde Hamburg beispielsweise habe demnach „keinen Bedarf“ an ihr, andernorts wird darauf hingewiesen, man sei „überlastet und könne daher nicht zusätzlich neue Software einführen sowie dafür die Mitarbeiter schulen lassen.“
Kruse hält dagegen: Sein Zentrum biete „seit Monaten umfängliche Schulungs- und Informationsveranstaltungen an, die insgesamt stark, aber nicht von allen Ämtern gleichermaßen intensiv wahrgenommen werden.“
Deutsche Gesundheitsämter: Mangelnde Kompatibilität als großer Schwachpunkt
Die fehlenden Schnittstellen zu anderen Programmen und die mangelnde Kompatibilität sollen laut Welt große Minuspunkte des Programms sein. Deswegen warten viele Ämter noch mit der Nutzung.
Die Kontaktnachverfolgung, Quarantänekontrolle und das regionale Ausbruchsgeschehen sollen mit der neuen Software besser und effizienter kontrolliert werden können. Telefonate und Dateneingaben sollen dadurch wegfallen, der Austausch von Fällen digitalisiert werden. Im besten Fall könnte sie dazu führen, dass die Corona-Maßnahmen von Bund und Ländern schneller aufgehoben werden.
Das Gesundheitsministerium hält noch an dem Plan fest, doch kennt die Probleme. „Unbestritten ist, dass die Vielfalt der bestehenden Softwarelösungen die Einführung und Verknüpfung mit neuen Softwarelösungen erschwert“, erklärt eine Sprecherin. „Die Entwicklung der fehlenden Schnittstellen zu kommerziellen Programmen ist ganz wesentlich von den Herstellern selbst abhängig.“
Kritik an der Regierung aus der Opposition - „Große Enttäuschung“
Die Oppositionsparteien kritisieren die schleppende Einführung von Sormas - und sehen die Regierung in der Pflicht. „Die Menschen erwarteten zu Recht eine Öffnungsperspektive*. Es ist daher eine große Enttäuschung, dass die letzten Monate nicht konsequenter genutzt wurden, Sormas voranzubringen“, so Marco Buschmann, der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der FDP im Bundestag.
Linken*-Fraktionsvorsitzender Dietmar Bartsch schießt gegen die Kanzlerin und den Gesundheitsminister: „Angela Merkel* und Jens Spahn bemühen bei jeder Lockdown-Verlängerung die Bedeutung der Kontaktverfolgung durch die Gesundheitsämter. Gleichzeitig agiert die Bundesregierung, als hätten diese keine Priorität.“ *Merkur.de ist Teil des Ippen-Digital-Netzwerks.