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Paukenschlag: Dänische Migrationsministerin a.D. muss in Haft - wegen „Kinderbräute-Erlass“

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Von: Florian Naumann, Jonas Raab

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Von 2015 bis 2019 war Inger Stojberg in Dänemark für die Einwanderungspolitik verantwortlich. Jetzt wurde sie für eine Anweisung von damals verurteilt.
Von 2015 bis 2019 war Inger Stojberg in Dänemark für die Einwanderungspolitik verantwortlich. Jetzt wurde sie für eine Anweisung von damals verurteilt. © Ritzau Scanpix/imago

Dänemarks ehemalige Ministerin für Einwanderung und Integration muss in Haft. Ein Reichsgericht attestierte ihr Rechtsbruch mit ihrem Kinderbräute-Erlass.

Kopenhagen - Dänemarks frühere Einwanderungsministerin Inger Støjberg zeigte sich vor allem „sehr, sehr überrascht“: Die 48-Jährige wurde am Montag (13. Dezember) wegen Entscheidungen in ihrem früheren Amt zu 60 Tagen Gefängnis verurteilt. Es ist ein historisches Urteil, erst das sechste seiner Art – denn es fiel am sogenannten Reichsgericht, das sich mit Fehlverhalten von Ministern befasst.

Støjberg war von 2015 bis 2019 als Ministerin für Einwanderung und Integration maßgeblich für die restriktive Aufnahmepolitik Dänemarks verantwortlich. Auf die Anweisung der Konservativen hin wurden im Jahr 2016 23 Paare mit meist nur geringem Altersunterschied ohne Einzelfallprüfung voneinander getrennt. Sie wurden in verschiedenen Zentren untergebracht, während Ämter ihre Fälle prüften. Støjberg wurde deshalb vorgeworfen, gegen die Europäische Menschenrechtskonvention, die der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg überwacht, verstoßen zu haben.

Dänische Ex-Ausländerministerin Stojberg wegen Trennung von Flüchtlingen verurteilt

Ganze 25 der 26 Richter des Sondergerichts befanden Støjberg für schuldig, in mindestens einem der Fälle – bei einem asylsuchenden Paar aus Syrien – vorsätzlich gehandelt zu haben. Das Verfahren lief seit September. Die Staatsanwaltschaft hatte vier Monate Haft gefordert, die ehemalige Ministerin auf „unschuldig“ plädiert. Die rund zweimonatige Haftstrafe, für die sich eine deutliche Mehrheit des extra für diesen Prozess eingesetzten Reichsgerichts aussprach, bezeichnete Støjberg als eine „Niederlage für die dänischen Werte, nicht nur für mich“. Gegen das Urteil kann sie keine Berufung mehr einlegen.

Michael Gøtze, Verwaltungsrechtsexperte an der Uni Kopenhagen, sprach in der Zeitung Politiken hingegen von einer „sehr roten Karte“ für Støjberg und ihr Vorgehen. Jens Elo Rytter, Jura-Professor an der Hauptstadt-Universität, wies auf eine überraschende Einhelligkeit des Urteils hin - angesichts der Besetzung eines Teils der Richterstellen durch die Politik sei das nicht zu erwarten gewesen, sagte er dem öffentlich-rechtlichen Sender DR. Im Resultat stehe ein besonders „starkes“ Urteil.

Støjbergs Ministerium hatte im Februar 2016 in einer Mitteilung erklärt, dass alle Asylpaare ausnahmslos getrennt untergebracht würden wenn einer der Partner minderjährig sei. Dabei handelte es sich laut Gericht um eine rechtswidrige Anweisung. 23 Paare waren davon betroffen, darunter offenbar auch zu jener Zeit schwangere Frauen.

Einwanderungsministerin Stojberg zu 60 Tagen Haft verurteilt – ein historisches Urteil

Eine Mehrheit im dänischen Parlament, dem Folketing, hatte Anfang Februar dafür gestimmt, Støjberg wegen Amtsvergehens vor das Sondergericht zu stellen. Zu dieser drastischen Entscheidung kam es in Dänemark in den vergangenen 100 Jahren nur zwei Mal. Es gilt jedoch als wenig wahrscheinlich, dass Støjberg ins Gefängnis muss: Bei Haftstrafen unter sechs Monaten reicht nach dänischem Recht auch eine elektronische Überwachung.

Das Parlament muss nun entscheiden, ob die inzwischen parteilose Abgeordnete ihr Mandat verliert. Nach ihrer Anklage im vergangenen Winter hatte die 48-Jährige bereits die konservativ-liberale Venstre-Partei verlassen. Ihre glühendsten Anhänger finden sich inzwischen im ultrarechten Lager: Hans Kristian Skibby, Abgeordneter der rechtspopulistischen Danske Folkeparti, sprach am Montag auf Twitter dann auch von einem „peinlichen“ und „politischen“ Urteil. Eine politische Zukunft als Frontfrau wird Støjberg allerdings auch bei den Rechten nicht haben: Entsprechende Pläne seien „game over“, erfuhr die Zeitung Ekstrabladet aus Parteikreisen. (jo/dpa/AFP/fn)

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