Kommentar zu Corona-Masseninfektionen in Fleischbetrieben: Organisierte Verantwortungslosigkeit
Die Corona-Krise bringt Missstände an den Tag, vor denen viele bisher die Augen verschlossen haben. Die Masseninfektionen in Fleischbetrieben sind ein Skandal. Die Politik muss jetzt handeln. Ein Kommentar von Merkur-Chefredakteur Georg Anastasiadis.
- In der Corona-Krise* rückt die Fleischindustrie in den Fokus - dort gibt es eine hohe Zahl an Infizierten.
- Georg Anastasiadis, Chefredakteur des Münchner Merkur, kommentiert: Gewinnstreben und Haftung gehören zusammen. Wer Letzteres zu wenig beachtet, spielt mit der Gesundheit der Menschen.
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Viel war zuletzt die Rede davon, dass die Corona-Epidemie auch eine Chance sein könne. Nämlich Schluss zu machen mit nicht nachhaltigen Geschäftsmodellen, die am Ende der ganzen Gesellschaft bleischwer auf die Füße fallen können. Dazu gehört die fatale Verlagerung der Produktion überlebensnotwendiger Medikamente ins Ausland, aber auch die organisierte Verantwortungslosigkeit in der Fleischindustrie. Nach den Corona-Masseninfektionen in mehreren Fleischbetrieben muss die Politik heute zeigen, dass sie Konsequenzen zu ziehen bereit ist. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat Recht: Der Praxis der Werkverträge, also die Auslagerung des Betriebs ganzer Schlachthöfe an schwer zu kontrollierende Drittfirmen mit ausländischen Entsendearbeitern, gehört ein Riegel vorgeschoben.
Corona-Masseninfektionen in Fleischbetrieben: Untragbare Bedingungen
Seit Jahren erreichen aus dieser Branche immer wieder Skandale die Öffentlichkeit. Die CDU und die nordrhein-westfälische Landesregierung liegen deshalb falsch, wenn sie noch immer von „Einzelfällen“ reden, unverdrossen auf die Selbstreinigung der Fleischindustrie hoffen oder es – wie Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner – bei einer Erhöhung der Bußgelder bei Verstößen belassen wollen. Diese zahlen die Betroffenen meist lächelnd aus der Portokasse. Das Virus hat allen Beteiligten schonungslos vor Augen geführt, welche drastische Folgen es haben kann, wenn Verantwortung an Dritte ausgelagert wird. In der Marktwirtschaft gehören Gewinnstreben und Haftung zusammen. Wer das nicht beherzigt, kriegt nicht nur die in der Fleischwirtschaft zu besichtigenden untragbaren Arbeits- und Produktionsbedingungen. Er nimmt nicht nur tausendfaches Tierleid in Kauf, sondern spielt auch mit der Gesundheit und, wenn es ganz schlimm kommt, dem Leben der Menschen.
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Fleischbetriebe stehen nicht erst seit Corona in der Kritik. Agrarministerin Julia Klöckner will mit einer steilen Preiserhöhung für mehr Nachhaltigkeit sorgen.