Söder nach gescheiterem Plan für Frauenquote: „Das wirft uns um Jahre zurück“

Die CSU-Spitze scheitert überraschend mit ihrem Plan, die fixe Frauenquote auszuweiten. Der Parteitag zerpflückt den Leitantrag zur CSU-Reform, Markus Söder muss mit einem Notkompromiss einlenken.
München – Der Moment, als der CSU-Spitze die strenge Regie über ihren Parteitag entgleitet, kommt ganz unauffällig daher. Ein „Antrag zur Geschäftsordnung“, ein Delegierter erbittet eine geheime und schriftliche Abstimmung über die Frauenquote. Binnen Minuten und gegen die dringende Bitte der Parteiführung bekommt der Antrag eine Mehrheit. Und plötzlich läuft eine Debatte aus dem Ruder, die die CSU schon fast abgehakt hatte.
Plan für CSU-Parteireform wird auf Parteitag zum Zankapfel
Über Stunden liefert sich der Parteitag am Samstag ein Wortgefecht über den Leitantrag zur Parteireform. In monatelangen Verhandlungen hatte Generalsekretär Markus Blume Vorschläge entwickelt, gesammelt und teilweise wieder verworfen, um die CSU moderner, jünger, weiblicher und digitaler zu machen. Sein Kompromiss fliegt ihm aber in einem Detail um die Ohren: Die Delegierten tragen die verbindliche Ausweitung der geltenden 40-Prozent-Frauenquote auf Kreisverbände nicht mit.
Einer nach dem anderen geht ans Mikro und greift den Kuhhandel von Parteispitze, Frauen-Union und Junger Union an, teils wütend. „Jede Frau, die bei uns a bisserl was auf dem Kasten hat, kommt in Amt und Würden“, ruft ein junger Delegierter. Ein anderer verspottet die Parteiführung derb und etwas plump, wann sie eine Quote für das dritte Geschlecht einführe.
Das ist genau das, was Parteichef Markus Söder verhindern wollte: eine eskalierende Debatte wie 2010, als das erste Mal die Quote eingezogen wurde. Alle Versuche, die Diskussion einzudämmen, scheitern. Man sieht Söder mit grimmiger Miene eifrig SMS tippen, und wundersamer Weise meldet sich ein Vertrauter nach dem anderen am Saalmikrofon zu Wort: Das halbe Kabinett, viele aus dem Vorstand warnen vor der verheerenden Außenwirkung, wenn die CSU ihre Frauenquote komplett kippt. „Es ist eine Existenzfrage“ für die CSU, keine Organisationsfrage, sagt General Blume fast flehentlich. Es hilft nicht: Der Ton wird ruppiger.
CSU-Parteitag: Spontane Krisengespräche
Vorne beginnen spontane Krisengespräche. Persönlich. Per SMS. Ulrike Scharf, Vorsitzende der Frauen-Union, meldet sich – natürlich nach Absprache mit Söder – mit einem Kompromiss: Die 40-Prozent-Quote wird nicht verpflichtend, sondern nur ein Sollziel. Für Scharf, erst fünf Wochen im Amt, ein gewagtes Manöver, denn viele Frauen wünschen sich viel strengere Quoten. Und dieser „Kompromiss“-Teil ist in Wahrheit nur die geltende Satzungslage, § 8 (2) – im Saal merkt das kaum einer.
Kommentar zum Parteitag der CSU: Ein Hauch von Revolution
Dann winkt Söder selbst der Regie, tritt ans Mikro. Seinen Groll verbirgt er mühsam. Er stellt sich hinter Scharfs Vorschlag. „Pack ’ma die Brechstange und anderes Kriegsgerät ein“, ruft er. „Bau ’ma eine Brücke.“ Aber er sagt den vielen Quotengegnern auch deutlich, was er von dieser Debatte hält. „Bei den jungen Frauen schneiden wir verheerend ab“, lautet die schonungslose Selbstdiagnose. „Wir entscheiden heute auch darüber, wie wir von draußen gesehen werden.“ Er bekomme bereits SMS, in der CSU stünden jetzt „Männer gegen Frauen“. „Das wirft uns als Partei um Jahre zurück“, warnt er eindringlich. Das werde man bei den Kommunalwahlen merken. „Da dürft ihr euch nicht täuschen.“
Damit ist der Parteitag gerettet. Fast alle stimmen für den Kompromiss, Scharfs FU verschickt umgehend eine Jubel-Pressemitteilung, die Junge Union hält zumindest still. Doch es bleiben Wunden. In der Parteispitze fragen viele, wie der Generalsekretär die aufgeladene Stimmung so unterschätzen konnte. Das mediale Echo ist übel: „Verheerend“ (FAZ), „fast ein Fiasko“ (Tagesschau), „Söders erste schwere Niederlage“ (SZ). „Desaster“ (Welt). „Das ist mehr als chaotisch zugegangen“, heißt es am Sonntag zerknirscht aus der Parteispitze.