Corona: Spahn bekommt schon den „Booster“ - Minister erntet Unmut

Jens Spahn hat seine Booster-Impfung erhalten - auch, um für die Auffrischungsimpfung zu werben. Allerdings erntet der Minister einigen Unmut. Kernfrage: Ist Spahn schon an der Reihe?
Berlin - Der scheidende Gesundheitsminister Jens Spahn hat sich eine weitere Impfung gegen Corona verpassen lassen - damit wollte der CDU-Politiker laut einem Tweet des Gesundheitsressorts auch für die Booster-Impfung werben. Spahn hinterließ damit bei vielen Beobachtern aber vor allem Unmut und offene Fragen.
Denn der Minister gehört in mehrerlei Hinsicht zumindest nicht zur Hauptzielgruppe, der die sogenannten Booster derzeit empfohlen werden. Ohnehin gab es neben vielen virologisch motivierten Rufen nach einer schnellen Drittimpfung im Sommer immer wieder auch mahnende Stimmen angesichts schleppender Impf-Fortschritte etwa im globalen Süden.
Spahn erneut gegen Corona geimpft: ist der Minister schon an der Reihe?
„Ich werbe dafür, dass viele andere das auch tun“, sagte Spahn laut Ministeriums-Tweet über seinen „Booster“ mit dem Biontech-Wirkstoff. Tatsächlich gibt es Nachfrage nach dem Dritt-Pieks in Deutschland: Am Mittwoch (27. Oktober) wurde mit erstmals mehr als 100.000 Auffrischungsimpfungen ein Tagesrekord erzielt, wie Spahn erläuterte. Laut Robert-Koch-Institut waren es 102.400 Vakzin-Gaben, so dass nun 1,8 Millionen Menschen eine Impf-Verstärkung erhalten haben.
Der Großteil der Impflinge dürfte allerdings eine andere Impf- und Corona-Vorgeschichte als Spahn aufweisen - und eine andere physische Konstitution. Eine Auffrischung mindestens sechs Monate nach einer vollständigen Impfung wird seit September unter anderem Älteren (vor allem Menschen ab 70 Jahren), Risikogruppen, aber auch Pflegekräften und Geimpften mit Astrazeneca und Johnson & Johnson angeboten.
Dabei ist auf den Corona-Webseiten der Bundesregierung ein etwa verwirrender Strauß an Formulierungen zu den Booster-Impfungen zu lesen. Auffrischungsimpfungen seien „vor allem für Personengruppen sinnvoll, bei denen es zu einer reduzierten oder schnell nachlassenden Immunantwort nach einer vollständigen Covid-19-Impfung kommen kann“, heißt es bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Zu lesen ist auf der Bundeswebseite zusammengegencorona.de aber auch: „Auch Genesene, die eine einmalige Impfung mit einem Vektor-Impfstoff erhalten haben, können ihren Impfschutz damit entsprechend erhöhen“ - in diese Kategorie fällt Spahn.
Die Regeln fußen auf Beschlüssen der Gesundheitsministerkonferenz. Die augenscheinlich etwas widerstreitenden Formulierungen dürften auf die Diskrepanz zwischen dem, was offiziell empfohlen und dem, was ist offiziell zugelassen ist, beruhen: So hat die Ständige Impfkommission zumindest keine explizite Impfempfehlung für Spahns Gruppe der einmalig per Vektorimpfstoff immunisierten Genesenen ausgesprochen - anders als eben für Alte, Immunschwache, Pflegekräfte oder auch mit dem Impfstoff von Johnson & Johnson geimpfte Menschen.
Video: Booster-Impfungen - für wen und ab wann?
Spahn erhält Corona-Booster - und erntet Unverständnis: „Willkommen im Leben der normalen Bürger“
Spahn ist 41 Jahre alt und war vor fast genau einem Jahr von einer Corona-Infektion genesen. Im Mai war er nach eigenen Angaben zudem mit dem Impfstoff von Astrazeneca immunisiert worden, einem Vektor-Impfstoff. Den Angaben der Bundeszentrale zufolge entspricht die Impfung des Ministers also keinen offiziellen Regeln.
In den sozialen Medien kochte am Donnerstag dennoch einiges an Unmut hoch. Die Minister-Impfung scheint der Lebensrealität vieler Betroffener entgegenzustehen - offenbar ist Werbung kaum nötig, so einige. Impfwünsche bleiben aktuell offenbar unerfüllt. „Meine Mama, 66, herzkrank, ursprünglich Prio 2, wird überall abgelehnt, da ‚Booster erst ab 70‘. Willkommen im Leben der normalen Bürger Herr Spahn“, ärgerte sich ein Kommentator auf Twitter. „Meine Schwester hat witzigerweise am gleichen Tag einen Booster wie Herr Spahn bekommen. Neun Monate nach ihrer 2. Impfung. Sie ist immunsupprimiert und hat direkten Patientenkontakt in einem Klinikum“, berichtete eine andere Userin.
Corona-Impfung: Virologen werben für Drittimpfung - doch es gibt auch ein ethisches Problem
Virologen sind sich prinzipiell einig, dass eine Drittimpfung verbesserten Schutz bietet. „Wenn man ein drittes Mal geimpft wird, hat man danach viel bessere Antikörper“, sagte Experte Christian Drosten im September in seinem NDR-Podcast: „Das ist absolut super, eine Booster-Impfung zu bekommen.“ Drosten verwies zugleich aber auf ein „ethisches“ Problem. Er sehe aus eigener Erfahrung die Lage in Afrika und frage sich: „Was machen wir uns hier die dritte Dosis klar, wenn dort noch nicht einmal die erste verabreicht ist?“ Der Virologe rechtfertigte die Booster-Impfungen in Deutschland vor allem mit Blick auf das vergleichsweise hohe Alter der Bevölkerung hierzulande.
Der FDP-Experte für Globale Gesundheit, der Virologe Andrew Ullmann, hatte bereits vor einigen Wochen auf mangelnde Bemühungen der Bundesregierung zum Aufbau der Impfstoffproduktion in Afrika verwiesen und Pläne für Booster-Impfungen gerügt. Es würden auf diesem Wege „manche zwei Rettungswesten bekommen, während andere keine einzige haben“, erklärte er im Gespräch mit Merkur.de. „Das ist aus epidemiologischer Sicht der falsche Weg und vor dem Hintergrund des nationalen Impfstoffüberschusses fahrlässig.“
Die Regierung wiederum reagierte damals auf eine Anfrage der Liberalen mit dem Verweis auf eine Empfehlung der WHO. Diese befürworte Drittimpfungen - für „vulnerable Gruppen“. (fn mit Material von dpa)