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Corona-Impfstoff: Lauterbach äußert schwere Kritik an der EU - „Falsch eingekauft“

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Von: Kai Hartwig

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SPD-Politiker Karl Lauterbach während seiner Rede im Bundestag
Karl Lauterbach hat die EU scharf kritisiert. © Bernd von Jutrczenka /dpa/picture alliance

Die Corona-Impfungen in den EU-Staaten gehen eher schleppend voran. Auch in Deutschland wächst die Unzufriedenheit. Karl Lauterbach greift die Europäische Union an.

Berlin - Eigentlich sollte mit der Zulassung des Corona-Impfstoffs von Biontech* und Pfizer der Start in eine bessere Zukunft gelingen. Doch nur wenige Tage, nachdem die ersten Menschen in Deutschland das Serum verabreicht bekommen haben, wird die Kritik an der gemeinsamen Impfstrategie der Europäischen Union (EU) immer lauter.

Biontech-Chef Ugur Sahin zeigte sich über die Einkaufpolitik der EU verwundert. Inzwischen gab das Unternehmen bekannt, man sei „in fortgeschrittenen Diskussionen“ mit der EU über eine erhöhte Impfstoff-Liefermenge. SPD*-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach wurde gegenüber der Süddeutschen Zeitung trotzdem deutlich: „Die EU hat meiner Meinung nach falsch eingekauft.“

Corona-Impfstoff: EU erwarb 300 Millionen Dosen - die USA doppelt so viele

Mit insgesamt 300 Millionen Dosen kommt die EU nur auf die Hälfte der Impfmenge, die durch die USA von Biontech und Pfizer erworben wurde. Davon sollen in Deutschland bis Ende Januar lediglich drei bis vier Millionen Impfdosen eintreffen. Während des ersten Quartals plant Gesundheitsminister Jens Spahn mit elf bis 13 Millionen.

Für Karl Lauterbach ist das deutlich zu wenig. „Die Situation ist unbefriedigend“, sagte der Sozialdemokrat. Auch das nach Lauterbachs Einschätzung viel zu zögerliche Handeln der EU stößt dem Politiker bitter auf. Demnach hätten Experten bereits im Frühsommer absehen können, dass Biontech/Pfizer und dem US-Biotechunternehmen Moderna „extrem starke“ Impfstoffe gelungen seien.

Trotzdem habe die EU sehr lange für ihre Verhandlungen mit den Impfstoffherstellern gebraucht. Erst im November bestellte man bei Biontech seine Impfdosen, die USA hatten schon im Sommer einen Deal eingetütet. Dabei soll Europa zudem auf 100 Millionen weitere Dosen des Biontech-Mittels verzichtet haben.

Ein weiteres Problem: Die Europäische Union setzte in ihrer Impfstrategie auf ein Portfolio mehrerer potenzieller Impfstoffe unterschiedlicher Anbieter. Darunter war auch das Serum von Sanofi und GlaxoSmithKline. Der Vertrag über bis zu 300 Millionen Dosen des Impfstoffs wurde Mitte September 2020 abgeschlossen. Im Dezmeber gab Sanofi und GlaxoSmithKline bekannt, dass sich die Auslieferung verzögert. Der EU fehlen auf einen Schlag Millionen Impfdosen.

Corona-Impfstoff: Virologe Sutter verteidigt Strategie der EU

Hat die EU also im Kampf gegen das Coronavirus* versagt? Es gibt auch andere Stimmen, die das Vorgehen Europas nachvollziehen können. So hält Gerd Sutter von der Ludwig-Maximilians-Universität München dies für nachvollziehbar. Der Virologe glaubt, dass die Wirksamkeit der Corona-Impfstoffe von Biontech, Moderna und Astra Zeneca im Sommer nicht zweifelsfrei feststand. Auch, wenn erste Studien den Impfstoffkandidaten gute Chancen dazu einräumten. „Diese Prüfungen hinsichtlich Verträglichkeit und immunologischer Aktivität erlauben noch keine Rückschlüsse auf die Wirksamkeit eines Impfstoffes“, gab Sutter zu Bedenken. 

Im schlechtesten Fall hätte die EU auch auf das falsche Pferd setzen können. „Stellen Sie sich vor, man hätte von diesem sehr teuren Impfstoff, mit dem es noch keinerlei Erfahrungen auf dem Markt gibt, viele Hundert Millionen Dosen bestellt - und dann wäre ein anderer, günstiger Impfstoff, wie der von Sanofi und GSK, als erster zugelassen worden“, schilderte Sutter. „Da hätten sich dann alle beschwert, dass man nicht vor allem diesen Impfstoff geordert hat.“ 

Video: Nach Impfstart - Rufe nach schnellerer Produktion 

Corona-Impfstoff: Anderes Impfintervall als Mittel gegen Knappheit?

Vielleicht gibt es aber auch eine andere Lösung der akuten Impfstoff-Knappheit innerhalb der EU-Staaten. Der Vorsitzende der ständigen Impfkommission am Robert Koch-Institut, Thomas Mertens, brachte ein anderes Impfintervall ins Spiel. Demnach sei der Abstand zwischen erster und zweiter Impfung eines Patienten möglicherweise variabel. „Da der Schutz auch nach einer Impfung schon sehr gut ist, ist es durchaus überlegenswert, bei Impfstoffmangel zunächst bevorzugt die erste Impfung zu verabreichen.“

Lauterbach sieht diese Möglichkeit ebenfalls. Er plädiert für die Zweitimpfung nach 12 Wochen, bisher sind drei Wochen geplant. „So können wir den Mangel in den nächsten drei Monaten etwas kompensieren“, meinte Lauterbach. (kh) *Merkur.de ist Teil des bundesweiten Ippen-Digital-Redaktionsnetzwerkes

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