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Streit um Lockerungen: Landeschefs haben Merkel entmachtet

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Von: Georg Anastasiadis

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Angela Merkel konnte sich im Streit mit den Länderchefs um Lockerungen nach dem Corona-Lockdown nicht durchsetzen. Das ist gut so. Denn auch der Kanzlerin steht es nicht zu, demokratische Debatten zu unterdrücken. Ein Kommentar von Merkur-Chefredakteur Georg Anastasiadis.

Deutschland hat sich zuletzt an einen Begriff gewöhnt, an den es sich besser nicht gewöhnen sollte: Die „neue Normalität“, die Politiker unentwegt im Munde führen, ist eine schönfärberische Umschreibung des Ausnahmezustands, in dem sich die Corona-Republik in Wahrheit seit März befand, mit umfassender exekutiver Machtbeanspruchung und Zustimmungswerten für Regierende, die diese ansonsten nur in Kriegszeiten erreichen. Wie Riesen erschienen den vom Virus verängstigten Deutschen plötzlich die Kanzlerin und der bayerische Ministerpräsident. 

Corona-Lockerungen in Deutschland: Merkel ist von Landeschefs entmachtet worden

Beide haben, alles in allem, ihre Sache ordentlich gemacht. Italienische, spanische oder britische Verhältnisse sind dem Land erspart geblieben, und wenn die Bürger achtsam handeln, bleibt es auch dabei. Und doch ist es eine gute Nachricht, dass mit den Lockerungsbeschlüssen vom Mittwoch auch die demokratische Normalität wieder Einzug hält und dass freiheitsbeschränkende Maßnahmen hinterfragt werden. Und dass mancher Riese sich im Nachhinein als Scheinriese entpuppt.

Corona-Krise: Merkel trieb den Lockdownstreit auf die Spitze und verlor

Vor allem für Angela Merkel erfolgte die Rückkehr zur demokratischen Normalität vorgestern schockartig. Ein Landeschef nach dem anderen entzog ihr, die den „Lockdown“ noch gerne fortgesetzt hätte, die Unterstützung. Ob ihr in der Telefonschalte mit den Ministerpräsidenten wirklich der Satz entfuhr, sie sei „kurz davor, aufzuhören“, ist nicht verbürgt. Teilnehmer aber erlebten eine sichtlich zermürbte Kanzlerin. Ihre schon im April ausgesprochene Warnung vor „Diskussionsorgien“ über Lockerungen entpuppte sich im Nachhinein als Höhe- und Wendepunkt exekutiver Machtentfaltung: Schließlich kann es auch in der Corona-Krise nicht Aufgabe einer Kanzlerin sein, demokratische Debatten zu unterdrücken. Das steht ihr nicht zu – genauso wenig wie es ihrem Innenminister Horst-ich-lass-die-Grenzen-zu-Seehofer zusteht, die Bundesbürger nach eigenem Gusto den Sommer über einzusperren, um dem heimischen Tourismus zu helfen.

Kein Weg ist alternativlos – auch wenn ihn die Kanzlerin dazu erklärt. Angela Merkel hätte das schon aus anderen Episoden ihrer Amtszeit lernen können. Mit einem Schlag, so notierte die „Neue Zürcher Zeitung“ gestern nach der Revolte der Ministerpräsidenten, sei Deutschland „zurück in der Endphase der Kanzlerschaft Merkel“. Als Ausdruck zurückgewonnener Normalität ist das keine schlechte Sache.

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Es ist für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die erste Regierungsbefragung im Jahr 2020 - Thema ist natürlich die Corona-Krise.

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